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Warum wird nach ­Alternativen für die Spritzen gesucht?

Anfangs drei Spritzen im Monatsabstand, später nach Bedarf: Das ist die Standardbehandlung für Menschen mit einer feuchten Makuladegeneration (AMD). Die Makula ist der ­Bereich des schärfsten Sehens im Auge. Millionen lichtempfindlicher Sinneszellen ­ermöglichen dort das Farbsehen und die scharfe Sicht. Umso fataler, wenn dieser ­Bereich zugrunde geht, die Makula also ­degeneriert. Lesen ist dann nicht mehr möglich, Gesichter werden nicht mehr erkannt. Betroffene können sich zwar noch orientieren, gelten im gesetzlichen Sinne jedoch ab einem bestimmten Grad als blind.

Spritzen in den Augapfel werden eingesetzt, wenn die meist langsam verlaufende „trockene“ Form in die aggressive „feuchte“ Makuladegeneration übergeht. Dann sprießen Blutgefäße mit undichten Wänden unter der Makula, austretende Flüssigkeit und Einblutungen vernebeln die Sicht. Die Netzhaut verformt sich und hebt sich ab. Die ­unter örtlicher Betäubung ins Auge gespritzten Medikamente hemmen einen Wachstumsfaktor namens VEGF und ­verhindern so die Neubildung von Blutgefäßen mit ihren Folgen. Sie stoppen oder bremsen den sonst raschen Sehverlust. Im Jahr 2007 wurde der erste dieser Wirkstoffe in der EU zugelassen, seither sind drei weitere hinzugekommen. Doch schon der bloße Gedanke an Spritzen ins Auge lässt viele Betroffene erschaudern. Dennoch sind Untersuchungstermine strikt einzuhalten, eventuell müssen Ärztin oder Arzt erneut spritzen. Dafür benötigen die meist älteren Patientinnen und Patienten oft eine Begleitung.

Unter alldem leidet die Therapietreue. Eine Studie in Deutschland, in der 800 Patientinnen und Patienten unter der Spritzen-Therapie nachbeobachtet wurden, ergab: Nach zwei Jahren waren nur noch 38 Prozent ­unter ärztlicher Überwachung, und nur 52 Patientinnen und Patienten hielten alle empfohlenen Termine ein. Das ist fatal, denn die regulär Behandelten schnitten beim abschließenden Sehtest doppelt so gut ab wie jene mit verpassten Terminen.

Warum wird gerade darüber gesprochen?

Die Forschung zielt auf länger wirkende Behandlungen ab. Mit neuen Wirkstoffen gelingt dies bereits teilweise, aber auch nicht bei allen Betroffenen. Eine elegante Alternative bildet ein reiskorngroßes Implantat, das in die Lederhaut des Auges eingenäht wird und als Reservoir für den VEGF-Hemmer Ranibizumab dient. Es gibt laufend kleine Mengen des Wirkstoffs ab und wird nur ­etwa alle sechs Monate nachbefüllt.

Eine Studie hat nun die Effektivität der Methode genauer untersucht. 400 Männer und Frauen wurden nach dem Zufallsprinzip auf zwei Gruppen verteilt. Die einen erhielten monatlich eine Spritze, die anderen wurden mit dem Implantat versorgt, das dreimal per Injektion nachbefüllt wurde. Ergebnis: Der Therapieerfolg blieb über 96 Wochen, knapp zwei Jahre, hinweg bei beiden Methoden gleichermaßen erhalten. Das Implantat ist in den USA bereits zugelassen, in Deutschland aber noch nicht verfügbar.

Was haben die Betroffenen davon?­

Eine Makuladegeneration verläuft extrem ­unterschiedlich. Die Behandlung kann die ­Sehschärfe sogar vorübergehend etwas ­verbessern, weil sie die Makula abtrocknen lässt. Allerdings schreitet die Erkrankung oft trotzdem fort. Zum großen Teil liegt dies an mangelnder Therapietreue. Das Speichersystem garantiert für zumindest sechs Monate eine erfolgreiche Therapie, wie die nun veröffentlichten Daten zeigen.

Aber: Nebenwirkungen sind häufiger als bei den üblichen Spritzen. Etwa jeder zwölfte Betroffene musste nochmals behandelt oder, etwa wegen einer Bindehautverletzung, operiert werden. In einigen Fällen musste das Implantat wieder entfernt werden. Schlimmer: Vier Studienteilnehmer erlitten eine Entzündung des Augeninnern, einer verlor das Augenlicht. Die Nebenwirkungen ließen sich mindern, wenn Patientinnen und Patienten strenger auf ihre Eignung geprüft würden. „Man muss bei der Bindehaut beispielsweise ­darauf achten, dass sie stabil genug und für eine solche Operation geeignet ist“, sagt Prof. Frank Holz, Direktor der Universitäts-Augenklinik Bonn. Das System komme vor allem für jene infrage, die sehr häufige ­Injektionen benötigen oder Probleme mit der Therapietreue haben, so Holz.

