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„Vor dem Sport muss man eine Banane essen.“

Nicht unbedingt. Aber Bananen seien grundsätzlich vor dem Sport in Ordnung - auch für Menschen mit Diabetes, sagt Dr. Stephan Kress, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Diabetes, Sport und Bewegung der Deutschen Diabetes Gesellschaft. Das Obst kann vor einer Unterzuckerung beim Training schützen. Dasselbe vermag aber auch ein Brot oder Müsliriegel. Einfach ausprobieren!

Was der eine verträgt, liegt dem anderen vielleicht im Magen. Bananen enthalten wenig Fruchtsäure und sind gut verträglich. Neben Kohlenhydraten liefern sie Mineralstoffe wie Magnesium und Kalium. Ob, was und wie viel man vor dem Sport isst, hänge von vielen Faktoren ab, zum Beispiel von Sportart, Dauer und Intensität, sagt Anja Carlsohn, Professorin für Ernährungswissenschaft in Hamburg.

„Laufen ist schlecht für die Gelenke.“

Falsch. Es gelte eher das Gegenteil, sagt Professorin Dr. Anja Hirschmüller, Sportorthopädin und Sporttraumatologin am Universitätsklinikum Freiburg: „Laufen wirkt schützend und positiv auf die Gelenke.“ Da das Knorpelgewebe darin nicht durchblutet ist, braucht es eine gewisse mechanische Belastung. Nur so wird es über die Gelenkflüssigkeit optimal mit Nährstoffen versorgt.

Liegt bereits ein Schaden vor - etwa Arthrose -, muss man vorsichtiger sein. Auch dann ist Bewegung wichtig, man sollte aber schonendere Sportarten wie Walken, Schwimmen oder Radfahren wählen. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin.

Studien zufolge sind Arthrosen unter Läuferinnen und Läufern nicht überdurchschnittlich häufig. Das lässt sich zum Teil dadurch erklären, dass diese Personen meist relativ schlank sind. Übergewicht belastet die Gelenke zusätzlich - auch hier sind gelenk­schonende Sportarten zu empfehlen.

„Sport macht gute Laune.“

Richtig. Wenn wir uns bewegen, schüttet das Gehirn verschiedene Botenstoffe aus, die Schmerzen lindern und das Wohlbefinden steigern. Beim Sport kommt man auf andere Gedanken, vielleicht sogar auf gute Ideen und gewinnt Abstand zu den Problemen des Alltags. Für Menschen mit Diabetes ist dies besonders wichtig. „Sie leiden statistisch gesehen etwa doppelt so häufig unter Depressionen wie Nicht-­Diabetiker“, sagt Diabetologe Kress. Zahlreiche Studien deuten darauf hin, dass Bewegung gegen Depressionen und andere psychische Erkrankungen helfen kann. Sie stelle daher eine wichtige Säule der Behandlung dar, so der Experte. Mittlerweile wisse man auch, dass sich die Wirkung einer Psychotherapie steigern lasse, wenn man direkt nach einer Sitzung ­draußen spazieren geht.

„Wer Sport macht, kann essen, was er will und nimmt nicht zu.“

Falsch. „Der Energieverbrauch beim Sport wird oft überschätzt“, sagt Professor Hans Hauner von der Technischen Universität München. Eine Stunde joggen verbraucht - je nach Größe und Gewicht - in der Regel nicht mehr als 400 bis 600 Kilokalorien. Wer sich danach eine Pizza gönnt, hat das Konto sofort beglichen oder gar überzogen. Trotzdem ist Bewegung ein wichtiger Faktor, wenn es ums Abnehmen geht. Denn dabei bauen wir Muskelmasse auf. Die verbraucht auch im Ruhezustand Energie - man verbrennt also durchgehend etwas mehr Kalorien als jemand, der keinen Sport treibt. Außerdem entwickelt man ein besseres Körpergefühl und isst vielleicht automatisch gesünder. „Nach dem Sport fühlen sich viele so gut, dass sie sich sagen: Jetzt esse ich etwas Gesundes, dann war es ein runder Tag“, sagt Kress.

„Man muss10 000 Schritte am Tag machen.“

Nein. 10 000 Schritte entsprechen, je nach Körpergröße, sechs bis acht Kilometer Strecke. „Für die meisten, die neu oder wieder einsteigen, ist das eine viel zu große Hürde“, sagt Stephan Kress. Ob genau diese Schrittzahl für alle ideal ist, ist zudem nicht bewiesen. Sie entstammt der Werbung eines Schrittzähler­herstellers.

Der Zusammenhang zwischen Schrittzahl und Sterberisiko ist jedoch belegt. Insbesondere bei Personen über 60 Jahren scheinen aber auch weniger Schritte lebensverlängernd zu wirken. Zum Beispiel 1000 Schritte mehr oder ein paar Minuten Extra-Bewegung. Statt unrealistischer Ziele also einfach überhaupt aktiv werden!

