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Esch-sur-Alzette? Nie gehört, oder? Das Städtchen in Luxemburg firmiert 2022 neben Kaunas (Litauen) und Novi Sad (Serbien) als Kulturhauptstadt Europas. Ausstellungen, Konzerte, Klangwanderungen in der Natur sowie Film- und Theateraufführungen erwarten die Besucherinnen und Besucher. „Spektakuläre Projekte zum Eintauchen“ verspricht Sabine Himmelsbach, Mit-Kuratorin der Ausstellung „Earthbound“. Mit ausgefallenen Installationen zeigen Künstlerinnen und Künstler Naturerscheinungen, die Menschen so noch nie gesehen haben. So werden zum Beispiel die Ausdünstungen von Bäumen per Virtual-Reality-Brillen sichtbar. Und in speziell präparierten Westen kann man etwa die Auswirkungen eines Erdbebens erleben. In manchen Regionen Europas – wie der niederländischen Provinz Groningen – haben Menschen durch Gasbohrungen solche Erschütterungen verursacht. Die Arbeiten in Esch befassen sich mit den Auswirkungen des öko­logischen Wandels und der Klimakrise auf die Menschen. Zu sehen sind 19 Virtual-Reality-Werke, Videos, interaktive Installationen und mithilfe von künstlicher Intelligenz hergestellte Werke.

Seit zehn Jahren leitet Sabine Himmelsbach das Haus der Elektro­nischen Künste (HEK) in Basel. Dort hat die gebürtige Passauerin bereits mehrere Ausstellungen zum Thema Mensch, Natur und Umwelt ent­wickelt. In Esch schätzt sie die neue, hypermoderne Kunsthalle „Konscht­hal“ und die vielen Wanderwege in der Natur, etwa im Naturschutzgebiet „Prënzebierg – Giele Botter“. Luxemburg kennt sie bereits seit den 90er-Jahren, weil ihre beste Freundin dort lebt. Umso mehr freut sich Sabine Himmelsbach, dort jetzt eine große Ausstellung zu gestalten.

Esch und die Menschen in der Umgebung haben über Jahrzehnte von der Ausbeutung der Natur gelebt. Bis in die 60er bauten Bergleute Eisenerz ab, das in den Gießereien, Stahl- und Walzwerken vor Ort weiterverarbeitet wurde. „Land der Roten Erde“ heißt der Südrand Luxemburgs wegen seiner vom Eisenerz rot gefärbten Böden. Im Ortsteil Belval ragen die letzten beiden Hochöfen in den Himmel. Hier feierte man zur Eröffnung des Kulturhauptstadt-Jahrs.

Die 1997 für immer erloschenen Türme sollten erst abgerissen werden. Nun sind die Kolosse unter einer speziell entwickelten, millionenteuren Farbe konserviert. Auf dem 170 Fußballfelder großen, einstigen Industriegelände haben sich junge Unternehmen, ein Hotel, Luxemburgs größte Konzerthalle – die Rockhal – Cafés, Restaurants und die Luxemburger Uni angesiedelt. Die Möllerei, in der einst die Erzbrocken gemahlen wurden, hat sich in ein hypermodernes Kunstmuseum verwandelt. An einigen der rohen Stahlträger hängt noch der Staub der Erzmühle. Und auch in der Escher Innenstadt sieht und hört man die Spuren der Bergbaugeschichte.

Dort glänzen reich verzierte Jugendstil-Fassaden zwischen Arbeiterhäuschen aus dem frühen 20. Jahrhundert. Auf den Straßen hört man Portugiesisch, Arabisch, Französisch, Italienisch und Luxemburgisch. 121 Nationalitäten leben in Esch, das einst mit gut bezahlter, harter Arbeit Zuwanderer aus ganz Europa anlockte. Doch die Natur hat unter dem Bergbau gelitten. Viele der nun zur Bebauung freigegebenen, ehemaligen Industrieflächen sind mit Giftstoffen belastet.

An vielen Stellen hat sich die Natur die Tagebaue zurückgeholt. Das Naturschutzgebiet Ellergrond zum Beispiel ist sich selbst überlassen. So ist nach dem Bergbau ein artenreicher, märchenhafter Laubwald entstanden. Hier hat die Künstlergruppe Maské- nada einen Sagen- und Legendenparcours aufgebaut. An neun Stationen können Besucherinnen und Besucher an den Original-Schauplätzen Geschichten aus der Sicht bisher unbekannter Frauen mit einer Handy-App hören.


Quellen: