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Wenn Nachwuchs kommt, ist das für viele ein Grund zum Anstoßen. Manche veranstalten eine „Babyshower“-Party zu Ehren der werdenden Mama. Andere schmeißen eine Willkommensfeier nach der Geburt. Auch bei denen, die nun Großeltern werden, herrschen zumeist Glückseligkeit und Vorfreude.

Ein Baby bedeutet einen Neubeginn, auch für die Ältesten der Familie. Schließlich bricht jetzt eine andere, oft lange Lebensphase an: Wer dieser Tage ein Enkelkind auf der Welt begrüßt, kann sich im Schnitt auf mehr als zwei gemeinsame Jahrzehnte mit den Jüngsten freuen, rechnen Forscherinnen des Deutschen Jugendinstituts vor. Denn noch nie waren werdende Großeltern fitter und gesünder als heute. Sie werden im Schnitt auch älter als ihre eigenen Eltern und Großeltern. Die meisten kosten diese Zeit voll aus: Vier von zehn Omas und Opas haben wöchentlich Kontakt mit dem Nachwuchs – bei Besuchen oder Telefonaten, über Videocall oder via Chat. Nähe besteht auch räumlich: Die Hälfte aller Großeltern leben weniger als 30 Minuten von den Enkeln entfernt, knapp neun Prozent sogar im gleichen Haus.

Ganz viel Nähe und Kontakt

Zugleich schätzen rund 90 Prozentaller Großeltern ihre Beziehung
zum Enkelkind als eng ein. „Schon Goethe hat von seinen Großeltern
geschwärmt“, sagt der SoziologeFrançois Höpflinger, „aber die
heutige Beziehungsqualitätzwischen Großeltern und Enkeln hat sich im Vergleich zu damals extrem verbessert.“ Zum Glück! Großeltern sein ist ein Zugewinn. Menschen, die sich um ihre Enkelkinder kümmern, leben um Jahre länger als Großeltern, die eher auf
Distanz bleiben, belegen Studien. Vorausgesetzt, das eigene Engagement bleibt moderat. „Wenn ich mich auf die Kinder einlasse und meinem Gehirn zutraue, neu zu denken, also mich auf dem Spielplatz auch mal auf eine Schaukel setze oder mit den Enkeln als Märchenfee durch den Wald husche, dann erwecke ich mein inneres Kind – das hält fit und jung“, erklärt Psychotherapeutin Gundi Mayer-Rönne, die ein Buch über das Oma-Sein geschrieben hat.. „Großelternschaft ist ein sozialer Jungbrunnen“, sagt auch Höpflinger, der mehrfach Großvater ist. Sich auf Enkelkinder einzulassen fördere zugleich die psychische Gesundheit. „Menschen mit guten sozialen Beziehungen, etwa zu Enkeln, profitieren geistig. Ihr Demenzrisiko ist verringert, sie berichten von einer höheren Lebensqualität“, so der Soziologe.

Nicht alle empfinden den Status „Großeltern“ jedoch als Errungenschaft. Einige blicken mit gemischten Gefühlen auf den kommenden Lebensabschnitt. Enkel zu bekommen mag vielleicht jung halten, verdeutlicht aber auch die eigene Endlichkeit. Höpflinger ermuntert zu einer anderen Perspektive: „Enkel schreiben die eigene Familiengeschichte fort. Durch sie lässt sich an frühere Lebensphasen anknüpfen und manches vielleicht auch nachholen, was man bei den eigenen Kindern nicht geschafft hat.“

Verlässliche Kümmerer

Gelegenheit dazu gibt es in den meisten Familien zuhauf. Großeltern sind gefragt wie noch nie. Viele Mütter und Väter wollen zeitig wieder zurück in den Beruf. „Großeltern sind oft eine wichtige Reservekapazität, wenn es um die Betreuung der Kinder geht“, sagt Soziologe Höpflinger. Wenn die Enkelkinder krank sind, noch kein Kita-Platz gefunden ist oder die Einrichtung Schließzeit hat, unterstützten sie tatkräftig die jungen Familien. 34 Prozent der Großeltern übernahmen im Corona-Winter 2020/2021 die Betreuung ihrer Enkel, trotz aller Risiken. 2017 waren es nur unwesentlich mehr, nämlich 39 Prozent. Um den Kleinen ein treuer Begleiter zu sein, richten sich viele Großeltern auch unabhängig von elterlichen Arbeitszeiten und eigenem Wohnort einen Oma-und-Opa-Tag pro Woche ein.

Auf die neue Zeit bereiten sich manche gezielt vor: Sie belegen etwa einen Großelternkurs beim Deutschen Kinderschutzbund, der sie in Sachen Kinder- und Familienleben auf den neuesten Stand bringen und jegliche Fragen zur Säuglings- und Kleinkindzeit beantworten soll. Manche Kliniken bieten Seminare an, in denen werdende Großeltern wickeln und füttern üben.

Keine alten Rollenmuster!

