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Neue Gesichter, fremde Gänge, ein unbekannter Tagesablauf, und dann oft noch Schmerzen und Angst. Für demenzkranke Menschen sind Besuche im Krankenhaus oder in der Arztpraxis oft belastend. "Sie können aber als Angehöriger einiges vorbereiten, noch bevor es so weit ist", sagt Jochen Gust, der lange Demenzbeauftragter in einem Krankenhaus war und über das Thema bloggt.


1. Richtige Klinik auswählen

In manchen Einrichtungen gibt es eigene Abteilungen für Menschen mit Demenz. "Gut sind Krankenhäuser mit einer Abteilung für Gerontopsychiatrie oder Geriatrie", sagt Demenz-Expertin Iris Gorke. Die regionale Alzheimer Gesellschaft kann oft mit Adressen weiterhelfen. Hier gibt es eine Übersicht der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie. Manchmal kennt auch der Hausarzt Kliniken, die ein besonderes Angebot für Menschen mit Demenz haben. In der Regel kann man dort eingewiesen werden, wo man will.

Achtung: "Demenzsensibel" kann sich jedes Krankenhaus nennen – das ist kein geschütztes Siegel. Diese Checkliste gibt Hinweise, wie man einschätzen kann, ob ein Krankenhaus geeignet für Menschen mit Demenz ist. Idealerweise ist der Klinikaufenthalt so kurz wie möglich. Fragen Sie vorher, ob der Eingriff vielleicht auch ambulant möglich ist.

Nehmen Sie wichtige Arzttermine auch in der Corona-Pandemie weiterhin wahr! Und zwar nicht nur bei Krankheitssymptomen und Schmerzen, sondern auch für die Vorsorge, zum Beispiel bei Menschen mit Diabetes.

Arztpraxen und Kliniken treffen Vorkehrungen, um das Ansteckungsrisiko so gering wie möglich zu halten. Tragen Sie eine Schutzmaske, halten Sie den Mindestabstand ein und achten Sie auf Hygiene. Erscheinen Sie erst kurz vor dem vereinbarten Termin, um längere Aufenthalte im Wartezimmer zu vermeiden. Bei Corona-Symptomen nicht in die Praxis gehen, sondern unbedingt telefonisch Kontakt aufnehmen!

Begleitpersonen sind in vielen Krankenhäusern und Arztpraxen zwar derzeit nur eingeschränkt erlaubt – wo es medizinisch notwendig ist (z.B. bei Demenz), gibt es aber meist Ausnahmen. Klären Sie das vorab telefonisch.

2. Vorab Tasche packen

Für einen kürzeren Arzttermin eignen sich Dinge für die Beschäftigung: ein paar Gemüsesticks, ein Buch zum Vorlesen oder Fotos von einem früheren Urlaub.

Fürs Krankenhaus packen Sie am besten vorab eine Tasche. Drin sein sollten wichtige Dokumenten wie Vollmachten, Arztbriefe und eine Liste mit Medikamenten. Aber auch vertraute Dinge, die entspannend wirken: "Das kann das Bild der Enkel auf dem Nachtisch sein, der eigene Schlafanzug oder Kopfkissenbezug oder auch der Wecker in zweiter Ausfertigung", sagt Demenz-Experte Jochen Gust.

Wenn es ein geplanter Termin ist: Kündigen Sie den Arztbesuch nicht zu früh an, rät Iris Gorke von der Alzheimer Gesellschaft München. "Viele Menschen mit Demenz beunruhigt es sehr, wenn sie einen Termin haben, aber nicht einschätzen können, wann", sagt sie. "Wenn ich das drei Tage vorher sage und die zeitliche Orientierung zunehmend eingeschränkt ist, verstärkt es die Unruhe wahrscheinlich und die Person stellt vielleicht im Minutentakt Fragen."

Was, wenn sich der Angehörige weigert, zum Arzt zu gehen?

Arztbesuche sind für Menschen mit Demenz oft stressig. Sie müssen ihre vertraute Umgebung verlassen oder haben Angst vor Untersuchungen. "Aus Angst wird dann oft gesagt: Ich gehe da nicht hin", sagt Iris Gorke von der Alzheimer Gesellschaft. Rationale Argumente werden immer weniger verstanden. Diese Überforderung führt oft zu Aggression und Weigerung. Wichtig ist, dass Sie selbst als Angehöriger keine Angst vor diesem Verhalten haben – die Unruhe überträgt sich oft.

"Rationale Erklärungen wie: Du musst jetzt untersucht werden, sind oft gar nicht hilfreich", sagt Gorke. Wichtiger ist die Gefühlsebene: ein freundliches Gesicht und eine ruhige Gestik, die zeigen, dass alles in Ordnung ist.

