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Arthrose? Das ist eine Abnutzungserscheinung. Normal im Alter. Da kann man nichts machen. Haben Sie diese Einschätzung auch schon gehört? Dann geht es Ihnen wie vielen der rund fünf Millionen Menschen mit Arthrose in Deutschland. Doch diese Meinung stimmt nur teilweise. Die Aussichten, das Fortschreiten der Gelenkerkrankung zu bremsen und die Beschwerden spürbar zu mildern, sind gut.

Wahr ist: In einem gesunden Gelenk bewegen sich die Knochen dank einer intakten Knorpelschicht und genügend Gelenkflüssigkeit „geschmeidiger als Eis auf Eis“, sagt Orthopäde Professor Bernd Kladny von der m&i-Fachklinik Herzogenaurach. Ist der Knorpel jedoch kaputt, bekommen viele Betroffene Probleme: Schmerzen, vor allem morgens ein Gefühl von Steifigkeit und eingeschränkte Bewegungsmöglichkeiten. Treffen kann es jedes Gelenk im Körper. Besonders weit verbreitet ist Arthrose an den Knien, an der Hüfte und – oft bei Frauen – an den Fingern.


Verschleiß nicht altersbedingt

Richtig ist auch: Die Mehrzahl der Arthrosepatienten ist älter. Das liegt aber nicht an einem altersbedingten
Verschleiß. „Wir sind weg von der Vorstellung, dass sich Gelenke im Lauf des Lebens zwangsläufig abnutzen wie lange gefahrene Autoreifen“, sagt Professor Babak Moradi von der Orthopädie des Universitäts-
klinikums in Kiel. Im Knorpel laufen ständig Auf- und Abbauprozesse ab. In einem gesunden Knorpel halten sie sich die Waage. Bei Arthrose überwiegt der Abbau. Der Knorpel schwindet langsam. Warum das bei vielen Menschen passiert, aber nicht bei jedem? Einen wesentlichen Einfluss haben die Lebensgewohnheiten wie zum Beispiel Ernährung und Bewegung. Eine wichtige Rolle spielen auch die Gene. „Manche Menschen haben von Natur aus eine stabilere Schutzschicht“, sagt Moradi, „andere verfügen über eine erhöhte Regenerationsfähigkeit.“

Aufbauprozesse fördern

Was aber, wenn man nicht zu diesen Glücklichen zählt? Dann kann man selbst etwas dafür tun, die aufbauenden Prozesse zu fördern und das Gelenk-Innenleben besser im Gleichgewicht zu halten – möglichst vorbeugend, bevor Gelenke wehtun. Es hilft aber auch, bereits bestehende Probleme anzugehen. „Jeder Patient mit Arthroseschmerzen erlebt gute und schlechtere Tage“, weiß Kladny. „Aber es besteht die Aussicht, dass die Schmerzen im Mittel besser werden und man sich wieder mehr so bewegen kann, wie man es möchte.“

Körperliche Aktivität ist die erste Stellschraube, an der Sie ansetzen können. Knorpelzellen beziehen ihren Nachschub an Nährstoffen ausschließlich aus der Gelenkflüssigkeit, die sie umgibt. Die Gelenkkapsel stellt diese Flüssigkeit umso besser her, je mehr das Gelenk bewegt wird. Hinzu kommt: Gut trainierte Muskeln und Bänder rund um ein Gelenk stabilisieren es. „Das hilft zusätzlich, Schmerzen zu lindern“, erklärt Moradi. Freilich kostet es Überwindung, ein schmerzendes Gelenk zu bewegen. Reflexartig möchte man es schonen. Doch mit Aktivitäten wie Radeln, Wandern, Schwimmen, Spazierengehen und Gymnastik – auch für Arme und Oberkörper – machen Sie nichts falsch. „Die beste Knorpelmassage besteht in einem guten Wechsel aus Be- und Entlastung und vermeiden Sie es, das Gelenk zu verdrehen“, sagt Kladny.

Der zweite Ansatzpunkt ist die Ernährung. Kurz gesagt: Alles, was gut für Herz und Kreislauf ist, schützt auch die Gelenke. Auf den Teller gehören viel Gemüse und Hülsenfrüchte, Vollkorn, dazu gesunde Fette wie etwa Raps- und Leinöl, aber nur wenig Fleisch. Lebensmittel mit Zucker sollten Sie meiden und nur wenig Alkohol trinken. Das hilft, Entzündungsreaktionen im Körper gering zu halten, die den Gelenken zusetzen. Es hilft zudem, bei Übergewicht ein paar Kilos abzunehmen. Auch das ist günstig – selbst bei Fingerarthrose. „Beim Gewicht geht es meist gar nicht darum, ein Gelenk direkt zu entlasten“, erklärt Orthopäde Moradi. Vielmehr zirkulieren im Körper weniger entzündungsfördernde Stoffe, wenn man Körperfett loswird.

Frühzeitig zum Arzt gehen

Ein Hauptproblem bei Arthrose: Viele Patienten gehen erst zum Arzt, wenn die Schmerzen kaum noch auszuhalten sind. Dabei würden sie davon profitieren, früh auf Bewegung und Ernährung zu setzen. Zudem ist es wichtig, Arthrose richtig zu diagnostizieren, schon um zu vermeiden, dass eine Erkrankung übersehen wird, die eine ganz andere Therapie erfordert, etwa Rheuma. Erster Ansprechpartner ist der Hausarzt. Individuell können weitere Untersuchungen nötig sein, etwa bei einem mit Arthrose erfahrenen Orthopäden.