Oft startet auch eine kleine Erinnerungsreise: Einige suchen Fotoalben heraus, rufen sich die eigene Elternzeit oder ihre Großeltern ins Gedächtnis. Unweigerlich kommen dabei auch Fragen hoch: Was hat mir als Kind Spaß bereitet? Aber auch: Welches Verhalten meiner Ahnen möchte ich nicht wiederholen? Die Psychotherapeutin und Großmutter Mayer-Rönne ermuntert dazu: „Es ist gut, die eigenen Erfahrungen zu reflektieren, um nicht automatisch in Rollenmuster zu fallen.“

Vorbereitung ist sinnvoll – auch, um die eigenen Prioritäten im Leben abzustecken. Wer Oma und Opa wird, wohnt oft schon längere Zeit ohne Kindertrubel im Haus, hat entstandene Freiräume ausgefüllt und manches Hobby aufleben lassen. Dazu kommen vielleicht erste körperliche Einschränkungen. Psychotherapeutin Gundi Mayer-Rönne empfiehlt deshalb, sich darüber Gedanken zu machen: „Wie viel möchte man unterstützen und welche Beziehung will man zum Enkelkind haben? Und: Was bin ich bereit, dafür zu tun und was nicht?“

Nicht selten gehen die Vorstellungen von Großeltern und jungen Eltern auseinander. Umso wichtiger ist, sich über typische Konfliktthemen auszutauschen: Was darf das Baby essen? Ab wann kommt es in die Kita? Und wie ist das mit Smartphone oder Fernsehen? Dürfen die Großeltern bei jedem Besuch Geschenke mitbringen? Mayer-Rönne empfiehlt vor allem, sich in Erziehungsfragen zurückzunehmen: „Das ist etwas, das uns schwerfällt, die eigenen Kinder machen lassen. Aber sie sind jetzt die Eltern. Das müssen wir akzeptieren lernen.“

Beziehung statt Erziehung

Auch Soziologe Höpflinger rät davon ab, zu viel auf die junge Familie einzuwirken: „Großeltern können Werte vermitteln, aber bei Erziehungsprinzipien sollten sie sich nicht einmischen.“ Wichtig sei, so beide Experten, auszuloten, was alle Seiten sich wünschen, Absprachen zu treffen und Kompromisse zu finden. „Wenn wir mit den unterschiedlichen Bedürfnissen offen und freundlich umgehen“, sagt Mayer-Rönne, „dann finden sich Lösungen. Immer.“

Meine Enkel sind für mich ein Ansporn, auf meine Gesundheit zu achten

Hermann Hammes-Therre, 71, aus
Mechernich, mit Caspar, 2

Ich weiß, wie es mit kleinen Kindern ist. Man kommt zu nichts. Deshalb war für mich von Anfang an klar: Ich möchte meine Tochter entlasten, wo ich kann. Seit Caspar auf der Welt ist, ist jede Woche ein Tag für ihn geblockt. Seine Eingewöhnung in die Kita habe ich übernommen. Wenn Caspar zum Friseur muss, begleite ich ihn ab und zu. Als Caspars Bruder Mika vor wenigen Wochen zur Welt kam, habe ich bei ihm übernachtet, bis die Eltern aus dem Krankenhaus kamen. Abends zum Einschlafen haben wir ein Ritual: Ich singe die 15 Strophen vom Dornröschenlied, die ich für ihn umgetextet habe. Meine Enkel sind für mich ein Ansporn, auf meine Gesundheit zu achten, denn ich werde gebraucht und möchte da sein können.

Anfangs war ich unsicher, wie ich mich verhalten soll

Gudrun Wehrhahn-Weinert, 65, aus Oldenburg,
mit Elin, 2

In meine neue Rolle musste
ich erst hineinwachsen. Anfangs habe mich öfter gefragt, wie ich mich als Großmutter einbringen und verhalten soll. Deshalb habe ich einen Großeltern-Kurs vom Deutschen Kinderschutzbund besucht. Dort zeigte sich, dass viele Großmütter und -väter ähnliche Fragen bewegen. Gemeinsam haben wir erkannt, dass es letztlich darum geht, sich nicht ungefragt in die Erziehung der Eltern einzumischen, sondern da zu sein, zu unterstützen

und die Eltern zu entlasten.

Die Zeit mit unserem Enkelkind ist einfach herzer­frischend und tut gut! Es macht so viel Spaß, mit Elin zu lachen, zu singen und zu tanzen. ­Gerade sammle ich alte Kleidungsstücke, Schuhe und Perücken, um eine ­Verkleidungskiste für sie zusammenzustellen.

Durch Julika ist die Beziehung zu meiner Tochter intensiver geworden

Wilfried Frome, 70,
aus Hannover, mit Julika,1

Als meine Tochter sagte, dass sie Mutter wird, habe ich ein Gefühl der Erleichterung gespürt. Erleichterung, weil meine Tochter sich Nachwuchs so gewünscht hat und weil ich schon in Rente war und viel Zeit haben würde. Meine Enkelin Julika wohnt nur
15 Minuten von mir entfernt, wir sehen uns mehrmals in der Woche. Wir gehen oft raus in den Park, zum Spielplatz, in den Zoo. Drinnen malen, musizieren oder kochen wir zusammen. Ihr Papa hat eine Schmerzerkrankung, wegen der er manchmal für ein paar Tage ins Krankenhaus muss. Dann bin ich ab 7.15 Uhr bei ihr zu Hause, wenn ihre Mama zur Arbeit fahren muss. Durch Julika ist auch die Beziehung zu meiner Tochter intensiver geworden. Wir sprechen über vieles, und ich bekomme mehr von ihrem Leben mit.


Quellen:

  • Anton Bucher, Springer 2019: Lebensernte – Psychologie der Großelternschaft. https://link.springer.com/... (Abgerufen am 15.11.2022)
  • Sonja Hilbrand et al.: Caregiving within and beyond the family is associated with lower mortality for the caregiver: A prospective study. https://www.sciencedirect.com/... (Abgerufen am 15.11.2022)
  • Gundi Mayer--Rönne, Carina Manutscheri: Oma werden, Oma sein – Der eigene Weg in ein gutes Miteinander mit Enkeln und Kindern. https://www.beltz.de/... (Abgerufen am 15.11.2022)
  • Carolin Seilbeck, Alexandra Langmeyer: Ergebnisse der Studie „Generationenübergreifende Zeitverwendung: Großeltern, Eltern, Enkel“. https://www.dji.de/... (Abgerufen am 15.11.2022)