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Ruth Töpfer hat einen besonderen Schatz in ihrem Schrank: ihr handgeschriebenes Kochbuch. Mit Gerichten, die immer gelingen und bei allen ankommen. Manche mit einer besonderen Erinnerung verbunden. Auch der ein oder andere Ausriss aus der Zeitung klebt darin. Alles über viele Jahre gesammelt. Denn Ruth Töpfer kocht schon immer gern.

Selbst zu kochen – sei es die schnelle Portion Rührei oder der aufwendige Braten – ist unbestritten eine gute Sache mit vielen ­Vorteilen, die Ernährungsfachleute gern betonen: Ich bestimme selbst, was ­hineinkommt, lasse Unverträgliches weg und verarbeite nur gute, gesunde Zutaten.

Tatsächlich ist Kochen aber mehr. Es kann beruhigen, anregen oder einfach glücklich machen. Forschende konnten auch eine positive Wirkung auf das Selbstbewusst­sein feststellen. Und neuerdings wird Kochen sogar psychotherapeutisch genutzt.

Geschmack erleben

Ruth Töpfer reizt es, das Beste aus dem Essen herauszuholen. Sodass einem beim Anblick der Bratkartoffeln schon das Wasser im Mund zusammenläuft und ein knuspriges Krachen beweist, dass die Gerösteten ganz frisch aus der Pfanne kommen. Bratkartoffeln kriegt nicht jeder so hin! Ruth Töpfer nimmt die Herausforderung an. Auch deshalb schaut sie gern Kochsendungen. „Die Rezepte sind mir oft zu gehoben“, sagt die 68-Jährige, „aber die Tipps zum Abschmecken probiere ich gern aus.“ Orangensaft und Ing­wer in die Möhrensuppe? Herrlich! Kochen war ihr Lieblings­fach in der Hauswirtschafts­schule. Das Schulkochbuch nutzt sie heute noch. Über die Jahre hat sie selbst traditio­nelle Gerichte immer mehr verfeinert und perfektioniert. Freundin­nen fragen sie oft nach einem Rezept. Darauf ist sie stolz.

Kochen heißt sich erinnern

Noch mehr freut es sie aber, wenn Tochter Katja von ihrem Sauerbraten schwärmt: „Oh, Mama, die Soße!“ Was für ein Kompliment! Und ein großes Danke für die Stunden, die die Mutter für die Familie in der Küche stand. Essen und Emotionen sind einfach eng miteinander verknüpft. Gerichte aus Kindertagen erinnern an früher und wecken schon allein deswegen ein heimeliges Gefühl.

Die Züricher Ernährungssoziologin Professorin Christine Brombach kennt den Grund: „Wenn wir essen, werden verschiedene Hirnareale angeregt. Wir speichern nicht nur den Geschmack und Geruch einer Speise ab, sondern auch die Situation, in der wir diese gegessen haben.“

Aus Achtung vor der Natur

Klar, in einer Zeit, in der man Essen an jeder Ecke auf die Hand bekommt und Snacks die klassische Mahlzeit ersetzen, ist ein selbst gekochtes Essen schon fast eine Art Liebesdienst.

Das findet auch Heidi Erimoglu. „Kochen heißt für mich, jemandem etwas Gutes tun“, sagt die Münchnerin. Mindestens so wichtig ist ihr aber, „sorgsam mit Lebensmitteln umzugehen“. So drückt sie ihren Respekt vor der Arbeit der Gemüsebauern und Landwirte aus. Und vor dem, was die Natur hervorbringt. Ein Lebensmittel wegwerfen? Kommt nicht infrage. Regelmäßig durchforstet sie ihren Kühlschrank. Und kombiniert dann aus dem, was noch da ist, selbst ein Gericht. Wie neulich den Kartoffel-Pilz-Auflauf. Wenn es allen schmeckt, empfindet sie eine tiefe Befriedigung.

