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Ohne Fleisch und Fisch? Kann ich gut. Aber nicht ohne Joghurt und Käse. Ich mag Linsen (wenn auch nicht jeden Tag). Aber bei dem Gedanken an Wirsing und Rosenkohl (wir haben Fe­bruar), Sojageschnetzeltes und Tofu ist mir etwas unwohl.

Nur: Wenn wir das Klimaziel schaffen wollen, müssen wir jetzt ran, alle. Davon bin ich fest überzeugt. Bis zum Jahr 2100 soll die globale Temperatur gegenüber der Vorindustrialisierung um nicht mehr als 1,5 Grad ansteigen.

Unser Essen macht da viel aus: In Deutschland geht ein Fünftel der ausgestoßenen Treibhausgase darauf zurück. Und Treibhausgase sind schuld an der ganzen Klimamisere. Ich will wissen: Klimagerecht essen, schaffe ich das? Wie findet es meine Familie? Ist das auch gesund für mich?

Ansatzpunkte gibt es jedenfalls viele. Allen voran der Fleischverzicht. Aber auch Transportwege sind zu beachten, der Ver­packungsaufwand und der Energieverbrauch beim Einkauf und in der Küche. Das Bundeszentrum für Ernährung (BZfE) listet die besten Strategien auf (siehe Foto rechts). Und die „Planetary Health Diet“ nennt sogar konkrete Zahlen und verspricht: Es ist „machbar, bis zum Jahr 2050 etwa zehn Milliarden Menschen auf der Erde gesund zu ernähren, ohne den Planeten zu zerstören.“ Davon sind wir allerdings noch weit entfernt. Gegenüber jetzt muss sich der Verzehr von Fleisch und Zucker halbieren, der von Gemüse, Obst, Hülsenfrüchten und Nüssen verdoppeln, rechnet das BZfE vor.

Tag 1: Chili geht immer

Zum Auftakt gibt es den mexikanischen Eintopf. Vegan abgewandelt, mit Linsen statt Hackfleisch. Tomaten, Kidneybohnen und Mais kommen aus der Dose – verbesserungswürdig, ich weiß. Aber es geht schön schnell. Und: Es schmeckt allen. Unser Sohn isst ja schon kein Fleisch mehr, seit er vor etwa zehn Jahren auf einem Fest ein Tier am Spieß braten sah – das findet nämlich genau in Augenhöhe eines 8-Jährigen statt. Fleisch vermisst er also nicht. Allerdings reibt er sich ordentlich Käse drüber: „Ich brauch doch Eiweiß.“ Dafür sind ja Linsen drin! Da ich nicht das personifizierte schlechte Gewissen für meinen Sohn sein will, verkneife ich mir eine Richtigstellung.

Tag 3: das Käse-Experiment

Wir essen alle gern und viel Käse. Klimatechnisch sehr ungünstig. Denn Käse wird bei uns vor allem aus Milch von Kühen hergestellt. Die rülpsen und pupsen klimaschädliches Methan. Und in Käse steckt viel Milch: Ein Liter ergibt gerade einmal 100 Gramm Bergkäse. Aber können Alternativen wie „Genießerscheiben“ oder „pflanzlicher Genuss“ aus dem Kühlregal es mit dem Original aufnehmen? Wir machen den Test: zwei Veggie-Produkte gegen Gouda. Weder mein Mann noch mein Sohn schmecken den echten Käse heraus. Ernüchternd aber der Blick aufs Etikett: Die Ersatzprodukte enthalten nur minimale Mengen Eiweiß. Und sind damit absolut nicht vergleichbar mit dem Original. Dann lieber die Linsenpaste, die wir vor einiger Zeit entdeckt haben. Sie ist herrlich gewürzt und liefert ebenfalls Eiweiß. Ganz streichen werden wir Käse trotzdem nicht. Ist auch nicht nötig: Weideflächen sind laut BZfE wichtig, sie binden CO2. Zumindest in Biobetrieben dürfen Kühe üblicherweise raus.

