Logo der Apotheken Umschau

An eine Postkarte, die in meiner alten Wohngemeinschaft am Kühlschrank hing, erinnere ich mich noch genau. Darauf stand in großen Lettern: „Niemand kann mich ohne meine Erlaubnis verletzen.“ Daneben das Bild von Mahatma Gandhi. Ich habe schon damals viel über diesen Spruch nachgedacht. Zum Beispiel darüber, ob Gandhi ihn wirklich so gesagt hat. Aber ich habe mich auch oft davon ertappt gefühlt. Zum Beispiel dann, wenn ich mich mal wieder von einem blöden Kommentar gekränkt gefühlt habe. Heute weiß ich, dass ich oft zu viel in die Handlungen anderer hineininterpretiere. Ich habe gelernt, besser damit umzugehen, wenn mich jemand auf der Straße anrempelt oder meine Mutter sagt, dass ich mit meinem roten Blazer aussehen würde wie eine Politikerin.

Gar nicht so gemeint

Wir alle nehmen Worte oft viel zu ernst, fühlen uns an Stellen angegriffen, an denen wir es überhaupt nicht sein müssten. „Manche Ereignisse oder Erinnerungen sind in besonderem Maße emotional aufgeladen“, schreibt die Psychiaterin Marian Rojas Estapé in ihrem Buch „Wie du bewirkst, dass dir Gutes geschieht“. Der Kommentar meiner Mutter zum Beispiel, war eigentlich wertfrei – ich hätte nur lieber ein echtes Kompliment von ihr gehört. Eventuell geht das gar auf einen Aufmerksamkeitskomplex in meiner Kindheit zurück. Manchmal hat man auch einfach Tage, an denen man denkt, dass sich die ganze Welt gegen einen verschworen hat. In der Psychologie gibt es den Ansatz der sogenannten sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Wenn man einem Kind oft genug sagt, dass es kein Mathe kann, gelingt es ihm auch nicht. Kurz: Wer immer nur das Schlechte in der Welt sieht, dem passiert auch weniger Schönes. Die gute Nachricht: An seiner Perspektive kann man arbeiten. Wer das Gute in anderen sieht, wird glücklicher. Lässt man sich von einem unhöflichen Drängler im Supermarkt wirklich runterziehen? Empört man sich über den unüberlegten Kommentar einer Kollegin? Beschwert man sich lauthals über die Bedienung, die die Kaffeebestellung versemmelt hat? Oder versucht man es mit einem tiefen Durchatmen. Ruft sich in Erinnerung, dass allen Menschen jeden Tag doofe Dinge passieren, und versucht sich vielleicht sogar einmal in sein Gegenüber hineinzuversetzen.

Es ist doch so: Sich ungerecht behandelt zu fühlen macht es nicht besser. Im Gegenteil, das schlechte Gefühl setzt sich auf die Brust und lässt einen oft stundenlang nicht mehr los. Auch eine sehr gute Methode: darüber hinweglächeln. Denn egal, wie verletzt oder verärgert man selbst ist – dem anderen ist das meistens ziemlich egal. Ich jedenfalls werde es in nächster Zeit öfter mal mit der Weisheit Gandhis versuchen und noch weniger Verletzung erlauben, meine Perspektive ändern. Und ich freue mich, wenn Sie mitmachen.

Marisa Gold


Quellen:

  • „Wie Du bewirkst, dass Dir Gutes geschieht“, Marian Rojas Estapé