Unklar ist, ob auch Patientinnen und Patienten profitieren, die zuvor schon jahrelang Spritzen erhalten haben. Dazu seien weitere Studien nötig, so die Studienautorinnen und -autoren. Offen ist auch, ob das Speichersystem über längere Zeit zuverlässig funktioniert. Bisher liegen nur Daten über bis zu 96 Wochen vor.

Frank Holz weist indes auf die Chancen hin, die ein Speicher im Auge bietet: „Den könnte man perspektivisch auch mit anderen Substanzen füllen und damit ­andere chronische Krankheiten wie das Glaukom behandeln.“

Gefäße am falschen Ort

Bei der aggressiven Form einer Makuladegeneration sprießen feine Blutgefäße unter der Makula, dem Ort des schärfsten Sehens im Auge. Die Blutgefäße setzen Flüssigkeit frei, die Netzhaut verformt sich im Bereich der Makula. Wirkstoffe, die das Wachstum von Blutgefäßen hemmen, werden in den Glaskörper des Auges gespritzt. Anstatt der Spritzen wird ein reiskerngroßes Reservoir in die Lederhaut des Auges eingebaut. Es setzt das Medikament kontinuierlich frei und kann nachgefüllt werden.

Das Behandlungsergebnis wird mit verschiedenen Methoden untersucht. Eine besonders präzise Abbildung liefert die sogenannte optische Kohärenztomographie. Eine Buchstabentafel, die Patientin oder Patient aus vier Meter Entfernung ablesen, zeigt die Scharfsicht vor und nach der Behandlung. Das sogenannte Amslergitter hilft, eine fortgeschrittene Makuladegeneration zu erkennen. Konzentrieren Sie sich auf den Punkt in der Mitte.

Können Sie eine Teil des Gitters nicht erkennen oder wirken die Linien verkrummt? Dann sollten Sie dringend und umgehend einen Augenarzt aufsuchen


Quellen:

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  • Holekamp, NM et al.: Archway Randomized Phase 3 Trial of the Port Delivery System with Ranibizumab for Neovascular Age-Related Macular Degeneration. In: Ophthalmology 28.09.2021, 129: 295-307
  • Campochiaro, P et al.: The Port Delivery System with Ranibizumab for Neovascular Age-Related Macular Degeneration, Results from the Randomized Phase 2 Ladder Clinical Trial. In: Ophthalmology 01.04.2019, 126: 1141-1154
  • Chen RC, Kaiser KK: Therapeutic Potential of the Ranibizumab Port Delivery System in the Treatment of AMD: Evidence to Date. In: Clinical Ophthalmology 19.05.2020, 14: 1349-55
  • Awh, CC et al.: Management of Key Ocular Adverse Events in Patients Implanted with the Port Delivery System with Ranibizumab. In: Ophthalmology Retina 01.11.2022, 6: 1028-43
  • EMA: Anhang 1 /Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels , Lucentis 10 mg/ml Injektionslösung. https://www.ema.europa.eu/... (Abgerufen am 07.11.2023)
  • Schriftleitung: Intravitreale Therapie der neovaskulären altersabhängigen Makuladegeneration mit VEGFInhibitoren. In: Der Arzneimittelbrief 01.06.2020, 6: 1-12
  • Salomon SD et al.: Anti-vascular endothelial growth factor for neovascular age-related macular degeneration, Cochrane Review. In: Cochrane Library 04.05.2019, 3: 1-126
  • Berufsverband der Augenärzte, Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft: Altersabhängige Makuladegeneration AMD. Leitlinie: 2015. (Abgerufen am 13.11.2023)

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  • Hoffmann La Roche: This Study Will Evaluate the E1cacy, Safety, and Pharmacokinetics of the Port Delivery System With Ranibizumab in Participants With Diabetic Macular Edema Compared With Intravitreal Ranibizumab (Pagoda). https://clinicaltrials.gov/... (Abgerufen am 30.11.2023)
  • IQWIG: Altersabhängige Makuladegeneration (AMD). https://www.gesundheitsinformation.de/... (Abgerufen am 14.11.2023)
  • Siedlecki, J et al.: Ergebnisse der Primäranalysen der Phase-3-Studien Pagoda und Pavilion zum Port Delivery System mit Ranibizumab ( PDS) bei Patienten mit diabetischem Makulaödem ( DMÖ) bzw. diabetischer Retinopathie ( DR), Do5-04. In: Die Ophthalmologie Supplement 08.09.2023, 120: 71-253
  • Kortüm F et al: Subgruppenanalyse der Studie Portal: Langzeitwirksamkeit und -sicherheit des Port Delivery Systems mit Ranibizumab ( PDS) über!5!Jahre bei Patienten mit neovaskulärer altersbedingter Makuladegeneration (nAMD), Sa08-03. In: Die Ophthalmologie Supplement 09.09.2023, 120: 71-253
  • Berufsverband der Augenärzte: Die Makuladegeneration ist eine chronische Krankheit. https://www.augeninfo.de/... (Abgerufen am 13.11.2023)