Tag 5: Es wintert

Besuch bei meinem Vater auf dem Land. Ich decke mich mit Äpfeln aus seinem Garten ein. Sie lagern – klimaneutral – im kalten Schuppen. Der kleine Gemüseladen nebenan bietet eine überschaubare Auswahl an Lauch, Kohl, Kürbis und diversem Wurzelgemüse. In meinem Münchner Biomarkt ist das anders: Da gibt es alles. Immer. Hier im Laden lautet das Etikett „aus eigener Gärtnerei“ oder „aus Deutschland“. Ich komme erst gar nicht in die Versuchung, jetzt im Februar Ratatouille zu machen. Es gibt Feldsalat mit gebratenem Currykürbis.

Tag 7: Eiweiß ohne Umwege

Unser Sohn kocht: Gemüse-Couscous mit Räuchertofu. Sehr fein, so angebraten und mit Sojasoße gewürzt. Bisher war Tofu ein rotes Tuch für mich: Pur ziemlich langweilig, dafür womöglich aufwendig verarbeitet und aus Asien importiert. Aber Harald Seitz vom BZfE klärt mich auf: „Die Basis von Tofu sind Sojabohnen, die mit Wasser püriert, zum Gerinnen gebracht und in
Blöcke gepresst werden.“ Damit sei das Verfahren der Käseherstellung sehr ähnlich und Tofu als wenig verarbeitet einzustufen. Laut Albert-Schweitzer-Stiftung beziehen die meisten Hersteller von Sojaprodukten für den deutschen Markt ihr Soja aus EU-Ländern. Regenwald ist dadurch nicht gefährdet. Interessant: Verfüttert man Sojaschrot an Tiere, braucht es 12 Kilo davon, um ein Kilo Fleisch zu produzieren. Da nehme ich doch lieber die Abkürzung.

Tag 10: vegan würzen

Während die Linsenbolognese schmort,
hacke ich Cashewkerne sehr klein – sehen fast aus wie Parmesan. Hefeflocken, Knoblauchgranulat und etwas Salz bringen die Würze. Perfekt zum Überstreuen!

Tag 12: mein Müsli

Ins Müsli kommt heute eine „fermentierte Bio-Sojazubereitung“. Schmeckt nicht so vollmundig wie Joghurt. Enthält auch nur zweieinhalb Gramm Fett, das Original 3,8. Aber ein paar Nüsse mehr und alles gut untergemengt, dann geht es schon. In den Kaffee gieße ich einen Drink aus Hafer – sehr gewöhnungsbedürftig.

Tag 13: Zwischenbilanz

Die Stimmung bei Tisch ist gedämpft. Mein Mann fühlt sich nicht richtig satt. Enthält unser Essen womöglich zu wenig Eiweiß? Ich führe drei Tage lang Protokoll und bitte Angelika Karl, Ökotrophologin aus München, um eine Einschätzung. Sie berechnet die Nährwerte und gibt grünes Licht in puncto Eiweiß. Warnt aber: „Wer tierische Produkte ganz weglässt, muss vor allem Vitamin B12, aber auch andere kritische Nährstoffe wie Kalzium oder Eisen im Blick behalten.“ Ihr Tipp: Gezielt Lebensmittel wie angereicherte Milchersatzprodukte wählen und bei veganer Kost in der Arztpraxis oder bei einer qualifizierten Ernährungsfachkraft Rat holen. Vitamin B12 müssen Veganerinnen und Veganer prinzipiell ergänzen.

Tag 14: Ei-ei-ei

Wenn unser Sohn sich Rührei brät, schafft er locker fünf Eier. Das Thema erfüllt mich schon seit Beginn meines Experiments mit Unbehagen. Ich plane ein Veganes-Rührei-
Probeessen. Im Rennen sind Tofu und ein Ersatzprodukt aus der Tüte.

