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Viele wünschen sich im Winter die Wärme zurück – und vergessen, dass die Sommer gefährlicher werden: Mehr Menschen können durch die hohen Temperaturen sterben. Für die historischen Hitzejahre 1994 und 2003 berechneten Forschende jeweils etwa 10.000 Tote durch ­Hitze in Deutschland. Und zwischen 2018 und 2020 gab es zum ersten Mal in drei Jahren hintereinander vermehrte Sterbe­fälle durch die hohen Temperaturen.

Starke Hitze besonders für Kranke gefährlich

Hitzeperioden sind durch den menschengemachten Klima­wandel häufiger und intensiver geworden. Es gibt mehr heiße Tage, an denen das Thermometer die 30-Grad-Marke knackt und es nachts nicht abkühlt. „Das macht Gesunden zu schaffen und kann für Kranke lebensgefährlich werden“, sagt Professor Hanns-Christian Gunga vom Institut für Physiologie an der Charité in Berlin. „Steigt unsere Körpertemperatur nur um ein Grad, funktionieren wir nicht mehr richtig.“ Grundsätzlich können wir hohe Temperaturen durch Schwitzen ausgleichen. Extreme Hitze kann die körpereigene Klimaanlage aber überfordern – vor allem bei kleinen Kindern, Älteren und Menschen mit Herz-­Kreislauf-Erkrankungen.

Wie jede und jeder Hitzetage besser übersteht, zeigt die Checkliste. Auch Städte und Gemeinden müssen die Bevölkerung schützen. Weit sind sie damit aber noch nicht, findet Henny Annette Grewe, Professorin an der Hochschule Fulda und Leiterin verschie­dener Forschungsprojekte zu Hitzeaktionsplänen: „Seit der Hitzewelle 2003 hat Deutschland überwiegend geschlafen.“ Es fehlt ein landesweitern Hitze­aktionsplan. Pläne soll es stattdessen auf kommunaler Ebene geben. Allerdings ist das keine Pflicht. Auch Dr. Hans-Guido Mücke vom Umweltbundesamt (UBA) sagt: „Uns ist bislang keine deutsche Kommune bekannt, die einen Hitzeaktionsplan mit allen empfohlenen Kernelementen umsetzt.“

Warnsysteme zeigen oftmals keine Wirkung

Was Hitzeaktionspläne regeln sollen, ist umfassend. Beispielsweise besonders gefährdete Menschen schützen: ältere oder chronisch kranke Personen, Säuglinge und Kleinkinder sowie Menschen, die im Freien arbeiten oder leben. Teil des Schutzes ist ein Warnsystem: Beim Deutschen Wetterdienst (DWD) kann jede und jeder einen Newsletter bestellen und erhält so Hitzewarnungen. Auch Städte können ihn abonnieren und in ihrem Aktionsplan festschreiben, was dann getan werden muss.

Hitzetage sicher überstehen

Checkliste für den Sommer:

✔ Viel trinken. Und zwar über den Tag verteilt. Zum Beispiel jede Stunde ein Glas Leitungs- oder Mineralwasser oder ungesüßten Tee. Meiden Sie Alkohol. Bei ausgeprägter Nieren- oder Herzschwäche: Trinkmenge mit der Hausärztin oder dem Hausarzt besprechen.

✔ Die Wohnung kühl halten. Lüften Sie nachts, schließen Sie tagsüber die Fenster. Markisen, Jalousien und Rollos verhindern, dass sich die Wohnung aufheizt. Schlafen Sie im kühlsten Raum der Wohnung (Nordseite, Souterrain).

✔ Körperliche Aktivität in die Morgenstunden verlegen. Bleiben Sie in der Mittagszeit im Schatten oder in kühleren Innenräumen. Sport am besten abends.

✔ Den Körper kühl halten. Tragen Sie leichte, lockere Kleidung aus Baumwolle oder Leinen und draußen eine Kopfbedeckung oder einen Schirm – auch zum Schutz vor UV-Strahlung. Duschen Sie kühl, nehmen Sie kühle Armbäder.

✔ Leichte Kost. Essen Sie viel Gemüse und Obst, nur wenig Fett und Fleisch.

Die Wirklichkeit sieht aber oft anders aus, erklärt Grewe: „Das Warnsystem für sich ist gut. Aber in den meisten Fällen folgt daraus keine Aktion.“ Positivbeispiele gibt es trotzdem: Pflegeheime in Hessen müssen zum Beispiel auf die Warnungen des DWD reagieren. Die Heimaufsicht überprüft das stichprobenartig. Einrichtungen können ­etwa die Raumtemperatur regelmäßig prüfen, Trinkprotokolle anlegen, Menschen in kühlere Räume verlegen und schon im Vorfeld genügend Personal einplanen.

Hitzekrank

Eine erhöhte Körpertemperatur wirkt sich auf fast alle Organe aus

Hitzetelefon gibt Tips an heißen Tagen

Personen zu erreichen, die bei Hitze eventuell Unterstützung brauchen, ist eine Herausforderung. „Städte können nicht wissen, wo diese Menschen wohnen“, sagt Grewe. Frankreich habe aber vorgemacht, wie es gelingen könnte: „Jede Kommune muss jedes Frühjahr alle gefährdeten Bürgerinnen und Bürger einladen, sich freiwillig regis­trieren zu lassen.“ Das könnte die Basis sein, um beispielsweise Ehrenamtliche einzubinden: Sie könnten Alleinstehende anrufen oder durch praktische Hilfe unter­stützen.