Ganz wichtig sei Regelmäßigkeit, so Diabetologe Kress. Lange Bewegungspausen machten die positiven Veränderungen im Körper rückgängig. Er rät, nie länger als einen Tag zu pausieren. Im Hinblick auf den Blutzucker seien mehrere kurze Bewegungseinheiten über den Tag verteilt effektiver als eine lange Einheit.

„Wer morgens, am besten nüchtern, Sport treibt, verbrennt mehr Kalorien, vor allem Fett.“

Eher nein. Menschen mit Diabetes empfiehlt Stephan Kress nicht, nüchtern zu trainieren. Durch die Bewegung sinkt der Blutzucker - es ­besteht die Gefahr, zu unterzuckern. Dies gilt insbesondere für Personen, die Sulfonylharnstoffe einnehmen oder Insulin spritzen. Besser ist es, mit einem etwas höheren Zuckerwert zu starten. Für den Notfall immer ein wenig Traubenzucker mitnehmen. Die Fettverbrennung läuft übrigens am besten, wenn man sich leicht bis mäßig anstrengt, etwa gemütlich radelt oder walkt. „Bei maximaler Anstrengung verbrennt man eher wenig Fett“, sagt Kress.

Grundsätzlich stimmt es aber, dass man beim Frühsport etwas mehr Fett verbrennt: „In der Nacht essen wir in der Regel nichts, der Körper muss also seine Reserven anzapfen, um Energie für die Bewegung zu gewinnen“, erklärt Hans Hauner. Das heißt aber nicht, dass man unbedingt morgens aktiv sein muss. Wer abends trainiert, verbrennt in der Summe genauso viele Kalorien - nur stammen diese eventuell mehr aus Kohlenhydraten, je nachdem, was man vorher gegessen hat.

„Nach dem Sport muss ich sofort etwas Eiweißhaltiges essen, sonst baue ich keine Muskeln auf.“

Falsch. Es stimmt zwar, dass nach dem Training im Muskel wichtige Reparatur- und Aufbauprozesse stattfinden. Dafür braucht es Eiweiß (Protein), denn die Muskulatur besteht zu rund 20 Prozent daraus. Das muss aber nicht unmittelbar nach dem Sport sein. „Wenn man Muskeln aufbauen will, ist es am besten, das Eiweiß über den Tag verteilt aufzunehmen“, sagt Ernährungswissenschaftlerin Anja Carlsohn. Spezielle Eiweißshakes oder -riegel müssen aber nicht sein. Milchprodukte oder Hülsenfrüchte liefern auf natürliche Weise viel Protein. Übrigens: Die meisten Menschen nehmen genügend Eiweiß zu sich - selbst wenn sie Sport treiben und ihr Bedarf deshalb leicht erhöht ist.


Quellen:

  • Steinbrück, K, Binzus, G, Metz, J, Krahl H: Der Immobilisationsschaden am Gelenk, Klinische und tierexperimentelle Untersuchungen . In: Sportmedizin für Breiten- und Leistungssport 01.01.1981, 1: 393-398
  • Miller, Ross H.: Joint Loading in Runners Does Not Initiate Knee Osteoarthritis. In: Exercise and Sport Sciences Reviews 10.01.2017, 45: 87-95
  • Norbert Hermanns , Bernhard Kulzer: Diabetes und Depressionen, Eine problematische Kombination. In: Notfall & Hausarztmedizin, Georg Thieme Verlag Stuttgart 01.01.2008, 34: 208-213
  • Hu M, Turner D, Generaal E et al.: Exercise interventions for the prevention of depression, A systematic review of meta-analyses. In: BMC Public Health 18.08.2020, 20: 1-11
  • Paluch A E, Bajpai S, Bassett D R et al.: Daily steps and all-cause mortality, A meta-analysis of 15 international cohorts. In: The Lancet Public Health 01.03.2022, 7: 219-228
  • Hall K, Hyde E, Bassett D R et al. : Systematic review of the prospective association of daily step counts with risk of mortality, cardiovascular disease, and dysglycemia. In: International Journal of Behavioral Nutrition and Physical Activity 20.06.2020, 17: 1-14
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  • Brun J-F, Myzia J, Varlet-Marie E et al. : Beyond the Calorie Paradigm, Taking into Account in Practice the Balance of Fat and Carbohydrate Oxidation during Exercise?. In: Nutrients 12.04.2022, 14: 1605
  • Brad Jon Schoenfeld, Alan Albert Aragon: Is There a Postworkout Anabolic Window of Opportunity for Nutrient Consumption?, Clearing up Controversies. In: Journal of Orthopaedic & Sports Physical Therapy 30.11.2018, 48: 911-914
  • Arbeitsgruppe Sporternährung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) / Klaus Schäbethal: Proteinzufuhr im Sport. In: Ernährungs Umschau international 14.07.2020, 67: 132-139