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Welche Medikamentekönnen zur Gewichts­zunahme führen?

Medikamente, die dicker machen können, werden bei verschiedenen Erkrankungen verschrieben. Dazu gehören zum Beispiel manche Psychopharmaka und Antidepressiva, die bei Depressionen und psychiatrischen Erkrankungen vom Arzt verordnet werden können. Außerdem gilt das bei längerer Anwendung für Glukokortikoide — kurz Kortison. Glukokortikoide wirken entzündungshemmend, anti­allergisch und hemmen das körpereigene Immunsystem. Kortison muss bei bestimmten chronischen Erkrankungen, etwa manchen Autoimmunerkrankungen, oft für längere Zeit eingenommen werden. Auch manche Herz-Kreislauf-Me­­dikamente wie Betablocker können zu einer Gewichtszunahme führen. Gleiches gilt für einige Medikamente, die bei Diabetes verordnet werden. Dazu gehören vor allem Insulin und Sulfonylharnstoffe.

Warum wird man von manchen Arzneimitteln dicker?

Die genauen Mechanismen sind noch nicht erforscht. Es sind aber Faktoren bekannt, wie Medikamente eine Gewichtszunahme begünstigen. Der wohl wichtigste: Die Patientinnen und Patienten haben durch die Einnahme mehr Appetit. Das kann daran liegen, dass die Medikamente die Hormone beeinflussen, die das Hunger- und Sättigungsgefühl regulieren. Andere Mittel stehen im Verdacht, den Energieverbrauch zu senken und so für überschüssige Pfunde zu sorgen. Betablocker lassen zum Beispiel das Herz langsamer schlagen, dadurch kann sich die Leistungsfähigkeit verringern. Bei Antidepressiva kann eine Gewichtszunahme Zeichen der Besserung sein: Wenn die Stimmung steigt, haben manche Betroffene wieder einen gesunden Appetit. Durch die Einnahme mancher Medikamente, zum Beispiel Kal­ziumantagonisten gegen Bluthochdruck, steigt zwar auch die Zahl auf der Waage, es handelt sich aber nicht um eine echte Gewichtszunahme, sondern oft um Wassereinlagerungen.

Wie genau ist das bei den Blutzuckermedikamenten?

Insuline und Antidiabetika, die die Insulinausschüttung anregen, etwa Sulfonylharnstoffe, können dicker machen. Das hat verschiedene Ursachen. Die erste: Insulin ist das sogenannte Masthormon des Körpers. Es lagert überschüssige Kalorien im Fettgewebe ein. Zweitens: „Ist die blutzuckersenkende Wirkung sehr ausgeprägt, kann das zu Heißhunger­attacken führen“, so die Berliner Diabetologin Dr. Iris Dötsch. Sie ist Vorstandsmitglied des Berufsverbandes Niedergelassener Diabetologen. Ein wichtiger Punkt ist das „Wegspritzen“ von Kohlenhydraten mit Insulin: Manche Menschen sind beim Essen weniger diszi­pliniert. Sie korrigieren dann den Blutzucker mit Insulin, was eine Gewichtszunahme fördert.

Ein paar Kilo mehr —wo ist das Problem?

Die paar Kilo können zu einer Reihe von Problemen führen — gerade bei Menschen mit Diabetes: Steigt das Gewicht, steigt in aller Regel der Blutzucker. Damit wird auch der Insulin- oder Medikamentenbedarf höher, die Behandlung wird angepasst und das Gewicht steigt womöglich weiter. „Das kann sich zu einem Teufelskreis entwickeln, der den Diabetes unkontrollierbar macht“, erklärt Iris Dötsch. Und: Wenn Patientinnen und Patienten das Gefühl haben, dass sie durch die Medikamente zunehmen, sind sie mit ihrer Therapie vermutlich nicht mehr so zufrieden und nehmen es mit der Einnahme ihrer Arzneimittel mitunter nicht mehr so genau. Fachleute sprechen dann von mangelnder Therapietreue. „Das ist eine große Gefahr für die Gesundheit“, betont Diabetologin Dötsch.

Wie können Ärztinnenund Apotheker helfen?

Haben Sie Ihre Medikamente als Dickmacher in Verdacht, sollten Sie unbedingt mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Apotheker darüber sprechen. „In vielen Fällen ist es möglich, das Präparat zu wechseln“, weiß Cynthia Milz. Sie ist Mitglied im Vorstand der Bayerischen Landesapothekerkammer und Apothekerin in Kulmbach. Apothekerin Milz warnt vor überstürzten Alleingängen: „Auf keinen Fall sollten Betroffene ihre Arzneimittel auf eigene Faust absetzen.“ Wichtig ist vor allem, dass der Blutzucker gut eingestellt ist: Ist das nicht der Fall, müssen Patientinnen und Patienten oft gegen Unterzuckerungen anessen. Die Folge: Sie nehmen zu. Eine bessere Blutzuckereinstellung vermeidet das.

Was können Betroffene selbst tun?

Abnehmen ist nie einfach und es erfordert Geduld. Doch es gibt Stellschrauben, um die Kilos wieder loszuwerden, auch wenn hinter dem Extragewicht Medikamente stecken. Apothekerin Milz rät besonders Menschen mit Diabetes zu speziellen Ernährungsberatungen. Unter Umständen kommen auch Hafertage oder Fastenkuren infrage — natürlich immer in Abstimmung mit der Ärztin oder dem Arzt. Auch Selbsthilfegruppen können beim Umgang mit dem Gewicht und der Erkrankung oder auch beim Abnehmen helfen. Nicht zuletzt gilt es, mehr Bewegung im Alltag einzubauen: Gehen, Radeln oder Schwimmen sind gute Möglichkeiten. Dann haben die Kilos nicht mehr so ein leichtes Spiel.


Quellen: