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Es war nur eine Randnotiz in den Abendnachrichten. Die EU-Pestizid-Verordnung ist im Europa-parlament gescheitert. Ziel der Verordnung war es, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in Europa bis 2030 zu halbieren. Der Vorschlag der EU-Kommission war durch zahlreiche Kompromissanträge am Ende stark verändert worden und wurde letztlich im Parlament in erster Lesung gekippt. Nun wird es vorerst keine Verhandlungen mehr geben.

Für die Menschen in Europa ist das eine schlechte Nachricht. Nicht nur, weil es um Giftrückstände im Essen geht, um das Artensterben oder die Frage, ob auf den durch intensive Landwirtschaft und Klimawandel geschädigten Böden in Zukunft noch genügend Lebensmittel für eine wachsende Weltbevölkerung gedeihen. Nein: Es ist auch eine schlechte Nachricht, weil die Entscheidung wieder einmal zeigt, wie wenig Platz wissenschaftliche Fakten, überzeugende Argumente und Kompromisse in der politischen Entscheidungsfindung heutzutage haben. Auch bei diesem Thema verlief die Debatte wie so oft entlang ideologischer Frontlinien. Umweltschützer gegen Landwirte. Grüne gegen Konservative. Verbraucherschützer gegen Industrie. Dabei herrscht in der Agrarwissenschaft weitgehend Konsens, dass es nötig und möglich ist, den Einsatz von Unkraut- und Schädlingsbekämpfungsmitteln in der Landwirtschaft zu reduzieren – um das Artensterben aufzuhalten, die Bodenfruchtbarkeit zu sichern, das Trinkwasser zu schützen und letztendlich dafür zu sorgen, dass gesunde Lebensmittel bezahlbar bleiben.

Die technischen Möglichkeiten, um den Einsatz von Gift in der Landwirtschaft zu senken, sind schon heute greifbar – etwa durch die Digitalisierung. Ein Stichwort heißt Präzisionslandwirtschaft. Durch Echtzeitdaten von Satelliten und Wetterstationen oder durch den Einsatz von Drohnentechnologie könnten Landwirtinnen und Landwirte analysieren, wo genau sich auf ihren Feldern Schädlinge oder Unkraut vermehren. Sie müssten nicht ihren ganzen Acker mit Spritzmitteln überziehen, sondern könnten die Gifte gezielt dort einsetzen, wo es nötig ist. Studien zeigen, dass mit derartigen Methoden der Einsatz von Pestiziden um bis zu 80 Prozent reduziert werden könnte.

Noch haben Big Data und Digitalisierung nicht flächendeckend Einzug auf Höfen gehalten. Es wäre die Aufgabe moderner Landwirtschaftspolitik, hier einen Innovationsschub einzuläuten und gezielt Zukunftstechnologien zu fördern. Viel passiert hier nicht – und das, obwohl die Landwirtschaft in Europa jedes Jahr mit etwa 50 Milliarden Euro Steuergeld subventioniert wird. Das ist der größte Posten im EU-Haushalt. Doch das Geld wird vor allem nach Fläche verteilt. Großbetriebe und Konzerne streichen deshalb die höchsten Subventionen ein. Auch von der gescheiterten Pestizid-Verordnung profitieren Agrarkonzerne wie Bayer oder BASF am meisten. Je mehr Pestizide auf dem Acker landen, desto besser für ihr Geschäft.