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Mit Hilfe wieder fit für den Alltag

Rehabilitation Nach einem Schlaganfall ist das Ziel, verlorene Fähigkeiten ­wiederzuerlangen. Dabei kann eine Reha helfen. Ein Überblick, was möglich ist

Risikofaktoren reduzieren

Bei jedem Zehnten kommt es innerhalb eines Jahres zu einem erneuten Schlaganfall. Ziel der Prävention ist, das zu verhindern. Daher werden die Risikofaktoren der Betroffenen analysiert und behandelt. Einer davon ist Bluthochdruck. „Von ihrem Bluthochdruck wussten viele vor dem Schlaganfall nicht oder sie waren nicht optimal eingestellt“, sagt Prof. Dr. Dirk Sander, Chefarzt des Neuro-Zentrums Tutzing-Feldafing. Gegen Bluthochdruck helfen blutdrucksenkende Mittel. Auch Vorhofflimmern ist häufig unentdeckt vor dem Schlaganfall. Bei dieser Herzrhythmusstörung können sich im Herzen Blutgerinnsel bilden, die mit dem Blut ins Gehirn gelangen. Um die Gerinnselbildung zu verhindern, werden Gerinnungshemmer verordnet. Behandelt werden sollten auch: hohe Blutfettwerte (mit Cholesterinsenkern) sowie ein schlecht eingestellter Blutzucker bei Menschen mit Diabetes. Hohe Blutzuckerwerte fördern, ähnlich wie Bluthochdruck, dass Blutgefäße verkalken und sich verengen. Der Blutzucker muss daher optimal eingestellt sein. Behandlungsbedürftig ist auch eine Schlafapnoe. Bei dieser Erkrankung hat man nachts mehrfach kurz­zeitige Atemaussetzer. Fehlt Sauerstoff, werden Herz und Gehirn schlechter versorgt. Das stresst den Körper, der Blutdruck steigt stark an.

Lebensstil ändern

„Übergewicht allein ist nicht unbedingt ein relevanter Risikofaktor für einen weiteren Schlaganfall“, so Sander. Problematisch wird es, wenn zusätzlich ein oder mehrere Risikofaktoren wie Bluthochdruck, erhöhter Blutzucker oder eine Fettstoffwechselstörung vorliegen. Dann heißt es: Ernährung umstellen, sportlich aktiv werden, überzählige Pfunde abbauen. In manchen Fällen ist es auch eine Option, mit Arzneien abzunehmen. Außerdem: Schluss mit Tabak! Raucher haben im Vergleich zu Nichtrauchern ein zwei- bis vierfach ­erhöhtes Risiko für einen erneuten Schlaganfall.

Sport und Ernährung

Sport schützt vor einem erneuten Schlaganfall, etwa weil er Blutzucker, Blutdruck und Cholesterin günstig beeinflusst. Wenn Sie jetzt denken: „Sport, wie soll ich das schaffen?“, so kann Dirk Sander beruhigen: „Bewegung muss nicht Joggen oder Fahrradfahren sein. Schon längeres Arbeiten im Garten oder langsames Spazieren schützt. Bereits 15 bis 20 Minuten Gehen pro Tag senkt das Risiko für einen neuen Schlaganfall. Schaffen Sie mehr, umso besser.“ Zur Vorbeugung sollte man auch an der Stellschraube Ernährung drehen. Gut sind: viel Gemüse, wenig Fleisch, Fisch, Obst sowie Raps-, Nuss- und Olivenöl. Vermeiden Sie mit Zucker gesüßte Lebensmittel und Getränke. Zu viel Salz im Essen kann den – oft zu hohen – Blutdruck noch erhöhen. Probieren Sie stattdessen Kräuter und Gewürze. Einige Krankenkassen bieten ihren Mitgliedern kostenfreie Kurse zur Ernährung an.

Behandlungsziele festlegen

Ob Betroffene direkt von der Akutklinik in die Rehabilitation (Reha) kommen, hängt von der Schwere des Schlaganfalls ab. Ist die Person stark betroffen und braucht noch intensive medizinische Behandlung, wird sie nahtlos in die sogenannte Frührehabilitation verlegt. Bei den weniger stark Betroffenen prüfen Ärztinnen und Ärzte, ob eine spezielle Rehabilitation nötig ist, um ihre Schlaganfallsymptome zu verbessern. In der neurologischen Rehaklinik angekommen, werden alle zunächst vom medizinischen und therapeutischen Fachpersonal untersucht. Dann erstellt das Team einen individuellen Therapieplan und legt in Abstimmung mit der betroffenen Person Behandlungsziele fest. Prof. Dr. Anna Gorsler, die Ärztliche Direktorin der Neurologischen Fachkliniken in Beelitz-Heilstätten, weiß, wie wichtig das ist: „Ein Bewegungsmensch wird vielleicht sagen: ‚Mir ist nichts wichtiger, als wieder gehen zu können.‘“ Das sei dann das Hauptziel dieser Person. „Ein anderer ist glücklich, wenn er wieder im Sessel sitzend ein Buch lesen kann.“ Ob die Ziele realistisch sind oder die Therapie verändert werden muss, überprüft das Team laufend und passtdie Behandlung, falls nötig, an.