„Selbstwirksamkeit“ nennen Psychologinnen und Psychologen diese Gewissheit, das Gefühl von: „Ich kann das.“ Wer sie erfährt, meistert auch andere Herausforderungen aus eigener Kraft. Haben Menschen, die kochen können, mehr Selbstwertgefühl? Das wollten australische Forschende herausfinden. Sie befragten 657 gesunde Erwachsene, die sieben Wochen lang einen Kochkurs besucht hatten. Sie hatten danach nicht nur mehr Freude daran, Essen zuzubereiten, sondern erlebten sich auch als selbstwirksam. Und Fachleute wissen: Wer diese innere Stärke empfindet, lebt meist zufriedener und gesünder.

Von der Pflicht zur Kür

Nun wollen wir aber auch auf dem Boden der Tatsachen bleiben: Manchmal fehlt die zündende Idee oder man würde gerade lieber raus in die Sonne gehen, als am Herd zu stehen. Ruth Töpfer behilft sich mit einem Wochenplan: einmal nachdenken, sieben Tage entspannt rangehen. Heidi Erimoglu greift zwischendurch auf Vorgekochtes in der Tiefkühltruhe zurück oder lässt sich im Restaurant bekochen. Seit sie sich das erlaubt, ist Kochen nicht mehr Pflicht, sondern Kür.

Restaurant im Wohnzimmer

Auch Monika Fuchs erinnert sich an Zeiten, in denen sie viele Kinder und Pflegekinder zu bekochen hatte: „Hab ich auch irgendwie gern gemacht, aber es war keine Leidenschaft dahinter.“ Die kam erst später. Geweckt durch einen unbeschreiblich feinen Geruch aus einem Kochwagen auf der Straße vor ihrem Büro. Sie wusste: Das will ich auch machen. Sie lernte kochen und gründete mit 60 Jahren ein
Catering-Unternehmen. Mit 76 hat sie es aufgegeben, um zu Hause bei ihrem kranken Mann zu sein. „Ich hatte aber noch Hummeln in den Fingerspitzen. Ich musste weiter kochen“, erinnert sie sich. Sie lud zum Charity-Dinner ein. In ihr Wohn­zimmer. Jeden Freitag. Erst zehn, später 28 Leute. Im Service halfen drei ihrer Enkel­kinder. Gekocht hat sie alleine: „Das war drei Tage richtig harte Arbeit.“
Eine Anstrengung, die sie nicht als solche empfand. Denn das Werkeln in der Küche ist für Monika Fuchs Meditation: „Beim Kochen muss ich Klassik hören und schweigen. Dann fällt mir ganz viel ein.“ Ihre Dinner-Idee kam gut an, die Gäste reisten von weither an. Monika Fuchs wollte Menschen zusammenbringen. Das hat geklappt: „Die Gäste kamen als Fremde und gingen als Freunde.“

Drei Frauen – drei Geschichten. Und alle zeigen: Kochen ist mehr als ein einfaches Handwerk. Die Küchenarbeit hat viele Facetten: Sie ist entspannend oder gar meditativ. Sie spricht die Sinne an und gibt Raum, kreativ zu sein. Man kann es alleine tun, ganz fokussiert und
achtsam. Oder auch zu mehreren, dann bringt es Leute zusammen. Von all dem könnten auch psychisch kranke Menschen profitieren.

Kochen als Therapie

Andreas Jähne, Psychotherapeut und Ärztlicher Direktor der Oberberg Fachklinik in Bad Säckingen, sieht das genauso. An seiner Klinik gehört Kochen zum Therapieprogramm (siehe Interview unten). Was die
Küchenarbeit etwa im Vergleich zu einer Bewegungs- oder Maltherapie bringt, lässt sich kaum in Studien messen. In der Regel nutzen Patientinnen und Patienten mehrere Module des Therapie­programms gleichzeitig. „Aber die Rückmeldungen der Teil­nehmenden der Kochgruppen sind durchweg positiv“, sagt Jähne. Sie sind am Ende keine Kochprofis – aber darum geht es auch nicht.

Damit Kochen auf die Seele wirkt, muss man es nicht perfekt beherrschen. Einfach loslegen und ausprobieren (unsere Tipps zum Einstieg lesen Sie auf Seite 18). Und wenn mit Liebe gekocht wird, schmeckt man das doch irgendwie immer mit.

