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Bis Otti Osterland sich mit ­ihrem neuen Begleiter anfreunden konnte, dauerte es eine Weile: Zwei Jahre lang verstaubte der Rollator im Keller. Doch heute sagt die Dame mit der Dauerwelle und dem marineblauen Nadelstreifenanzug: „Mein Rollator ist mein bester Freund.“ Denn dank ihm ist sie auch mit 91 Jahren noch mobil, seit sechs Jahren benutzt sie ihn nun schon. Aber noch immer seien da Unsicherheiten, erzählt sie: „Ich mache immer wieder die gleichen Fehler. Ich schaue nicht auf den Boden – und plötzlich kommt etwas daher.“

Um sicherer im Umgang mit ihrem Rollator zu werden, ist Osterland an diesem Vormittag in den Innenhof der Se­niorenresidenz Sanzeberg in Cottbus gekommen. Mit ihr sitzen zwanzig weitere Bewohnerinnen und Bewohner zwischen den Backsteinsäulen des Hofs, ihre Rollatoren vor sich geparkt. Aufmerksam blicken sie auf eine Frau in leuchtend grüner Jacke mit der Aufschrift „Verkehrswacht“. Auf Sandra Müller, die den Kurs heute leitet.

Passt alles?

Zuerst geht es um die richtige Einstellung der Gefährte – denn viele positionieren die ­Griffe zu hoch. „Dann geht man immer krummer, weil der Rollator nach vorne prescht und man nur noch versucht, hinterherzukommen“, so Müller. Sie rät: Die Griffe auf Höhe der herunterhängenden Handge­lenke einstellen, den Rollator dafür näher am Körper führen. Als alle Teilnehmenden vor ihrem richtig eingestellten Gefährt stehen, geht Müller mit prüfendem Blick die Reihe entlang. „Na, wer hat den Rollator angebremst?“, fragt sie in die ­Runde. „Ich“, ruft Otti Oster­land. Viele andere haben nicht ­daran gedacht. Das sei aber wichtig, damit das Gefährt beim Aufstehen nicht wegrollt, sagt Müller. Auch wer sich auf der Sitzfläche ausruhen will, sollte vorher die Bremsen anziehen.

Besonders im Winter kommt es zudem auf gute Sichtbarkeit an. „Wer nur eine dunkle Winterjacke und keine Reflektoren trägt, wird mit seinem Rolls-Royce schnell übersehen“, sagt Müller. Das sorgt für Gelächter – und nimmt die Scham. Denn nur die wenigsten sehen ihren Rollator als „besten Freund“, so wie Otti Osterland. „Der Rollator ist kein Zeichen dafür, dass man alt und schwach ist“, betont Müller. „Im Gegenteil: Er hilft, aktiv zu sein und zu bleiben.“

Die Verkehrswacht bietet regelmäßig im Herbst und Frühling Rolla­tortrainings an Alten-, Pflege- und Tageseinrichtungen in Cottbus an. Die Kurse werden vom Bundesministerium für Verkehr und Infrastruktur gefördert und sind für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer kostenlos. Ähnliche ­Gruppenangebote gibt es bundesweit, etwa bei Begegnungs-
stätten, Seniorentreffs, Sanitätshäusern oder der örtlichen Polizei.

Parcours voller Hindernisse

Einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Cottbus sind schon zum wiederholten Mal dabei. Die Fortgeschrittenen haben bereits Reflektoren an ihren Rollatoren. Die erhält, wer sich am Hindernisparcours in der Mitte des Innenhofes versucht, es an Verkehrshütchen, Fahnenstangen und Rampen vorbei schafft. Die Trophäe, ein neonfarbenes Schnapparmband, sorgt für mehr Sichtbarkeit im Straßenverkehr.

Otti Osterland traut sich heute als eine der Ersten auf den Parcours. Mit ihrem Rollator positioniert sie sich zwischen zwei Verkehrshütchen. Dann geht’s los: Mit Schwung umschifft sie die erste Fahnenstange, die zweite rammt sie. „Vorsicht“, sagt die Kollegin von der Verkehrswacht. „Der Rollator macht Sie immer breiter.“ Dann geht’s mutig weiter.

Kippen statt Heben

Vor einer Fußmatte aus Gummi, die einen Straßenpflasterwechsel simu­liert, bleibt die Seniorin stehen. Schlechte Gehwege, Kopfsteinpflaster, Straßenbahnschienen – solche Hürden begegnen Rollatornutzern im Alltag oft. „Kippen ist besser als Heben“, empfiehlt Müller. „Das wusste ich gar nicht“, sagt Osterland. Als sie es ausprobiert, klappt es ohne Probleme. Doch schon wartet das nächste Hindernis. Eine weiße Plane auf dem Boden soll eine Pfütze darstellen. Die Kursteilnehmerin steuert drum herum. Müller lobt: „Richtig. Denn die ist nicht nur nass, sondern der Boden darunter ist uneben, und das kann gefährlich werden.“

Auch die letzte Hürde stellt die Seniorinnen und Senioren vor ein typisches Problem: eine ­Steinplatte, so hoch wie eine Bordsteinkante. Kippen statt Heben lautet wieder der Rat. Das gelingt leichter, wenn der Rollator am Hinterreifen ein Pedal hat. Drückt man es mit dem Fuß nach unten, heben sich die Vorderreifen. Wichtig dabei: „Immer auch auf die Füße achten. Die müssen ja auch irgendwie hinterher“, ruft Müller.

Im Ziel angekommen, reißt Oster­land triumphierend die Arme hoch. „Geschafft!“, ruft sie. Lachend nimmt sie ihren Reflektor und einen Zettel entgegen: „Führerschein“ steht darauf. Der wird einen Ehrenplatz an der Wand ihres Zimmers bekommen.

Sicher durch den Winter

Glätte: „Bei Schnee und Glatteis ist ein fester Stand wichtig“, sagt Manuel Helbig, Geschäftsführer der Verkehrswacht Cottbus. Dabei gelte: sich vorausschauend bewegen und bremsbereit bleiben. „Wer sich unsicher fühlt, nimmt eine Begleitperson mit.“

Sichtbarkeit: In der dunklen ­Jahreszeit auf helle Kleidung achten, ­Warnwesten tragen oder Reflektoren am Rollator anbringen. Da immer mehr Rollatornutzer unterwegs
sind, nehmen auch die Unfälle zu, sagt Helbig. Ein zusätzliches Licht am Gestell hilft Ihnen, Hindernisse besser zu erkennen.

Kälte: Warme Kleidung ist wichtig, darf aber die Beweglichkeit nicht einschränken. Spezielle Handwärmer über Griffen und Bremse sorgen dafür, dass die Gelenke nicht versteifen. Achten Sie auf Schuhe mit Profil.