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Bin ich zu dick? Natürlich kann man diese Frage den Spiegel beantworten lassen. Um eine wissenschaftlich fundierte Auskunft zu erhalten, ist indes Bruchrechnen nötig. Gewicht in Kilogramm geteilt durch das Quadrat der Körpergröße in Metern: Der Body-Mass-Index, kurz BMI, zeigt, ob man mit seinem Gewicht richtig liegt. Ein Ergebnis zwischen 18,5 und 24,9 gilt bei Jüngeren als Normalgewicht. Wer dann noch 10 000 Schritte täglich schafft und fünf Mal Obst und Gemüse isst, macht in Sachen Gesundheit schon viel richtig. Oder? Die Empfehlungen kennt jeder. Doch wie zuverlässig sind sie?

Was das Gewicht angeht, ist der BMI heute nahezu das Maß aller Dinge. „Ob jemand an einem Abnehmprogramm teilnehmen soll oder wegen Untergewichts in eine Klinik eingewiesen werden kann – alles richtet sich nach dem BMI“, erklärt Christina Holzapfel, Professorin für Humanernährung an der Hochschule Fulda.Selbst bei der Wahl der Staatsdiener mischt die Formel mit. BMI über 35? Dann sieht es mit der Beamtenlaufbahn schlecht aus.

Hinter den bekannten Einteilungen stehen epidemiologische Studien, die große Bevölkerungsgruppen untersuchen. Oberhalb der Werte für Normalgewicht zeigte sich ein erhöhtes Risiko für Erkrankungen wie etwa Bluthochdruck, Diabetes und Krebs. Übergewicht ist hier ein bekannter Risikofaktor. Auch hat der BMI unbestritten eine Stärke: Er ist simpel. Trotzdem steht er immer wieder in der Kritik. Denn: Er hat auch Schwächen. So berücksichtigt er weder das Geschlecht noch den Anteil an Körperfett und die Fettverteilung. Für das Gesundheitsrisiko ist das aber entscheidend. „Als Gefahr gilt vor allem Fettgewebe, das sich zwischen den Organen ansammelt“, erklärt Holzapfel. Eine Folge: Der BMI ordnet viele Menschen hinsichtlich ihres Gesundheitsrisikos falsch ein. Zu diesem Ergebnis kam jüngst auch die NAKO Gesundheitsstudie, die 200 000 Menschen in Deutschland über lange Zeit medizinisch untersucht.

Fachleute versuchen daher regelmäßig, Alternativen zum BMI zu etablieren. Manche ziehen ihm die „Waist to height ratio“ vor, das Verhältnis von Bauchumfang und Größe. Sehr genaue Daten liefern teure bildgebende Verfahren wie die Magnetresonanztomographie (MRT). Bauch- und Organfett lassen sich so exakt bestimmen. „Klare Kriterien, ab wann es gefährlich wird, fehlen aber“, sagt Holzapfel. Ergebnisse dienen vor allem Forschungszwecken. Wer wissen möchte, ob seine Pfunde ein Gesundheitsrisiko darstellen, dem empfiehlt die Expertin, einfach den Taillenumfang zu messen. Bei Männern wird es ab 94 Zentimetern bedenklich, bei Frauen ab 80. „Ist auch der BMI zu hoch, sollte man abnehmen“, rät sie.

Egal, was der BMI sagt: Wer ein Fitnessarmband am Handgelenk trägt, freut sich täglich, wenn er eine magische Grenze erreicht. Bei 10 000 Schritten wird man zum Beispiel mit freudigem Vibrieren belohnt. Auf der Suche nach wissenschaftlichen Studien, die diese Empfehlung stützen, läuft man allerdings ins Leere. „Es gibt keine Daten, die zeigen, dass es mindestens 10 000 Schritte sein sollten“, sagt Martin Halle, Professor an der TU München. Der Sportmediziner empfiehlt etwa 5000 Schritte. „Wichtig ist, dass man dabei eine gewisse Intensität aufbringt“, betont Halle. Nur dann zeigen sich positive Effekte, etwa auf Herz, Gehirn und Stoffwechsel. Halle rät zwischendrin zu kurzen Work-outs. Zehn Minuten mit dem Rad zum Einkaufen fahren und kräftig in die Pedale treten. Sich im Büro fünf Minuten mit dem Rücken an die Wand setzen und die Bauchmuskeln trainieren. Vor allem Ältere sollten auch ihre Koordination nicht vernachlässigen. Nach Halle das Nonplusultra: „Öfter mal richtig aus der Puste kommen.“

