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Was zeichnet die ärztliche Betreuung von hochbetagten Menschen aus?

Mit den Jahren häufen sich meist körperliche und geistige Einbußen. So leiden viele Menschen über 70 an mehreren Krankheiten und Gebrechen gleichzeitig. Ältere zeigen auch häufig andere Symptome als jüngere Patienten, und es gibt bei ihnen öfter Komplikationen bei akuten Erkrankungen und Folgekrankheiten. Man braucht viel Geduld und Einfühlungsvermögen, auch weil der Zeitaufwand bei der Untersuchung und Versorgung bedingt durch geistige Einschränkungen und solche im Hören, Sehen und der Mobilität meist viel höher ist. Es erfordert eine besondere Expertise zu erkennen, welche Probleme geriatrische Patienten haben.

Welche Probleme sind das?

In der Geriatrie behandeln wir Menschen ganzheitlich. Wir behandeln Körper, Geist, Seele und das soziale Umfeld. Es geht darum, im Team aus speziell geschulten Ärzten, Pflegekräften, Ergo- und Physiotherapeuten, Logopäden und Psychologen die Fähigkeiten eines Patienten zu aktivieren und seine Versorgung im Alltag zu sichern, zu überlegen, wo Familie oder Nachbarn helfen können. Ist jemand in der Lage, die Tabletten verlässlich einzunehmen? Braucht jemand eine Haushaltshilfe oder einen Sturzpräventionskurs? Sonst landet ein alter Mensch schnell wieder im Krankenhaus, ohne dass sich für ihn etwas zum Besseren ändert.

Klingt nach klassischen Aufgaben für Hausarzt oder Hausärztin.

Viele niedergelassene Allgemeinmediziner und Internistinnen sehen sich auch genau in dieser Rolle. Sie kennen das soziale Umfeld ihrer Patienten, kümmern sich umfassend. Leider machen immer weniger bei nicht mehr mobilen Patienten Hausbesuche. Ich wünsche mir aber, dass es wieder mehr werden. Geriatrisch geschulte Ärztinnen und Ärzte können ambulant viel abfangen. Das würde Kliniken deutlich entlasten.

Wenn keine Therapie mehr möglich ist – wie frustrierend ist das?

Die Frage ist doch, mit welcher Zielsetzung man eine Behandlung ansetzt. Eine Therapie kann auch sein, Symptome wie Atemnot oder Schmerzen zu lindern, das geht fast immer.

Wie gut ist die Medizin

auf immer mehr Ältere

vorbereitet?

Altersmediziner sind derzeit fast nur in Kliniken angesiedelt. Doch längst nicht in allen Kliniken gibt es eine auf Hochbetagte spezialisierte Abteilung. Auch bei der ambulanten Versorgung ist noch viel Luft nach oben. Was mich tatsächlich frustriert: Mit der Krankenkasse wird, vereinfacht gesagt, nach Diagnosen abgerechnet. Das spiegelt aber den Versorgungsbedarf von Hochbetagten überhaupt nicht wider. Sich um sehr alte, pflegebedürftige Menschen zu kümmern, ist eine sehr herausfordernde Arbeit. Und offenbar möchte das kaum noch jemand bezahlen oder machen. Ich sehe das als Aufgabe für die Gesamtgesellschaft.