Wie effektiv eine Behandlung anschlägt, hängt sehr davon ab, wie gut der Arzt die Patienten schult. Ein Beispiel: „Schmerzmittel einzunehmen raten wir heute nur noch in schlimmen Phasen, denn bei Dauergebrauch steigt das Risiko für schwere Nebenwirkungen“, sagt Kladny. Doch um weniger davon zu brauchen, müssen Betroffene genau wissen, was ihnen persönlich sonst hilft. So kann eine gezielte Physiotherapie vorteilhaft sein. Sie entfaltet ihre Wirkung aber nur, wenn man die Übungen konsequent im Alltag umsetzt. Auch andere Therapien gilt es immer individuell abzuwägen. Das betrifft Hyaluronspritzen (Selbstzahlerleistung) genauso wie Kortisonspritzen, Hilfsmittel wie Bandagen oder Einlagen sowie Operationen.

Heilung in Sicht?

„Verlassen Sie sich nicht auf schnelle und große Heilsversprechen“, rät Kladny, der auch die ­Arthrose-Hilfe berät. Holen Sie im Zweifel eine zweite Meinung ein. Zur Wahrheit gehört nämlich auch, dass Arthrose bisher nicht heilbar ist. „Mittlerweile existieren einige vielversprechende Ansätze“, sagt Moradi. „Sie sind aber Jahre von der Marktreife entfernt.“ Ein Grund, warum sich die Erkrankung immer noch schwer packen lässt: Die Gelenke im Körper unterscheiden sich teils erheblich in ihrer Stabilität, ihrem Bewegungsspielraum und den Muskeln, Sehnen, Bändern und Nerven außen herum. Vor allem für Operationen gilt: Empfehlungen, die etwa für schmerzende Knie passen, können für steife Finger ganz anders lauten. Wer Arthrose hat, sollte darum die vielen pauschalen Ratschläge, die herumgeistern, möglichst ausblenden und sich auf sein ganz spezielles Problem konzentrieren.

Vier Tipps: So klappt es noch besser

Und mein Hobby?

Fingerarthrose, aber Sie stricken gerne? Schmerzendes Knie und Ihre Passion ist Fußballspielen? Lassen Sie sich gut beraten. Fast immer findet sich ein Weg, das Hobby beizubehalten – etwas abgewandelt, etwas weniger und mit Ausgleich. Generelle Verbote sind heute die Ausnahme.

Ist Wärme besser?

Ihr Gelenk schmerzt heute besonders? Wärme regt den Stoffwechsel an der betroffenen Stelle an. Bei einer Entzündung ist Kälte wohltuender. Wenn Sie unsicher sind, was zutrifft: einfach ausprobieren. Sie merken innerhalb von Minuten, was Ihnen guttut.

Wie viel Bewegung?

Auch Ruhe kann für kurze Zeit richtig sein, etwa wenn ein Gelenk akut entzündet ist. Versuchen Sie aber, schnell wieder bewegungsfähig zu werden. Es kann auch sinnvoll sein, für ein paar Tage Schmerzmittel zu nehmen. Bevor Sie darauf zurückgreifen: bitte unbedingt mit der Ärztin oder dem Arzt sprechen!

Lieber einschmieren?

Für Gelenke, die dicht unter der Haut liegen wie Finger, Zehen und Knie, sollten Sie lieber Schmerzsalben oder -gele nutzen als Tabletten. Das Nebenwirkungsrisiko ist geringer als bei der Einnahme. Die Salben enthalten Wirkstoffe wie Diclofenac, Ibuprofen, Ketoprofen oder Piroxicam. Der Wirkstoff Paracetamol ist bei Arthroseschmerzen wenig geeignet.


Quellen:

  • Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. (DGOU): S2k-Leitlinie Gonarthrose. Leitlinie: 2017. https://register.awmf.org/... (Abgerufen am 15.03.2023)

  • Bannuru R.R. et al.: OARSI guidelines for the non-surgical management of knee, hip, and polyarticular osteoarthritis. Leitlinie: 2019. https://doi.org/... (Abgerufen am 15.03.2023)

  • Kloppenburg M et al.: 2018 update of the EULAR recommendations for the management of hand osteoarthritis. In: Annals of the Rheumatic Diseases : 28.08.2018, https://doi.org/...
  • Gesellschaft für Fuß- und Sprunggelenkchirurgie e.V. (GFFC): Hallux Ridigus (Großzehengrundgelenksteifigkeit) , Verschleiß des Großzehengrundgelenkes (Arthrose). https://www.gesellschaft-fuer-fusschirurgie.de/... (Abgerufen am 15.03.2023)
  • Ravalli S et al.: Exercise as medicine to be prescribed in osteoarthritis . World Journal of Orthopedics: https://doi.org/... (Abgerufen am 15.03.2023)
  • Thomas S et al.: What is the evidence for a role for diet and nutrition in osteoarthritis?. In: Rheumatology: 17.04.2018, https://doi.org/...