Wer sich bewegt, bekommt auch Hunger: „5 am Tag“ lautet eine bekannte Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Gemeint sind fünf Portionen Obst und Gemüse, wobei eine Portion etwa einer Handvoll entspricht. Holzapfel korrigiert sofort die Reihenfolge: „Man spricht heute stets von Gemüse und Obst.“ Denn bei der pflanzlichen Kost sollte Gemüse den Hauptanteil ausmachen. Auch etwas Obst gilt als gesund, allerdings frisch, nicht als Smoothie oder Saft und am besten nicht zu süß. Zudem gibt es Hinweise, dass es etwas mehr sein darf. So haben Menschen, die sieben Portionen Gemüse und Obst essen, offenbar noch mehr gesundheitliche Vorteile. Allerdings sollten diese möglichst auf nicht mehr als drei Mahlzeiten verteilt werden. „Letztlich kommt es auf eine ausgewogene Ernährung an, pflanzlich betont und ohne Verbote“, sagt Holzapfel. Wer sich nur von Gemüse ernährt, riskiert ebenfalls Nährstoffmängel. Denn eine Regel gilt in jedem Fall: Übermaß ist ungesund.

Wie entstand der BMI?

Wie groß ist der Durchschnittsmensch? Welchen Brustumfang hat er und welches Gewicht? Der belgische Mathematiker Adolphe Quetelet suchte im 19. Jahrhundert eine Antwort auf diese Fragen. Dazu vermaß er Tausende schottische Soldaten – und ersann eine Formel, um Gewicht vergleichbar zu machen: den Quetelet-Index. In den 1970ern wurde dieser von dem US-Amerikaner Ancel Keys wiederbelebt. Als Body-Mass-Index (BMI) machte er eine große Karriere. Seither wird die Menschheit mithilfe des BMI in Gewichtsklassen eingeteilt, die Gesundheitsrisiken widerspiegeln sollen.

Muss ich täglich 10 000 Schritte gehen?

1964 fanden in Tokio die Olympischen Sommerspiele statt. An den Straßen hingen Werbeplakate der japanischen Firma Yamasa: Zum sportlichen Großereignis hatte sie ein kleines Gerät entwickelt, das man am Gürtel trägt: den Manpokei. Übersetzt heißt das nichts anderes als 10 000-Schritt-Zähler. Denn für Manpokei ist dann Schluss – er springt wieder zurück zur Null. Der Werbeslogan „Jeden Tag 10 000 Schritte gehen“ war ein Erfolg weit über Japan hinaus. Er wurde zu einer allgemeinen Gesundheitsempfehlung, die schließlich selbst die Weltgesundheitsorganisation (WHO) übernahm.

Wie viel Obst und Gemüse ist gesund?

400 g Gemüse und 250 g Obst: So viel sollten es laut der DGE täglich sein. Hinter der Empfehlung stehen Studien, die darauf hinweisen, dass eine Ernährung mit viel Gemüse und Obst das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen reduziert. „5 am Tag“, also fünf Portionen, ist die bekannteste Regel für eine vollwertige Ernährung.


Quellen:

  • Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE): 10 Regeln der DGE, Vollwertig essen und trinken nach den 10 Regeln der DGE. Online: https://www.dge.de/... (Abgerufen am 03.07.2023)
  • koe: Die wahre Geschichte der 10.000-Schritte-Regel. Der Spiegel: https://www.spiegel.de/... (Abgerufen am 03.07.2023)
  • Eknoyan G: Adolphe Quetelet (1796-1874)--the average man and indices of obesity . Nephrology Dialysis Transplantation: https://academic.oup.com/... (Abgerufen am 03.07.2023)
  • Rasmussen N: Downsizing obesity: On Ancel Keys, the origins of BMI, and the neglect of excess weight as a health hazard in the United States from the 1950s to 1970s. The History of the Behavioral Sciences: https://onlinelibrary.wiley.com/... (Abgerufen am 03.07.2023)