Physiotherapie: wieder gehen lernen

Diese Fachrichtung kümmert sich, sehr vereinfacht gesagt, um das Wiedererlernen von Stehen und Gehen. Zuerst werden die Betroffenen untersucht und ihre Beschwerden mithilfe von standardisierten Bewertungen gewichtet. „So ist etwa für die Wahl der Trainingsmethode entscheidend, ob die Person bereits selbstständig gehen kann oder noch nicht. Und wenn nicht, wie viel Unterstützung sie braucht“, so Gorsler. Für die Mobilisierung Betroffener, die zwar stehen, aber keinen Schritt selber setzen können, gibt es mittlerweile moderne Gangroboter. Diese Geräte ermöglichen Patienten und Patientinnen zu gehen, ohne dass sie ihr volles Gewicht tragen oder selbst den Schritt beginnen müssen. Ziel sind 800 bis 1000 Schritte in der Trainingseinheit. Allein die Menge der Schritte zählt. Die Neurologin vergleicht es mit Geigespielen lernen: „Je mehr man spielt und übt, desto besser wird man. So ist es auch beim Gehenlernen.“ Patienten, die schon Schritte selbst setzen und einige Meter mit Hilfsmittel gehen können, trainieren auf dem Laufband. Gehstrecke, Geschwindigkeit, aber auch der Neigungswinkel des Laufbandes werden individuell angepasst. „Eingestellt wird immer so, dass die Person ein bisschen gefordert wird“, so Gorsler.

Ergotherapie: Alltag meistern

Im Fokus stehen bei dieser Therapieform die oberen Gliedmaßen, also der Schulterbereich und der Arm- und Handgebrauch. Es gibt verschiedene Übungen und Behandlungen; welche angewandt werden, hängt von der Schwere und Art der Beeinträchtigung ab. Ist etwa ein Arm, bedingt durch eine Lähmung, stark eingeschränkt, kann sich die sogenannte Arm-Robot-Therapie eignen. Der betroffene Arm wird dabei in eine Art Roboterschiene gelegt. Mit deren Hilfe übt der Patient oder die Patientin das Beugen und Strecken der großen Gelenke. Der Roboter unterstützt die Bewegung zum Beispiel dadurch, dass man den Arm nicht gegen die Schwerkraft halten muss. „Die Maschine ermöglicht es, die Bewegung sehr häufig zu wiederholen“, erklärt Expertin Anna Gorsler. Manche Patienten und Patientinnen vernachlässigen bei Alltagstätigkeiten nicht voll einsatzfähige Gliedmaßen, obwohl der gelähmte Teil inzwischen schon mehr machen könnte. In dem Fall kann der Ergotherapeut oder die Ergotherapeutin eine darauf abgestimmte Therapie anleiten, bei der jede Tätigkeit ganz intensiv mit dem betroffenen Arm gemacht wird. Das fördert die spontane Nutzung des Arms.

Neuropsychologie: bei komplexen Störungen

Ein Schlaganfall ist eine plötzlich auftretende Störung der Hirnfunktion. Welche Symptome die Betroffenen haben, hängt davon ab, welche Regionen im Gehirn geschädigt sind. Die Folgen sind unterschiedlich: von Aufmerksamkeits-, Konzentrations- und Orientierungsstörungen über verschiedene Formen der Sprachbeeinträchtigung bis hin zu Störungen von Handlungsabläufen. Manche Symptome sind von außen nur schwer erkennbar. Aber sie bedeuten schwer belastende Veränderungen des Denkens, Fühlens, Wollens und Handelns. Eine besondere Form der Aufmerksamkeitsstörung ist der sogenannte Neglect. Die Person vernachlässigt dabei eine Körperhälfte oder nimmt diese und den Raum auf derselben Seite nicht wahr. Das ist im Alltag eine enorme Herausforderung, weiß Gorsler: „Eine Person, die nur einen Arm wahrnimmt, tut sich schwer, alleine eine Jacke anzuziehen.“ Das neuropsychologische Training zielt auch darauf ab, dass die Betroffenen sich mit der neuen Lebenssituation auseinandersetzen und diese psychisch verarbeiten. Sich mit dem eigenen Zustand abzufinden, fällt vielen schwer. Die Folge: Depressionen, Angst und Anspannung, sowohl bei den Betroffenen als auch bei den Angehörigen. Personen mit komplexen Störungen müssen nach dem Ende der Reha häufig ambulant weiterbehandelt werden.

