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Medikamente richtig managen
Die Arzneitherapie für pflegebedürftige Menschen ist häufig kompliziert. So können Sie es sich leichter machen
Von Kai Klindt, Dr. Martin Allwang
, Aktualisiert am
Die Schilddrüsentablette eine halbe Stunde vor dem Frühstück, den Blutdrucksenker gleich danach. Und dann noch die Augentropfen richtig verabreichen! Die Arzneitherapie für pflegebedürftige Menschen ist häufig kompliziert. Kein Wunder, dass sich Angehörige damit oft überfordert fühlen, wie US-Forscher in einer Studie feststellten.
Claudia Cramer, Apothekerin und Expertin für geriatrische Pharmazie aus Herscheid, engagiert sich seit Jahren im Pflegenetzwerk vor Ort und kennt die Nöte der Angehörigen. Sie gibt Tipps, wie Sie es sich leichter machen können.
"Ihnen fällt es schwer, eine Tablette zu teilen? Sagen Sie es Ihrem Apotheker. Er kann gegebenenfalls auch ein anderes Präparat abgeben, das Sie nicht teilen müssen."
Claudia Cramer, Apothekerin und geriatrische Pharmazeutin, Herscheid
Verantwortung klären
Oft sind mehrere in der Familie in irgendeiner Form an der Pflege beteiligt. Da ist es gut, wenn einer die Zuständigkeit für die Arzneitherapie übernimmt und Ansprechpartner für Arzt und Apotheker ist. Weil beide Heilberufler der Schweigepflicht unterliegen, ist es gut, wenn der Helfer eine entsprechende Vollmacht hat oder als Betreuer für gesundheitliche Belange eingesetzt ist. In der Pflegesituation wird leicht unterschätzt, wie wichtig eine gute Medikation für den Betroffenen ist. Eine akkurate Therapie der Parkinson-Krankheit etwa fördert die Beweglichkeit und die Lebensqualität des Patienten – und erleichtert Ihnen die Pflege.
Gut planen
Medikamente sortieren Sie am besten in einer Dosierbox und gleich für eine ganze Woche im Voraus – so haben Sie den Überblick und können den Arzt rechtzeitig um ein Folgerezept bitten. Viele Apotheken bieten gegen eine kleine Gebühr an, die Arzneimittel zu verblistern (ca. 5 Euro pro Woche und Patient). So haben Sie für jeden Einnahmezeitpunkt sicher die richtigen Tabletten in der richtigen Dosis zur Hand.
"Ohne Mediboxen würde bei uns gar nichts funktionieren! Den Tipp gebe ich auch unseren Kunden in der Apotheke immer. Das erleichtert den Alltag ungemein, gerade, wenn man mehrere Medikamente braucht. So hat man immer die Übersicht: Hat mein Angehöriger die Tabletten genommen? Wenn sie zur Neige gehen, kann man sie rechtzeitig nachbestellen."
Carina Botkowska-Flögel, pflegt ihren Mann und arbeitet als PTA in einer Apotheke
Einnahmezeitpunkt beachten
Manche Medikamente müssen genau zur vorgeschriebenen Zeit eingenommen werden – sonst ist die Wirkung nicht gewährleistet. Dazu zählen beispielsweise Mittel gegen Anfallsleiden oder Parkinson.
Richtig verabreichen
Ihr Angehöriger ist bettlägerig? Es ist wichtig, dass er aufrecht sitzt, wenn er eine Tablette bekommt. Sonst könnten diese in der Speiseröhre stecken bleiben. Tabletten sollte man immer einzeln und jeweils mit einem großen Schluck Wasser einnehmen. Ihr Angehöriger hat Probleme mit dem Schlucken? Bitten Sie Ihren Apotheker um Hilfe. Manchmal ist es möglich, die Tablette zu teilen. Auch gibt es spezielle Überzüge für Tabletten, die die Einnahme erleichtern.
Rat für besondere Fälle
Asthmasprays, Augentropfen – manche Arzneimittel sind in der Anwendung knifflig und erfordern die Mithilfe Ihres Angehörigen. Bei Dosieraerosolen beispielsweise muss der Patient oft einen Druckknopf betätigen und im richtigen Augenblick tief einatmen. Haben Sie den Eindruck, dass das nicht klappt, sprechen Sie Ihren Apotheker an. Er kann gegebenenfalls anregen, dass der Arzt ein anderes Präparat verschreibt.
Auf Nebenwirkungen achten
Vielleicht kann Ihr pflegebedürftiger Angehöriger nicht selbst in die Apotheke kommen. Umso wichtiger ist es, dass Sie Ihren Blick für mögliche Nebenwirkungen schärfen. Schwindel, Verwirrtheit, Gedächtniseinbußen: Vieles, was Sie vielleicht dem Alter oder der angegriffenen Gesundheit Ihres Angehörigen zuschreiben, kann mit Medikamenten zu tun haben. Informieren Sie Ihren Apotheker – vor allem, wenn die Beschwerden neu auftreten.