Manchmal hilft es, bei der Hilfsbereitschaft des Betroffenen anzusetzen, sagt Iris Gorke: "Ich mache mir Sorgen um deine Gesundheit, kannst Du für mich bitte mitkommen?" Oder: "Es wär für mich eine große Hilfe, wenn du mich zum Arzt begleiten würdest." Andere erzählen ihrem Angehörigen, dass sie selbst einen Arzttermin haben und bitten um Begleitung.

3. Im Wartezimmer ablenken

Menschen mit Demenz tun sich oft schwer mit der zeitlichen Orientierung. Oft fragen sie dann ständig, wann sie dran kommen oder möchten gehen. "Die Zeit dehnt sich bei Demenz teilweise unendlich", sagt Gust. Nehmen Sie ein Fotoalbum zur Beschäftigung mit oder kleine Snacks. Gehen Sie mit Ihrem Angehörigen noch eine Runde in der Nähe spazieren, wenn es ihm schwer fällt, so lange auf dem Stuhl zu sitzen – übers Handy kann Sie die Praxis dann rasch erreichen.

In der Arztpraxis ist es gut, wenn Wartezeiten gar nicht entstehen. Wenn Sie eine Vollmacht oder Schweigepflichtentbindung haben, können Sie vielleicht ein telefonisches Vorgespräch führen: So müssen Sie nicht vor dem Arzt über die Einschränkungen des Anderen sprechen. Selten gibt es auch die Möglichkeit, dass Ärzte einen Hausbesuch machen.

4. Personal über Demenz informieren

Lassen Sie Ärzte und Pflegepersonal wissen, dass Ihr Angehöriger Demenz hat. In der Arztpraxis können Sie vorher etwa kurz anrufen. In der Situation selbst hilft es manchmal, unauffällig das "Verständniskärtchen" der Alzheimer Gesellschaft vorzeigen. Darauf steht: "Ich bitte um Verständnis! Mein Angehöriger hat Demenz."

Für die Aufnahme im Krankenhaus gibt es einen extra Fragebogen der Alzheimer Gesellschaft zum kostenlosen Herunterladen. Sie können auch selbst auf einem Zettel stichpunktartig Auffälligkeiten und Vorlieben notieren. "Zum Beispiel: Mein Vater benutzt nie Duschgel, sondern wäscht sich immer mit klarem Wasser", sagt Gust. "Oder: Mutter ist immer von 2-3 Uhr nachts wach. Dann weiß die Klinik Bescheid, und die Patientin bekommt nicht sinnlos Schlafmittel." Hobbys oder eine komplette Biographie müssen Sie nicht aufschreiben, sie werden im Klinikalltag kaum berücksichtigt werden können.

Wechselt Ihr Angehöriger in der Klinik die Station, geben Sie auch dort dem Personal über die Situation Bescheid. "Man darf nicht davon ausgehen, dass das weitergegeben wird", sagt Gust. "Die Information zur Platzwunde wird weitergegeben, die zur Demenz vielleicht nicht."

5. Einzelzimmer oder Begleitung organisieren

Im Krankenhaus können Angehörige manchmal mit aufgenommen werden und dort übernachten – das nennt sich "Rooming-in". Dabei bekommen Sie ein eigenes Bett im Patientenzimmer. Wenn es medizinisch oder therapeutisch nötig ist, zahlt sogar die Kasse (geregelt ist das hier: § 11 Absatz 3 SGB V). Bescheinigen kann das der Krankenhausarzt, auch der Hausarzt kann das vorher empfehlen. Klären Sie die Kostenübernahme aber unbedingt im Voraus mit der Kasse.

Einigen Demenzpatienten hilft es, im Einzelzimmer untergebracht zu werden. Bei manchen Krankenhaus-Zusatzversicherungen etwa ist das dabei. "Aber das muss nicht immer von Vorteil sein", sagt Gust. "Wenn jemand 50 Jahre verheiratet war, mag er vielleicht das Gefühl, dass nachts noch jemand im Raum ist. Fehlt das, kann es zu Unruhe führen."

Ihr Angehöriger hat eine Operation vor sich? Gerade bei älteren Menschen und Menschen mit Grunderkrankungen besteht die Gefahr eines Delirs – das ist ein Verwirrtheitszustand nach dem Eingriff. Wenn der Patient den Klinik-Aufenthalt als sehr belastend erlebt, steigt das Risiko. Wichtig ist daher, als Angehöriger da zu sein und eine vertraute Atmosphäre zu schaffen; vom Vorlesen bis zur Lieblingsmusik. Was Angehörige und Patienten gegen ein Delir tun können, lesen Sie hier.

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