In Deutschland gibt es etwas Ähnliches seit 2010. Kassel betreibt ein Hitzetelefon, für das sich Seniorinnen und Senioren anmelden können: Ehrenamtliche rufen sie bei Warnungen des DWD an, geben Tipps zum Verhalten und achten auf Hinweise einer gesundheitlichen Beeinträchtigung – bei Bedarf können sie Hausärztin oder -arzt verständigen.

Auch Gesundheitsversorgern wie Krankenhäusern, Hausärztinnen und -ärzten, Pflegediensten oder Apotheken kommt eine entscheidende Rolle zu. Denn sie kennen die gefährdeten Menschen, können aufklären und handeln. So verliert der Körper bei starkem Schwitzen viel Flüssigkeit. Damit er nicht austrocknet, sollte die Dosis bestimmter Medikamente ärztlich überprüft und bei Bedarf angepasst werden. Zum Beispiel bei harntreibenden Mitteln – durch sie wird vermehrt Flüssigkeit ausgeschieden. Fachpersonal aus Apotheken kann beraten, wie man Medikamente bei Hitze lagert.

Aktives Mitwirken der Kommunen ist gefragt

Pläne sollen auch langfristige Anpassungen an die zunehmende Hitze umfassen. Hans-Guido Mücke vom UBA schränkt aber ein: „Teilweise fokussieren sich die Aktionspläne auf die individuelle Aufklärung zur gesundheitlichen Vorsorge vor dem Akutfall. Aber wie Kommunen beispielsweise den Umbau von Städten umsetzen, müssen wir beobachten.“ In Städten staut sich die Hitze stärker als auf dem Land. Kommunen könnten zum Beispiel Wasserflächen anlegen, versiegelte Flächen aufbrechen, auf Plätzen für Schatten sorgen, Dächer und Fassaden begrünen.

Grewe ergänzt: „Bundesländer sollten Sterbedaten sammeln und zeitnah auswerten. Dann kann man sehen, ob die Maßnahmen wirken.“ 2020 ergab jedoch eine Befragung unter Bundesländern, Landkreisen, Städten und Gemeinden im Auftrag des UBA: Gerade in der Beobachtung und Bewertung der Maßnahmen tun sie weniger als beispielsweise bei der Information über Hitzerisiken. Fazit der Befragung ist aber auch: Viele Städte hätten Hitze und Gesundheit auf der Agenda. Auch Mücke schätzt, dass der Sommer 2022 neue Aktivitäten beim Hitzeschutz auslösen wird.

Vorsorge von zu Hause aus

Auf staatliche Maßnahmen muss man nicht warten. Hitzeschutz ist auch im eigenen Zuhause möglich: Man kann etwa in eine Markise über der Terrasse, Außenrollos, einen grünen Innenhof oder eine gute Dämmung investieren – das hilft, die Räume im Winter warm und im Sommer kühl zu halten. Auch den Körper kann man für den Sommer trainieren. Physiologe Gunga empfiehlt regelmäßige Saunagänge: „Dadurch bereiten Sie Ihren Körper auf die nächste Hitzewelle vor.“


Quellen:

  • Blättner B, Grewe HA, Janson D et. al: Arbeitshilfe zur Entwicklung und Implementierung eines Hitzeaktionsplans für Städte und Kommunen. https://www.hs-fulda.de/... (Abgerufen am 09.09.2022)
  • Winklmayr C, Muthers S, Niemann H et al. : Hitzebedingte Mortalität in Deutschland zwischen 1992 und 2021. In: Deutsches Ärzteblatt: 01.07.2022, https://doi.org/...
  • Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Gesundheitsrisiken von Hitze. https://www.klima-mensch-gesundheit.de/... (Abgerufen am 23.09.2022)
  • Stadt Kassel: Hessisches Hitzewarnsystem. https://www.kassel.de/... (Abgerufen am 23.09.2022)
  • Regierungspräsidium Gießen: Außergewöhnliche Hitzeperioden, Vorbereitung und Vorgehen in stationären Einrichtungen der Alten- und Behindertenhilfe. https://rp-giessen.hessen.de/... (Abgerufen am 23.09.2022)
  • Stadt Kassel: Hitzetelefon Sonnenschirm. https://www.kassel.de/... (Abgerufen am 23.09.2022)
  • Kaiser T, Kind C, Dudda L et al.: Klimawandel, Hitze und Gesundheit: Stand der gesundheitlichen Hitzevorsorge in Deutschland und Unterstützungsbedarf der Bundesländer und Kommunen. https://www.umweltbundesamt.de/... (Abgerufen am 23.09.2022)
  • Zentrum Klimaanpassung: Wenn zu viel Sonne zur Hitzebelastung wird – Wie Vorsorge gelingen kann. https://zentrum-klimaanpassung.de/... (Abgerufen am 23.09.2022)
  • Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen: Hitzeschutz im Sommer – Einfache Tipps für zu Hause. https://www.verbraucherzentrale.nrw/... (Abgerufen am 23.09.2022)