Der zerbröckelte Tofu, mit Zwiebeln angebraten, kommt Rührei recht nah. Das Geheimnis sind die Gewürze (Pfeffer, Paprika, Kurkuma) und das Topping aus Lauchzwiebeln. Das Tütenprodukt ist herrlich fluffig und fein gewürzt. Beide Alternativen enthalten ähnlich viel Eiweiß wie das Original.

Tag 16: Nobody is perfect

Es ist wenig Zeit. Wir schieben eine TK-Pizza in den Ofen – immerhin vegan. Aber sie ist verarbeitet, kostet Strom durchs Lagern und Backen. Ein Ofengericht kann doppelt so viel Strom verbrauchen wie ein Eintopf. Abends bringt die Chorleiterin ihren Sohn mit zur Probe. Acht Monate ist er alt und kräht munter dazwischen. Ich weiß wieder, für wen ich dieses Experiment mache.

Tag 18: Mein Gemüse ess ich nicht

Wirsing mit gerösteten Kichererbsen, eine Creme mit Walnuss-Orangen-Gremolata – Wirsing und ich werden keine Freunde. Ger-
trud Winkler, Professorin für Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaft aus Sigmaringen, möchte das nicht stehen lassen. „Der Geschmack kommt beim Essen“, sagt sie, „wir essen nicht, was wir mögen, sondern wir mögen, was wir oft essen.“ Erst nach etwa zehn Mahlzeiten sei zu erwarten, dass ein ungewohntes Essen schmeckt. Also gut, Wirsing kriegt noch eine Chance.

Tag 20: verwenden!

Beim Aufräumen neulich habe ich ein paar Eintopf-Konserven entdeckt, vor drei Jahren als Corona-Notration gekauft und nie gebraucht. Große Lust habe ich nicht auf den mexikanischen Bohnen-Eintopf, aber wegwerfen kommt nicht infrage. Und mit ein paar grünen Bohnen aufgepeppt gehtʼs.

Tag 21: … und kein Ende

Drei Wochen sind rum. Ich habe mein Müsli auf vegan umgestellt, mich an Haferdrink im Kaffee gewöhnt, mehr als ein Rezept gleich wieder verworfen. Und doch gibt es noch so vieles, das ich ausprobieren möchte! Nein, ich will keine strenge Veganerin werden, die sich über selbst auferlegte Verbote grämt und bei Einladungen mit Sonderwünschen auffällt. Aber ich werde in Zukunft deutlich veganer essen. Fühlt sich einfach besser an.

Lieber Pflanze als Tier

Treibhausgas-Emissionen (in CO2-Äquivalenten je Kilo Lebensmittel)

Machtʼs die Milch?

Weniger Treibhausgase durch Pflanzendrinks statt Kuhmilch (in CO2-Äquivalenten je Kilo Lebensmittel)

Gut fürs Klima:

Lebensmittel
aus der Region kaufen

Mehr von der Pflanze, weniger vom Tier essen

Gemüse und Obst der
Saison wählen

Nicht wegwerfen, was noch gut ist

An der
Verpackung sparen

Bio ist gut fürs Klima


Quellen:

  • Reinhardt G, Gärtner S, Wagner T : Ökologische Fußabdrücke von Lebensmitteln und Gerichten in Deutschland. https://www.ifeu.de/... (Abgerufen am 27.03.2023)
  • Bundeszentrau für Ernährung: Mein Essen – Unser Klima, Einfache Tipps zum Klimaschutz. https://www.bzfe.de/... (Abgerufen am 27.03.2023)
  • Bundeszentrum für Ernährung: Planetary Health Diet, Strategie für eine gesunde und nachhaltige Ernährung. https://www.bzfe.de/... (Abgerufen am 27.03.2023)
  • Albert-Schweitzer-Stiftung: Warum Sojawurst nicht dem Regenwald schadet. https://albert-schweitzer-stiftung.de/... (Abgerufen am 27.03.2023)
  • Reijinders L, Soret S: Quantification of the environmental impact of different dietary protein choices . https://academic.oup.com/... (Abgerufen am 27.03.2023)