Logopädie: Sprache und Schlucken

Häufig ist das Sprachverständnis und/oder das Sprechen nach einem Schlaganfall gestört. Sobald wie möglich beginnen Logopädinnen und Logopäden mit den ersten Sprechübungen. Besonders wichtig: das Erkennen und Behandeln von Schluckstörungen. Etwa 50 Prozent leiden nach dem Schlaganfall an einer akuten Schluckstörung. Bei vielen bildet sie sich wieder zurück, etwa 25 Prozent haben länger Schwierigkeiten. Vermutet man Schluckprobleme, werden zunächst Untersuchungen am Krankenbett gemacht. Genauere Ergebnisse liefert die Schluckuntersuchung mit einem Endoskop, in dem sich eine Kamera befindet. Mit seiner Hilfe testet man, wie gut jemand Essen und Trinken mit flüssiger, breiiger oder geformter Konsistenz schlucken kann. Bei Gesunden landet der Speisebrei in der Speiseröhre, nicht in der daneben liegenden Luftröhre. Der Grund: Ein Deckel auf der Luftröhre verschließt diese rechtzeitig, wenn Speisebrei kommt. „Diese Koordination ist automatisch, darüber denken wir nicht nach. Sie kann aber gestört sein nach dem Schlaganfall“, so Neurologin Gorsler. Je nach Schwere der Störung gibt es unterschiedliche Therapieverfahren. Im Vordergrund steht das Wiederherstellen der gestörten Funktion. Essen oder Flüssigkeit, die in die Lunge gelangen, können eine Lungenentzündung auslösen. Deshalb beginnt man mit angedicktem Wasser oder auch zuckerfreier Götterspeise zu üben. Ein Teil des Trainings konzentriert sich auf die richtige Sitzhaltung: Der Kopf soll beim Schlucken etwas nach vorne gebeugt sein. Je nachdem, wo die Störung ist, neigt man den Kopf zur Seite, sodass auf der gesunden Seite geschluckt wird.

Bleiben Sie dran!

Zugegeben, es ist eine Umstellung. Plötzlich soll man sein Leben lang täglich Tabletten einnehmen. Warum? Das fragen sich manche, wenn sie keine Beschwerden, aber Nebenwirkungen der Arzneien spüren. Das Problem: Unbehandelter Bluthochdruck etwa macht kaum Symptome, kann aber zu einem neuen Schlaganfall führen. Sprechen Sie Nebenwirkungen in der Apotheke an! Manchmal reicht es schon, den Einnahmezeitpunkt zu ändern, um sie zu lindern. Oder, falls Sie die Einnahme der Arzneien schlicht und einfach vergessen: Auch hier können Apothekerin oder Apotheker helfen. Mit Tipps, wie Sie den Medikamenten treu bleiben.


Quellen:

  • Stahmeyer JT et al. : The Frequency and Timing of Recurrent Stroke – An analysis of routine health insurance data. In: Dtsch Arztebl Int : 01.08.2019, https://doi.org/...
  • Rückert C: Einem erneuten Schlaganfall mit Medikamenten vorbeugen, Sekundärprophylaxe. https://schlaganfallbegleitung.de/... (Abgerufen am 29.11.2023)
  • Olma M. C., Röther J. et al. : Sekundärprophylaxe ischämischer Schlaganfall und transitorische ischämische Attacke – Teil 2, S2k-Leitlinie, 2022. Leitlinie: 2022. Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) und Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft (DSG): www.dgn.org/... (Abgerufen am 22.11.2023)

  • Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe: Therapieverfahren. Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe: https://www.schlaganfall-hilfe.de/... (Abgerufen am 22.11.2023)
  • Hamann GF, Sander D et al. : Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft und Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Sekundärprophylaxe ischämischer Schlaganfall und transitorische ischämische Attacke: Teil 1, S2k- Leitlinie, 2022. Leitlinie: 2022. Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie: www.dgn.org/... (Abgerufen am 15.11.2023)

  • Gesellschaft für Neuropsychologie e.V.: Neuropsychologische Therapie - was kann behandelt werden. Gesellschaft für Neuropsychologie e.V.: https://www.gnp.de/... (Abgerufen am 22.11.2023)
  • Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe: Neglect. Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe: https://www.schlaganfall-hilfe.de/... (Abgerufen am 22.11.2023)
  • von Büdingen HJ: Was sind neuropsychologische Symptome und neuropsychologische Störungen?. Schlaganfall Begleitung: https://schlaganfallbegleitung.de/... (Abgerufen am 21.11.2023)