Simuliert mein Angehöriger?
Mein pflegebedürftiger Partner lässt sich von mir bedienen. Dabei könnte er vieles selbst tun...
Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind, schildern Beschwerden und Einschränkungen gegenüber ihren pflegenden Angehörigen manchmal schlimmer, als sie tatsächlich sind. Die allermeisten von ihnen tun das aber nicht mit Absicht, sondern nur halb bewusst. Anders ist es mit Simulanten, die ganz gezielt Beschwerden vortäuschen.
Bei der Hilfsbedürftigkeit ein bisschen dicker auftragen – was will man damit erreichen?
Wer krank und auf Hilfe angewiesen ist, bekommt Zuwendung. Und Zuwendung fördert nachweislich den Heilungsprozess. Mitfühlende Angehörige und mitfühlende Ärzte helfen, schneller gesund zu werden oder mit chronischen Leiden und Handicaps besser klarzukommen.
"Dass jemand wirklich simuliert, kommt viel seltener vor als gedacht."
Prof. Claas Lahmann, Ärtzlicher Direktor der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie in Freiburg
Wie finde ich heraus, wie viel Hilfe mein Angehöriger tatsächlich benötigt?
Man muss genau hinhören! Vielleicht geht es gar nicht darum, dass die Tochter ihrer Mutter die Beine einreibt, sondern um Zuwendung. Wenn man bei der Mutter nachfragen würde, kommt vielleicht: "Ich bin so allein, mir ist so langweilig." Dann ist nach einem gemeinsamen Spaziergang das Einreiben der Beine vielleicht kein Thema mehr.
Helfen, aber auch die Selbstständigkeit fördern. Wie halten pflegende Angehörige da die Balance?
Was kurzfristig gut ist, kann langfristig schlecht sein. Wenn man der Mutter jedes Mal die Beine einreibt, wird sie immer unselbstständiger und eher kränker. Wenn man aber versteht, dass es eigentlich um Zuwendung geht, und die Mutter mal in den Arm nimmt, dann spürt sie diese Empathie. Es ist inzwischen gut untersucht und wissenschaftlich bewiesen, dass die Zuwendung auf körperlicher Ebene viele gesundheitsfördernde Effekte besitzt.
Wer sich ausgenutzt fühlt, ärgert sich. Was hilft gegen die Wut?
Das bewusste Vortäuschen von Beschwerden kommt viel seltener vor als das überdeutliche Verstärken. Das nervt genauso, aber es wird leichter, es auszuhalten, wenn man sich klarmacht: "Das tut jemand nicht absichtlich, sondern es ist ein bisschen Teil der Erkrankung."
Wie lernen Pflegende, auch mal Nein zu sagen?
Wenn ich in einer stabilen Beziehung bin, fällt es mir viel leichter, mich auch mal abzugrenzen und zu sagen: "Ich mag dich wirklich gerne, aber heute kann ich nicht. Im Moment fehlt mir die Kraft." In einer spannungsgeladenen Beziehung ist das nicht so leicht. Wenn ich merke, ich gehe immer wieder über meine Grenzen, kann therapeutische Hilfe eine Unterstützung sein. Es kommt gar nicht so selten vor, dass ein Angehöriger sehr viel fordert und der Pflegende sich nicht abgrenzen kann.
Wie reagiere ich im Alltag?
Am besten, indem Sie auf Gejammer möglichst wenig eingehen und den Fokus darauf lenken, was alleine gut klappt.