"Mein Sohn hat eine Behinderung. Es ist nicht leicht, ihm seine Medikamente zu geben: Wenn ich sie ins Essen mische, schmeckt er das und lässt es stehen. Man muss sie mörsern und ihm in Saft in einem Baby-Trinkfläschchen geben, das funktioniert. Allerdings darf man nicht jede Tablette mörsern – sprechen Sie Ihren Apotheker darauf an."
Gisela Maubach, pflegt ihren behinderten Sohn
Therapie vereinfachen
Zehn oder zwölf Tabletten Tag sind in der häuslichen Pflege keine Seltenheit. Häufig ist es aber möglich, die Medikation zusammenzufassen: Etwa indem der Arzt Kombipräparate verschreibt oder die Einnahmezeitpunkte reduziert werden. Sprechen Sie Ihren Arzt oder Apotheker darauf an.
Arznei-Check nutzen
Immer mehr Apotheken bieten eine so genannte Medikationsanalyse an. Dabei nimmt der Apotheker alle Arzneimittel, die Ihr Angehöriger bekommt, unter die Lupe und geht sie Schritt für Schritt mit Ihnen durch. Am Ende steht häufig eine Korrektur der Arzneitherapie. In jedem Fall gibt die Medikationsanalyse Ihnen das gute Gefühl, über die Medikamente Ihres Angehörigen Bescheid zu wissen. Für die Dienstleistung fällt in der Regel eine Gebühr an.
Fünf Fragen, über die Sie bei jedem Medikament Bescheid wissen sollten:
Wie heißt das Medikament?
Wofür (oder wogegen) ist es?
Wann und wie muss das Medikament eingenommen werden?
Auf welche Symptome sollte ich achten – wann sollte ich den Arzt oder Apotheker verständigen?
Woran erkenne ich, dass das Medikament nicht das tut, was es soll?
Diese Arzneimittel-Klassiker sollten Sie kennen
Fünf oder mehr verschiedene Medikamente pro Tag? Für pflegebedürftige Personen ist das eher die Regel als die Ausnahme. Umso wichtiger ist es, über die Mittel ein wenig Bescheid zu wissen.
ACE-Hemmer
Wann nehmen? Wirkstoffe, deren Name auf die Silbe -pril endet, verordnet der Arzt z.B. bei Bluthochdruck oder Herzschwäche, aber auch um Schlaganfälle und Herzinfarkte vorzubeugen. Wie nehmen? Die meisten ACE-Hemmer können Sie so nehmen, wie es Ihnen am liebsten ist. Am besten werden sie abends vertragen. Mögliche Nebenwirkungen: Eine typische Nebenwirkung ist ein trockener Reizhusten. In diesem Fall kann der Arzt eventuell auf einen sogenannten AT1-Antagonisten umsteigen, der ähnlich wirkt.
Betablocker
Wann nehmen? Bei Herzschwäche und bei Bluthochdruck. Sie können das Herz nach einem Infarkt entlasten, Migräne vorbeugen und bei Durchblutungsstörungen des Herzmuskels helfen. Wann nehmen? Das hängt vom Wirkstoff ab. Bei Präparaten, die Sie zum Essen nehmen, sollten Sie eine leicht verdauliche Mahlzeit zubereiten. Mögliche Nebenwirkungen: Betablocker sind meist gut verträglich. Auch wenn oft das Gegenteil behauptet wird: Die Mittel wirken sich nur vereinzelt auf die sexuelle Potenz aus.
Eisenpräparate
Wann nehmen? Um einen Eisenmangel auszugleichen. Wie nehmen? Auf nüchternen Magen wird das Eisen besser aufgenommen, reizt dann aber eventuell den Magen. Wer das Präparat zum Essen nimmt, muss für die Mahlzeit auf Milchprodukte, Kaffee, Tee und Rotwein verzichten. Vitamin C, etwa aus Orangensaft, verbessert die Eisenaufnahme im Darm. Mögliche Nebenwirkungen: Magenreizungen gehören zu den häufigen Nebenwirkungen.
Kortisoncreme
Wann nehmen? Bei Ekzemen und Hautkrankheiten wie Schuppenflechte oder Neurodermitis. Wie anwenden? Das Präparat wird in der Regel dünn aufgetragen und leicht einmassiert. Mögliche Nebenwirkungen: Beim Dauergebrauch können Kortikoide unter anderem die Haut dünn machen. Auch Pigmentstörungen sind möglich.
L-Thyroxin
Wann nehmen? L-Thyroxin ist ein Hormon, das normalerweise von der Schilddrüse gebildet wird. Bei Erkrankungen des Organs wird es in Tablettenform eingenommen. Wie einnehmen? Am besten eine halbe Stunde vor dem Frühstück. Mögliche Nebenwirkungen: Bei Überdosierung können die Symptome einer Schilddrüsen-Überfunktion auftreten, etwa Herzjagen, Gereiztheit oder Hitzegefühl.
