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Herr Schmidt-Schaller, stimmt es, dass Ihre erste Begegnung mit dem Kapitalismus von einer Flasche Whisky geprägt wurde?

Ende der 1960er-Jahre gastierte unser Theaterensemble aus Karl-Marx-Stadt in Oberhausen im Ruhrgebiet. Wir legten unser äußerst karg bemessenes Westgeld zusammen und kauften uns eine Flasche schottischen Whisky. Zwei Tage später sahen wir den gleichen Whisky in einem anderen Laden im Sonderangebot – für den halben Preis. Wir sind fast verrückt geworden, weil wir uns betrogen fühlten. In der DDR waren die Preise ja überall gleich. "Was für ein Wahnsinn", dachten wir. "Wenn man im Westen lebt, muss man ja irrsinnig viel Zeit dafür aufbringen, nach Sonderangeboten zu suchen."

Warum geben Sie so selten Interviews?

Mein Kollege Götz George gab mir den Rat, mich in der Presse rarzu­machen. Er hielt das ja auch so. Und das hat sich bis heute als sehr klug und sehr vernünftig erwiesen.  

Warum haben Sie dann trotzdem 2015 Ihre Biografie veröffentlicht?

Weil man nicht jeden Tag 70 wird und ich das Bedürfnis hatte, meinen Nachfahren ein Stück deutsch-deutscher Geschichte zu vermitteln – und zu zeigen, wie unterschiedlich durch geschichtliche Umstände Lebenswege verlaufen können. 

Eine starke Motivation war sicher, Ihre Sicht auf Ihre Vergangenheit als IM der Stasi darzulegen …

Richtig. Darüber habe ich ausführlich in meinem Buch geschrieben.  Deswegen möchte ich mich nicht weiter dazu äußern. 

Wie haben Sie Ihren 70. Geburtstag empfunden?

Ich hatte wirklich ein paar Wochen lang Probleme. Wie alt soll ich sein? 70? Das konnte ich gar nicht fassen. Als der Geburtstag dann überstanden war, dachte ich: "Quatsch, alles Blödsinn!" Heute sage ich mit Robert de Niro: "Wir werden nicht älter, wir entwickeln uns weiter."

Wie halten Sie sich fit?

Mit dem Hund spazieren gehen, Text lernen und Rotwein trinken. 

Mit 60 Jahren haben Sie angefangen, sich mit Ihren familiären Wurzeln zu befassen. 

Leider erst so spät. Viele, die ich hätte befragen können, lebten da schon nicht mehr. Das ist ja auch ein Grund, warum ich das Buch geschrieben habe: Ich will etwas weitergeben, solange ich mich noch daran erinnere. Als mein Vater starb, war ich erst fünf Jahre alt, und ich habe auch später nie so richtig nachgefragt. Darum weiß ich nicht einmal etwas über die Eltern meines Vaters. Mein Appell: Wartet nicht zu lange mit Fragen an die ältere Generation.

Warum würden Sie gerne mal eine Oper inszenieren?

In einer Oper fließen alle Künste zusammen: Literatur, Musik, bildende Kunst, Tanz ... Das reizt mich, seit ich nach dem Abitur Bühnenarbeiter war und den Kollegen von der Oper von der Seitenbühne zuhörte und zuschaute.

Hatten Sie als Teenager musikalische Idole?

Elvis Presley natürlich. Und jeden Sonntag hörten wir die Hitparade von Radio Luxemburg mit Camillo Felgen. Das war ein Muss! Allerdings hörte ich auch gerne klassische Musik.

Welche historische Figur bewundern Sie?

Rosa Luxemburg für ihren Satz: "Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden." Der ist aktueller denn je. 

Wo finden Sie Ruhe?

Zu Hause in Berlin, auf der Insel Usedom und auf Reisen. Ich habe früher immer vor dem Atlas gesessen, die Karten abgepaust und geträumt: Da müsste man mal hin. Geschult durch Karl May, stand natürlich Amerika ganz oben. Das war dann auch meine erste Auslandsreise. Inzwischen haben wir uns einige Länder erobert und sind dankbar, dass Gesundheit und Finanzen mitspielen. Wir haben auch noch einiges vor.

Zum Beispiel?

Wir fahren im Winter gerne in die Kälte. Finnland, Norwegen, Lofoten, jetzt ist Island dran. Im Winter lernt man die Natur dort im Norden mal von der anderen Seite kennen. Ich verstehe jetzt auch die Krimis besser, die aus Skandinavien kommen. 

Wie verbringen Sie am liebsten Ihren Urlaub?

Viel spazieren gehen mit unserer Hündin Coco, die Natur genießen, viel lesen, viel schlafen.

Der beste Ratschlag, den Sie je bekommen haben?

Ein Fernsehregisseur sagte mir mal: "Merke dir eins: Neid will hart erarbeitet sein." Das hat sich eingeprägt. Wenn so was mal aufkam, wusste ich: Das kann man anderen schlecht erklären, dass einem das nicht in den Schoß fällt, sondern dass zum Erfolg einiges an Arbeit gehört.

Welches war die spannendste Phase Ihres Lebens?

In jeder Lebensphase gibt es aufregende Momente. Die aufregendste und interessanteste begann sicher mit der Zeit vor und mit dem Fall der Mauer. Grundsätzlich sollte man in seinem Leben immer neugierig bleiben, auch wenn man älter wird. Dann ist alles, was man betreibt, spannend.

2015 wurde bei Ihnen eingebrochen. Haben die Polizisten Sie als Fernsehkommissar erkannt?

Gesagt haben sie nichts, aber ihr Grienen war nicht zu übersehen.

Andreas Schmidt-Schaller

  • Geboren am 30. Oktober 1945. Aufgewachsen in Weimar und Gera.
  • Bekannt wurde der gelernte Schauspieler im DDR-Fernsehen mit "Polizeiruf 110". Danach viele TV-Rollen. Seit 2001 spielt er den Kriminalhauptkommissar bei der "SOKO Leipzig".
  • Er ist Vater von drei Söhnen und einer Tochter und war mit der Schauspielerin Christine Krüger verheiratet. Seit 20 Jahren lebt er mit der Regisseurin Swentja Krumscheidt zusammen – meistens in Berlin.