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Herr Langenscheidt, Ihr neues Buch heißt "Alt genug, um glücklich zu sein". Braucht man Lebenserfahrung fürs Glück?

In jeder Lebensphase – ob man 16, 36 oder 66 Jahre alt ist – steckt ganz viel spezifisches Glück. Und das sollte man möglichst ausleben, auch um mit den besonderen Sorgen und Ängsten, die jede Lebensphase begleiten, gut fertigzuwerden. Das Buch habe ich auch als Selbsttherapie geschrieben, weil mir vor dem Älterwerden ein bisschen bange war. Viele denken ja, im Alter geht es nur noch abwärts. Heute weiß ich: Unser Leben wird in mancher Hinsicht mit den Jahren sogar besser. Ich bin jetzt 66 und freue mich aufs Älterwerden.

Worauf freuen Sie sich konkret?

Ich freue mich darauf, mehr Zeit zu haben, für mich, für meine Familie, mal auszuschlafen, überhaupt mehr nach den eigenen Prinzipien leben zu können und auch darauf, anderen Menschen Rat zu geben. Manchmal kommt mir das Leben vor wie eine Sesselliftfahrt: Erst fahren wir hoch und entdecken staunend, was in der Welt ist, und dann fahren wir wieder runter und genießen den Überblick und gewinnen ungeahnte, neue Perspektiven. Ich muss mir heute nichts mehr beweisen und nicht mehr versuchen, der Beste zu sein, sondern kann zufrieden die eigenen Erfolge genießen.

Sie sind also gerne alt?

Absolut. Ich bin sehr viel glücklicher als mit 36 oder 16. Ich hätte sicher auch Grund, hier und da rumzumäkeln und unzufrieden zu sein. Aber Glück ist eine Entscheidung. Ich habe mich entschieden, mich auf die positiven Seiten des Alters zu fokussieren.

Wem haben Sie diese positive Sicht auf die Dinge abgeschaut?

Die habe ich mir 100-prozentig selbst erarbeitet. Noch als Student war ich ein sehr schwieriger Zeitgenosse, unzufrieden mit mir und den anderen. Aus dieser Geisteshaltung habe ich mich bewusst Schritt für Schritt rausbewegt. Wer versucht, aus allem das Beste zu machen, ist einfach glücklicher als jemand, der ständig hadert oder neidisch denkt, ein anderer habe es besser.

Haben Ihre Eltern Ihnen diese Haltung vorgelebt?

Meine Eltern haben mir vieles mitgegeben: mein Vater die Überzeugung des Unternehmers, dass man selbst viel bewegen kann, meine Mutter, dass Freundschaft und Liebe und Familie wichtiger sind als wirtschaftliche Erfolge. Zwischen diesen beiden Polen bin ich groß geworden.

Ihr Vater ist im Sommer 100 geworden. Ist er ein Vorbild für Sie?

Ja. Mein Vater geht immer noch pfeifend durch den Tag und sagt pragmatisch: nicht jammern, weitermachen! Die Kriegsgeneration hat so viel erlebt, dass ihr unsere Sorgen oft lächerlich erscheinen. Mein Vater hat mir beigebracht, nicht auf hohem Niveau zu klagen. Doch was die Eltern einem mitgeben, ist wie ein Trampolin. Springen muss jeder selbst und seinen Weg finden, wie er glücklich wird und mit Rückschlägen umgeht.

Wie gehen Sie mit Krisen um?

Wir sind nun mal dazu verdonnert, Krisen zu haben, Jobs oder Menschen, die wir lieben, zu verlieren, Krebs zu kriegen; all diese Dinge, die täglich passieren. Leichter wird es, wenn wir es schaffen, dies als Teil des Lebens zu akzeptieren und nicht zu fragen: warum ich? Und daran zu wachsen und neue Stärke zu entwickeln. Außerdem habe ich gelernt, dass es gut ist, sich Hilfe zu holen. Wenn wir klein sind, ist es normal, dass wir Hilfe in Anspruch nehmen. Warum sollten wir uns nicht auch im Alter helfen lassen?

Sie haben Philosophie studiert. Hilft das, Glück zu finden?

Als Philosophiestudent habe ich so einen Spleen entwickelt und alles gelesen, was über Glück je geschrieben worden ist. Später habe ich sogar ein Institut für "Angewandte Glücksforschung" gegründet. Ich wollte unbedingt verstehen, warum es manchen so leicht fällt, glücklich zu sein, und andere kämpfen wie verrückt und schaffen es einfach nicht.

Sind Sie fündig geworden?

Und wie! Glück hängt zum Beispiel eng mit der Fähigkeit zusammen, dankbar zu sein für das Gute, was einem widerfahren ist. Eine andere Erkenntnis ist: Gerade das Glück anderer ist es, das uns glücklich macht. Auch und vor allem in der Liebe.

Bereuen Sie etwas in Ihrem Leben?

Ich habe mich zeitlebens immer wieder sehr genau gefragt, ob ich da bin, wo ich sein möchte. Ich habe viele Dinge ausprobiert. Diese Neugierde, diese Attitüde des Tanzens möchte ich mir erhalten und mir ein paar Verrücktheiten gönnen. Erst vor Kurzem habe ich Qigong gelernt und mit Beatboxen angefangen. Da stehen viele junge Leute drauf, und man macht dabei mit dem Mund Percussionsinstrumente nach. Außerdem mache ich täglich so viele Liegestützen, wie alt ich bin. Gerade sind es 66.

Sie sind spät Vater geworden. Halten die Kinder Sie jung?

Kinder haben bedeutet ja auch, die Welt neu zu entdecken. Und das hält in der Tat jung und flexibel.

Sind Sie ein Familientier?

Ja, aber das bin ich erst geworden. Wenn man jung ist, geht es um Mädels, Männerfreundschaft und Abenteuer. Heute weiß ich: Familie ist ein Kokon, auf den man sich immer verlassen kann.

Florian Langenscheidt

*7. März 1955 in Berlin

Publizist: Studierte Germanistik, Philosophie und Journalismus. Er arbeitet als Verleger, Redner und Journalist sowie Business-Angel und Buchautor.

Privatmann: Erste Ehe mit Gabriele Quandt, zweite mit Miriam Friedrich. Er hat fünf Kinder und lebt in Berlin.