„Therapie und Alltagstraining in einem“

Herr Dr. Jähne, kann Kochen auch Therapie sein?

Bei uns in der Klinik ist es Teil der Behandlung von psychischen Störungen. Kochen hat viele Aspekte, die man dabei nutzen kann.

Zum Beispiel?

Kochen will geplant sein, man muss gezielt einkaufen und dann dranbleiben, bis das Essen fertig ist. Das
verlangt Konzentration. Bei uns wird in der Gruppe gekocht, dabei üben Menschen mit sozialen Ängsten oder Depressionen das Miteinander.

Und dann kommt dabei auch noch etwas Greifbares heraus ...

... das vermittelt die Erfahrung: Das habe ich gemacht, und ich bekomme dafür ein „Gut gemacht!“ von den anderen. Das tut Kranken gut, die an sich zweifeln.

Kochen und Essen ist zudem
etwas sehr Sinnliches.

Deshalb lässt sich damit Genießen trainieren. Das heißt, sich etwas Gutes zu tun. Eine Fertigkeit, die zum Beispiel Menschen mit einem Burn-out ganz verlernt haben.

Was ist das Besondere am Kochen im Vergleich zu anderen Therapien?

Wir wissen heute: Was wir essen, hat auch einen Einfluss auf unsere Stimmung. Vor allem aber ist Kochen Therapie und Alltagstraining in einem.

Ran an die Töpfe!

Selberkochen macht Spaß – und verlangt weder eine aufwendige Ausstattung noch viele Zutaten

Die Ausstattung

Ein Topf mit Deckel, ein Schneidebrett, ein kleines und ein großes, gut schneidendes Küchenmesser reichen fürs Erste. Wer mit Spiegel- oder Rühr­ei starten will, benötigt eine beschichtete Pfanne. Außerdem nützlich: eine Gemüseraspel, ein Gemüseschäler, Kochlöffel und Pfannenwender (aus Holz oder Plastik, schont die Pfanne) sowie ein Schneebesen.

Die Basis-Zutaten

Kartoffeln und Zwiebeln an einem dunklen, trockenen, kühlen Ort lagern, Eier im Kühlschrank, Gemüse in der Regel auch. Essig, Öl, Mehl und Gewürze (Pfeffer, Salz, Zucker) brauchen es dunkel und trocken, der Küchenschrank ist ein guter Platz.

Das passende Rezept

Was essen Sie gern? Und ist es gleichzeitig nicht zu kompliziert zuzubereiten? Dann ist dies das richtige Rezept! Ansonsten finden Sie einfache schnelle Gerichte mit wenigen Zutaten hier in diesem Heft ab Seite 48. Oder auch im Internet unter den Stichworten „Kochen“ und „Anfänger“. Beim ersten Mal: Alle Zutaten abwiegen bzw. zerkleinern und zusammen mit den benötigten Gerät­schaften bereitstellen.

Kochbuch oder Kurs?

Gute Kochbücher für Einsteiger konzentrieren sich auf einige Grundrezepte und bebildern die einzelnen Arbeitsschritte – so kann nichts schiefgehen.
In einem Kochkurs für Anfänger (etwa an der Volkshochschule oder als Video online) können Sie sich vieles von Profis abschauen. Vor Ort können Sie auch Fragen stellen. Oder Sie fragen im Bekanntenkreis, wer Kocherfahrung hat und sich von Ihnen über die Schulter schauen lässt.


Quellen:

  • Wink M: Die Rolle des Feuers in der Evolution des Menschen. https://heiup.uni-heidelberg.de/... (Abgerufen am 21.06.2023)
  • Rees J, Fu SC, Lo J, et al: How a 7-Week Food Literacy Cooking Program Affects Cooking Confidence and Mental Health: Findings of a Quasi-Experimental Controlled Intervention Trial. https://doi.org/... (Abgerufen am 21.06.2023)
  • Farmer N, Touchton-Leonard K, Ross A: Psychosocial Benefits of Cooking Interventions: A Systematic Review. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/... (Abgerufen am 21.06.2023)