Opiate
Wann nehmen? Opiate lindern chronische Schmerzen, bei denen anderen Medikamente nicht anschlagen. Wie nehmen? Wichtiger als der Zeitpunkt ist es, das Medikament wie verordnet zu nehmen, damit starke Schmerzen gar nicht erst entstehen. Übrigens ist die Wirkung besonders gleichmäßig, wenn das Mittel nicht geschluckt, sondern als Pflaster aufgeklebt wird. Mögliche Nebenwirkungen: Unter anderem Verstopfung und Benommenheit.
Protonenpumpen- hemmer
Wann nehmen? Geschwüre im Magen und Entzündungen der Speiseröhre entstehen vor allem durch zu viel Magensäure. In solchen Fällen verordnet der Arzt spezielle Säurehemmer. Wie nehmen? Eine halbe Stunde vor dem Frühstück. Eventuell eine zusätzliche Dosis am Abend. Mögliche Nebenwirkungen: Unter anderem Appetitlosigkeit oder Durchfall, ferner Schwindel oder Müdigkeit. Experten diskutieren zudem negative Auswirkungen auf den Knochenstoffwechsel bei zu langer Behandlungsdauer.
Antibiotika
Wann nehmen? Bei Infektionen durch Bakterien, etwa bei einer bakteriellen Bronchitis oder einer Lungenentzündung. Wie nehmen? Antibiotika werden meist auf nüchternen Magen eingenommen, also etwa eine Stunde vor oder mindestens zwei Stunden nach einer Mahlzeit. Bei vielen Wirkstoffen müssen Sie für die Dauer der Behandlung auf Milchprodukte verzichten oder zumindest einen zeitlichen Abstand einhalten. Mögliche Nebenwirkungen: Unter andrem Durchfall, da das Antibiotikum auch die gesunde Darmflora schädigt. Probiotika können helfen.
Bisphosphonate
Wann nehmen? Bei Osteoporose, also krankhaftem Knochenschwund. Sie senken das Risiko von vermeidbaren Brüchen. Wie nehmen? Morgens vor dem Frühstück. Schlucken Sie das Mittel in aufrechter Haltung mit einem großen Glas Wasser. So rutschen die Tabletten besser. Mögliche Nebenwirkungen: Unter anderem Übelkeit, Bauchschmerzen oder Erbrechen.
Benzodiazepine
Wann nehmen? Im Einzelfall zur kurzfristigen Behandlung von schweren Angststörungen und Schlafproblemen. Wie nehmen? Kurz vor dem Schlafengehen. Nehmen Sie kein Schlafmittel, wenn Sie nach Mitternacht noch keinen Schlaf gefunden haben und am nächsten Tag früh rausmüssen. Mögliche Nebenwirkungen: Die Stoffe können abhängig machen, beim Absetzen sind Albträume und Unruhezustände möglich. Außerdem steigt das Sturzrisiko. Auf keinen Fall länger als vom Arzt verordnet einnehmen, maximal vier bis sechs Wochen.
Diuretika
Wann nehmen? Bei Bluthochdruck und Herzschwäche oder auch um Wassereinlagerungen aus dem Gewebe zu bekommen. Wie nehmen? Wenn nicht anders verordnet am besten zum Frühstück, damit die Nachtruhe nicht durch Harndrang gestört wird. Mögliche Nebenwirkungen: Ist die Wirkung zu stark, gerät der Mineralstoffhaushalt leicht aus der Balance – es kann zu Krämpfen kommen.
Schmerzmittel
Wann nehmen? Ibuprofen, Diclofenac und verwandte Stoffe kommen bei entzündlichen Schmerzen zum Einsatz. Wie nehmen? Bei akuten Schmerzen sollten Sie das Präparat etwa eine Stunde vor dem Essen einnehmen, weil es so schneller wirkt. Bei der ärztlich verordneten Dauertherapie ist auch die Einnahme zum Essen möglich, wenn das Mittel so besser vertragen wird. Gegen Gelenkschmerz am Morgen hilft eventuell eine Extradosis vor dem Schlafengehen. Mögliche Nebenwirkungen: Unter anderem Probleme im Verdauungstrakt: Übelkeit, Durchfall oder Erbrechen. Bei langfristiger Einnahme erhöht sich das Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall.
Nitratpräparate
Wann nehmen? Bei Durchblutungsstörungen des Herzmuskels (Angina Pectoris). Wie nehmen? Präparate zur Vorbeugung nehmen Sie am besten nach dem Essen. Akutmittel bei Bedarf. Mögliche Nebenwirkungen: Unter anderem Blutdruckabfall und Kopfschmerzen, manche Patienten klagen über Schwindel.
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Fachliche Beratung: Claudia Cramer, Apothekerin und geriatrische Pharmazeutin, Herscheid
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