Logo der Apotheken Umschau

Es ist zum Verzweifeln. Obwohl Körper und Geist sich nach Ruhe und Entspannung sehnen, spielen die Beine verrückt. Das Einzige, was scheinbar hilft, ist Bewegung – sei es abends vor dem Fernseher oder nachts, wenn alle anderen längst schlafen. Bei Restless Legs handelt es sich um keine lebensbedrohliche Krankheit. Aber die Schlafstörungen, die mit den „rastlosen Beinen“ einhergehen, bezeichnet Prof. Dr. Claudia Trenkwalder durchaus als Folter.

Entsprechend ernst nimmt Trenkwalder alle, die bei ihr Hilfe suchen. Als Leiterin des Kompetenznetzwerkes Parkinson und Bewegungsstörungen der Paracelsus-
Elena-Klinik in Kassel betreut sie auch Menschen mit Restless-
Legs-Syndrom, kurz RLS. Viele Patienten und Patientinnen seien verzweifelt. Doch die Expertin macht Mut: „Das Gute ist, dass man bei jedem etwas verändern kann. Selbst bei schweren Symptomen kann man etwas tun.“

Klagen ernst nehmen

Jeder zehnte Mensch in Deutschland hat das RLS. Das Risiko, zu erkranken, steigt mit dem Alter an. Für die Deutsche Gesellschaft für Neurologie hat Trenkwalder an der neuen Leitlinie mitgewirkt. Darin ist festgehalten, was für die Behandlung nach aktuellem Forschungsstand besonders wichtig ist oder verbessert werden sollte. Für die Fachärztin für Neurologie gibt es in diesem Punkt noch deutlich Luft nach oben. Häufig klagen bei ihr Patienten, dass sie bisher nicht ernst genommen wurden. Manche beschreiben das Gefühl in den Beinen als Schmerz, andere als Ziehen und immer verbunden mit starkem Bewegungsdrang. „Allen gemein ist, dass es wahnsinnig unangenehm ist. Bei einigen so sehr, dass sie nicht mehr leben wollen“, schildert Trenkwalder ihre Beobachtungen aus dem Praxisalltag.

Typisches zweites Leiden

Gemeinerweise werden die Beschwerden genau dann spürbar, wenn man zur Ruhe kommt. Der starke Drang, die Beine zu bewegen, raubt vielen Betroffenen den Schlaf. Tagsüber sind sie dann müde. Zudem tritt das fiese Syndrom meistens auf, wenn jemand schon unter anderen Krankheiten leidet, ob Depressionen, Herzleiden oder Stoffwechselstörungen wie Diabetes. Typisch für RLS ist auch eine genetische Veranlagung: Hatte der Opa schon das Problem mit den unruhigen Beinen, erhöht das für die Kinder oder Enkel die Wahrscheinlichkeit, ebenfalls daran zu erkranken.

EinigeFormen von RLS verschwinden nach ein paar Tagen wieder. Das sei weder besorgniserregend noch behandlungsbedürftig, so Neurologin Trenkwalder. Anders sieht es aus, wenn Betroffene sich in ihrer Lebensqualität stark beeinträchtigt fühlen. Das ist der Fall, wenn sie wegen der Unruhe in den Beinen mehrmals in der Woche unter Schlafstörungen leiden. Oder wenn die Beschwerden bereits mehrere Monate anhalten. Dann sollte man unbedingt ärztlichen Rat einholen.

Erste Anlaufstelle ist der Hausarzt. „Aber der sollte den Patienten mindestens einmal zum Neurologen schicken“, empfiehlt Trenkwalder, „denn es können auch andere neurologische Erkrankungen hinter den unruhigen Beinen stecken.“

Eisenspiegel bestimmen

Esgibtunterschiedliche Medikamente, die bei RLS helfen können. Eine neue Empfehlung in den Therapie-Leitlinien: Bevor Arzneien zum Einsatz kommen, sollte die Ärztin oder der Arzt beim Patienten unbedingt Eisen und Ferritin, das Speichereiweiß für Eisen, messen. Warum das ratsam ist? Eisenmangel beeinträchtigt die Sauerstoffversorgung und kann das unangenehme Kribbeln auslösen. „Bestätigt sich der Eisenmangel, macht es keinen Sinn, Psychopharmaka zu nehmen“, so die Neurologin. In diesem Fall helfen Eisentabletten oder Infusionen. Auch eine Nierenschwäche, die häufiger im Alter auftritt, kann die Symptome auslösen oder verstärken. Das sollte ebenfalls abgeklärt werden.

Wenn der Eisengehalt im Blut unauffällig ist, kommt Dopamin ins Spiel, ein Botenstoff im Gehirn. „Ein Dopaminmangel wird unter anderem als Ursache von Restless Legs diskutiert“, erklärt Marco Zinn, Apotheker aus Nordenham. Bestimmte Medikamente helfen, den Mangel auszugleichen. Diese wurden ursprünglich für Parkinson entwickelt. Denn auch bei dieser Krankheit fehlt dem Gehirn Dopamin. Die Mittel sind inzwischen aber auch für RLS zugelassen.

Neu ist auch die Therapie-Empfehlung, nicht mit dem Wirkstoff Levodopa zu starten. „Diese Vorstufe von Dopamin sollte gar nicht mehr als Dauertherapie eingesetzt werden“, sagt die Neurologin. Levodopa sollte vielmehr besonderen Anlässen vorbehalten bleiben. „Zum Beispiel einem Theaterbesuch, den Betroffene in Ruhe erleben möchten“, ergänzt Trenkwalder.

Wechselwirkung aufspüren

Leider können auch manche Medikamente Ziehen und Kribbeln in den Beinen auslösen, sagt Apotheker Marco Zinn. Dazu zählen etwa Schlafmittel, Antidepressiva, Neuroleptika und Beta-Blocker. Das sollte der behandelnde Hausarzt oder die Neurologin prüfen, bevor ein neues Medikament verschrieben wird. Wichtig zu wissen: Auf keinen Fall sollten Patientinnen und Patienten ihre vom Arzt oder von der Ärztin verordneten Medikamente eigenmächtig weglassen.

Apotheken bieten seit einigen Monaten eine Medikationsanalyse an. Einmal im Jahr können Kunden diesen Check kostenlos in Anspruch nehmen, die mindestens fünf Medikamente längerfristig verordnet bekommen. „Oftmals ist es ein langer Weg für die Betroffenen, bis die Diagnose RLS gesichert ist“, sagt Zinn. „Die Medikationsanalyse kann dabei unterstützen.“

Was Sie selbst bei RLS tun können

Sich bewegen Regelmäßige Bewegung kann die medika- mentöse Therapie gut unter- stützen. Aber nicht übertrei- ben! Starke Erschöpfung führt oft zu einer Verschlechterung.

Kalt-Warm-Reize beim
Wechselduschen regen die Durchblutung an.

Massieren und Dehnen der Beine sorgen für Entspan - nung der Muskulatur.

Feste Schlafzeiten einhalten und den Mittagsschlaf ersatz- los streichen, weil der die Nachtruhe erschwert.

Genussgifte meiden Auf

Nikotin sowie koffeinhaltige Getränke und Alkohol am
besten ganz verzichten,
spätestens aber ab dem Nachmittag


Quellen:

  • Prof. Dr. Claudia Trenkwalder, Dr. Anna Heidbreder: Restless Legs Syndrom, Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Deutsche Gesellschaft für Neurologie: https://dnvp9c1uo2095.cloudfront.net/... (Abgerufen am 20.12.2022)