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Kita dicht, Kind krank oder Überstunden im Büro – all das kann den Familienalltag gehörig ins Wanken bringen. Im Idealfall springen Oma und Opa in diesen Situationen ein. Doch nicht jeder kann darauf bauen. Häufig wohnen die Großeltern einfach zu weit weg, um spontan zu helfen. Manche sind auch krank und einige selbst noch berufstätig.

Zuletzt haben Wissenschaftlerinnen am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung und dem Bundes­institut für Bevölkerungsforschung die Rolle der Großeltern in Deutschland untersucht. Mehr als 50 Prozent der unter Sechsjährigen werden regelmäßig oder bei Bedarf von Oma und Opa betreut, fanden sie dabei heraus. Damit liege Deutschland sogar leicht über dem europäischen Durchschnitt, sagt Dr. Valeria Bordone, die an der Universität Wien zu diesem Thema forscht. Doch: „Etwa die ­Hälfte der ­Familien mit kleinen Kindern muss den Alltag ohne die Unterstützung der Großeltern stemmen.“

Nicht selten ist diese Herausforderung groß, vor allem dann, wenn ­beide Elternteile arbeiten. Katharina Frass ist Diplom-Pädagogin und leitet das Familienzentrum Menschenskinder in Berlin. Sie kennt die Sorgen der betroffenen Familien. „Unterstützung durch Oma und Opa gibt jungen ­Eltern unglaublich viel Sicherheit“, sagt sie. Familien erlebten es daher als regelrechten Mangel, wenn der ­enge Kontakt fehlt. Frass rät dazu, sich nach Gleichgesinnten umzuschauen: „Vernetzen ist das A und O.“ Hier finden Familien alternative Unterstützung:

Familienzentren

Eine Plattform für den Aufbau eines Netzwerks bieten die staatlich geförderten Familienzentren, Mehrgenerationenhäuser und Nachbarschaftsheime. „Familienzentren schaffen ­eine Gemeinschaft“, erklärt Frass. Viele Eltern säßen im gleichen Boot. „Der Austausch untereinander gibt Kraft, und Familien können sich gegenseitig helfen.“ Auch generationsübergreifende Angebote stehen im Fokus. Eltern suchten für ihre Kinder häufig gezielt Kontakt zu älteren Menschen, so Frass: „Wir erleben, dass die ältere Generation anders umgeht mit Kindern und ihnen dadurch neue Perspektiven eröffnet.“ Auch Soziologin Bordone sagt: „Beide Seiten können voneinander lernen. Diese Erfahrung ist wichtig.“

Wunschgroßeltern-Projekte

Überall in Deutschland haben sich vor diesem Hintergrund Leihgroß­eltern-Projekte etabliert. Familien werden mit Senioren zusammengebracht, die häufig selbst keine Enkel haben. Dabei könnten enge Beziehungen wachsen, ähnlich wie die zwischen leib­lichen Großeltern und ihren Enkelkindern, sagt Bordone. „Verwandt­-
schaft ist für diese Bindung nicht entscheidend.“ Die Projekte werden oft von Mehrgenerationenhäusern, Familienzentren und karitativen Einrichtungen organisiert.

Mütter- und Elternteams

Die Idee ist simpel: Zwei oder mehr Mütter beziehungsweise Elternpaare treffen sich regelmäßig und wechseln sich mit der Kinderbetreuung ab. So hat jeder einmal ein paar Stunden für sich. Gründen lässt sich ein solches Team mit Eltern aus dem Bekanntenkreis oder mithilfe der sozialen Medien. Auf Facebook gibt es bereits entsprechende Gruppen für verschiedene Regionen.

Selbsthilfeplattformen

In vielen Städten haben sich Eltern in Netzwerken organisiert, die auf gegenseitige Unterstützung bauen. Dort helfen Mütter zum Beispiel anderen frischgebackenen Müttern, sie kochen füreinander und geben sich Tipps für die Babypflege und die Suche nach einem Kitaplatz. Organisiert sind viele dieser Plattformen im Internet über die sozialen Medien.

Unterstützung aus der Ferne

Für praktische Hilfe wohnen die Großeltern vielleicht zu weit weg. Aber: „Auch aus der Ferne können sie mit Rat und Tat zur Seite stehen. ­Diese emotionale Unterstützung ist nicht zu unterschätzen“, sagt Bor­done. Für die Kinder könnten Oma und Opa trotz Entfernung wichtige Bezugspersonen sein – nicht zuletzt dank Digitalisierung und Video-Anrufen.


Quellen:

  • Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung: Oma und Opa gefragt? Veränderungen in der Enkelbetreuung - Wohlbefinden von Eltern - Wohlergehen von Kindern. https://cdn.micro.ravensburger.com/... (Abgerufen am 28.11.2022)
  • Jung & Alt e.V.: Oma-Hilfsdienst. https://www.jaz-ev.de/... (Abgerufen am 28.11.2022)
  • SuperMamas Germany: Wie funktioniert SuperMamas. https://app.supermamasgermany.org/... (Abgerufen am 28.11.2022)
  • Interview am 8.11.2022 mit Katharina Frass , Diplompädagogin und Leiterin des Familienzentrums Menschenskinder Berlin sowie Präsidiumsmitglied beim Bundesverband der Familienzentren.

  • Interview am 19.10.2022 mit Dr. Valeria Bordone, Soziologin an der Universität Wien.

  • Deutscher Bildungsserver: Eltern-Kind-Zentren / Familienzentren. https://www.bildungsserver.de/... (Abgerufen am 28.11.2022)