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Sie fährt mit dem SUV zum Arzt, isst Discounterfleisch und geht zehn Mal im Jahr auf Kreuzfahrt. Eine fiktive Großmutter sorgte Ende 2019 für ­einen Eklat. Viele Senioren fühlten sich von dem satirischen Lied des WDR-Kinderchors „Meine Oma ist ’ne alte Umweltsau“ angegriffen und zu Unrecht beschuldigt. Der Sender zog Lied und Video daraufhin zurück und entschuldigte sich öffentlich, stieß damit aber eine gesellschaftliche Debatte an: Wie klimafreundlich ist die ältere Generation? Ist die Erd­erhitzung ein Problem, das Ältere verursacht haben und Junge nun lösen müssen?

Sorge um die Zukunft

Solche pauschalen Vorwürfe sind immer noch weit verbreitet. Das zeigt eine Studie der Antidiskriminierungsstelle: Laut einer Befragung vom Januar 2022 sagten 40 Prozent, dass junge Menschen von älteren bei der Bewältigung des Klimawandels im Stich gelassen würden – unter den jüngsten Teilnehmern fanden das sogar 63 Prozent.

Dabei verlaufen die Linien längst nicht so trennscharf. Unter Älteren gibt es eine Vielfalt der Positionen, sagt Protest- und Bewegungsforscher Dr. Michael Neuber von der Technischen Universität Berlin: „Manche sind dem Klimaschutz sehr verbunden, andere fühlen sich nicht betroffen.“ Neuber hat zwischen März 2019 und September 2022 bei „Fridays for Future“ in Berlin Befragungen durchgeführt und auch Ältere zu ihrer Motivation interviewt. Zwar machten über 60-Jährige nur etwa acht Prozent der Protestierenden aus. Doch rund ein Drittel gab an, sich zu beteiligen, um die junge Generation zu unterstützen. „Die Argumentation ist hier: Wir wollen für unsere Kinder und Enkel eintreten.“

Klima geht alle an

Dabei geht es bei der Bewältigung des Klimawandels nicht nur um Solidarität mit nachfolgenden Generationen. Studien belegen: Gerade Ältere, kranke und pflegebedürftige Menschen leiden mitunter besonders unter den Auswirkungen. Ex-
treme Hitze belastet die herzkranke 82-Jährige mehr als den 16-Jährigen, dessen Körper das einfach wegsteckt. Ältere können sich schlechter an hohe Temperaturen anpassen, schwitzen weniger und haben tendenziell weniger Durst. Rosmarie Wydler-Wälti klagt mit ihrer Organisation „KlimaSeniorinnen“ sogar gegen die Regierung ihrer Heimat, der Schweiz. Der Staat komme seiner Pflicht nicht nach, verletzliche Gruppen zu schützen, so ihr Argument. Mit Verhaltenstipps, etwa bei Hitze wenig rauszugehen, ist es nicht getan, findet Wydler-
Wälti. „Natürlich müssen wir Vorkehrungen treffen, aber das entbindet den Staat nicht, etwas Grundsätzliches zu tun.“

Nicht nur Hitzewellen, auch häufiger auftretende Starkregen-
ereignisse und Hochwasser können besonders für Pflegebedürftige zur tödlichen Falle werden – das hat etwa die Flutkatastrophe im Ahrtal gezeigt. Allerdings werden auch jüngere Kranke und kleine Kinder durch Naturgefahren gefährdet. Klimaschutz bleibt also eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Die Soziologin Prof. Dr. Claudia Vogel von der Hochschule Neubrandenburg hat zu älteren Menschen und ehrenamtlichem Engagement geforscht. „Es gab immer Menschen, die auf wirtschaftliche Maximierung bedacht waren, und andere, die auf der Seite der Umwelt und Nachhaltigkeit standen“, sagt sie. Die Generationen sollten sich nicht gegeneinander ausspielen lassen. „Die Jüngeren lernen im Kontakt mit Älteren, dass sie nicht die Ersten sind, die sich engagieren.“

Protest hat lange Tradition

Viele Ältere machen sich schon lange für den Planeten stark. „Im Deutschland der Nachkriegszeit hat die Umweltbewegung mittlerweile eine mehr als 50-jährige Tradition“, sagt der Protestforscher Michael Neuber. Jörg Mertens zum Beispiel ist schon als 16-jähriger Schüler gegen Atomkraft auf die Straße gegangen – wenn auch mit ganz anderen technischen Möglichkeiten als heute. „Es gab Telefonketten. Flugblätter wurden abgetippt, vervielfältigt, illegal in Schulen verteilt.“ Schon damals, erzählt er, waren Ältere beim Protest gegen das Atomendlager dabei. Später engagierte sich Mertens gegen das Waldsterben. Die heutigen „Fridays for Future“-Proteste erinnern ihn daran.

Dabei gibt es im Kampf gegen den Klimawandel natürlich mehr als nur „Fridays für Future“: Auch andere Organisationen, bei denen viele Ältere Mitglied sind, haben sich das Engagement für die Erde auf die Fahnen geschrieben, vom BUND bis hin zum WWF. Aus Sicht Neubers wäre es für die Generation der Älteren nützlich, ein prominentes älteres Vorbild zu haben – etwa eine 60-jährige Greta Thunberg. Inzwischen gibt es innerhalb der Klimabewegung allerdings eigene Gruppierungen, die auf ihr Alter Bezug nehmen, zum Beispiel „Omas for Future“.

Gibt es Überschneidungen zwischen denen, die sich früher engagiert haben, und denen, die jetzt bei „Fridays for Future“ mitlaufen?Genau kann das Neuber nicht sagen. „Die Wahrscheinlichkeit ist aber hoch. Das legen auch die Proteste in Lützerath nahe, bei denen die Symbolik der Anti-Atomkraft-Bewegung präsent war.“ Die frühe Anti-Atom-Bewegung habe es beim Miteinander von Alt und Jung allerdings leichter gehabt, findet er. Denn im Gegensatz zu damals gehe es bei der Erderwärmung um einen Generationenkonflikt – und darum, dass Ältere die Ressourcen der Jüngeren aufbrauchen.


Lernen von den Älteren

Nicht nur von der Protesterfahrung mancher Älterer können jüngere Generationen etwas lernen, sondern auch von ihrer nachhaltigen Lebensweise. Hartes Brot zu Semmelknödeln verarbeiten, Flicken auf lädierte Jeans nähen. Für viele Ältere nichts Besonderes. Heute heißt es chic „Upcycling“. Viele verzichten bereits auf Flüge, auf Kreuzfahrten, essen weniger Fleisch oder setzen bewusst auf Bus und Bahn, ohne das öffentlichkeitswirksam zu propagieren.

Im Gegenzug könnten aber auch Ältere viel von Jüngeren lernen, glaubt Rosmarie Wydler-Wälti. Eine Begegnung mit Greta Thunberg in Davos 2019 hat sie tief beeindruckt: „Ich finde es inspirierend, wie konsequent viele junge Menschen sind.“

In der Befragung „Deutscher Freiwilligensurvey“ wird der Einsatz fürs Klima zwar nicht erfasst. Doch das Engagement im Tier- und Umweltschutz sei in den vergangenen Jahren stark gewachsen, sagt Ehrenamts-Expertin Vogel. Um sich zu engagieren, ist es nie zu spät. Gerade in der Rente wollen viele Menschen etwas Sinnvolles tun. Außerdem hilft ein Ehrenamt, den Alltag zu strukturieren. „Wenn man immer dienstags einer Organisation hilft, verlässt man das Haus, freut sich auf den Termin und kommt mit Leuten in Kontakt“, so Vogel. Also besser gemeinsam – nicht nur fürs Klima!

Protokoll Jörg Mertens, unterstützt „Fridays for Future“
„Klar könnte ich sagen: Nach mir die Sintflut“
Als die Münchner Ortsgruppe von „Fridays for Future“ Ordner suchte, habe ich mich gleich gemeldet. Man sorgt zum Beispiel dafür, dass der Zug nach außen abgesichert ist und Ordnung und Ruhe herrscht. Das ist eine Auflage, damit Demos stattfinden können. Von den jungen Leuten bin ich beeindruckt. Deshalb bin ich auch für das Wahlrecht ab 16 Jahren. Es fasziniert mich, dass sie auf die Straße gehen – ähnlich wie ich damals gegen Atomkraft. Klar könnte ich sagen: Nach mir die Sintflut. Aber es ist wichtig, sich zu engagieren. Leider sehe ich bei Älteren oft die Haltung: „Die Jungen sollen die Klappe halten.“ Die kapieren nicht, wie wichtig Klimaschutz für uns alle ist.

Protokoll Amrei Küsel, engagiert sich bei „Fridays for Future“
“Wir müssen jetzt handeln“

Ich glaube, wir Jüngeren können viel von der älteren Generation lernen! Meine Großeltern kaufen zum Beispiel bewusst ein, meine Oma näht ihre Kleidung sogar selbst. Umgekehrt habe ich auch manche Ältere überzeugen können, zum Beispiel von veganen Ersatzprodukten. Meine Oma, die schon lange vegetarisch isst, war anfangs skeptisch. Aber irgendwann hat sie mir begeistert eine vegane Sauce hollandaise aus ihrem Supermarkt gezeigt! Mir ist klar, dass Veränderungen Zeit brauchen. Viele in der Altersgruppe engagieren sich schon fürs Klima, aber viele belächeln uns auch. Die Menschheit hat nicht mehr so viel Zeit, wir müssen jetzt handeln!

Protokoll Rosmarie Wydler-Wälti, engagiert sich seit 2016 bei den „Klimaseniorinnen“
“Unsere Generation ist mitverantwortlich für dieses Desaster“
Der Klimawandel ist nicht nur das Thema der Jungen. Ältere leiden unter Hitzewellen. Unsere Organisation „KlimaSeniorinnen“ hat eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen die Schweiz initiiert: Unser Wunsch ist, dass Klimaschutz als Menschenrecht akzeptiert, die Regierung verpflichtet wird, Ältere zu schützen. Wir sind mitverantwortlich für dieses Desaster! Und jeder kann was tun: weniger Auto fahren, nicht fliegen, regional und weniger kaufen. Zu unseren Demos kommen oft nur wenige Ältere. Viele haben Hemmungen, an die Öffentlichkeit zu gehen, oder können wegen Rückenschmerzen kein Transparent halten. Aber man kann auch von zu Hause aus Petitionen unterschreiben.


Quellen:

  • Springer.com, Studie des Deutschen Zentrums für Altersfragen (DZA): Freiwilliges Engagement in Deutschland, Der Deutsche Freiwilligensurvey 2019. Springer.com: https://link.springer.com/... (Abgerufen am 04.04.2023)