Brustkrebs-Screening nach 69?
Die Fragestellerinnen aus Niedersachsen geben auch gleich die Antwort: Ja, unbedingt! Bisher bezahlen die Krankenkassen nur Frauen im Alter zwischen 50 und 69 die Mammografie, eine Röntgenaufnahme der Brüste. Sie soll bei Frauen ohne Symptomen Krebs aufspüren.
Die Initiative "MammoBis75" fordert nun, dass die Screening-Untersuchung künftig auch Frauen bis 75 offensteht. Dazu wurde beim Petitionsausschuss des Bundestags ein entsprechender Antrag eingereicht – über 80 000 Unterschriften haben die Aktivistinnen aus Friesland gesammelt. Im Herbst soll eine Anhörung stattfinden und letztlich eine Empfehlung an den Bundestag erfolgen.
Brustkrebs gezielt vorbeugen
Frauen im Alter von 70 Jahren leben heute im Durchschnitt noch 17 Jahre, und die Zahl der Sterbefälle durch Tumore in der Brust steigt stetig (siehe Grafik). In Ländern wie Frankreich und den Niederlanden, die ähnliche Vorsorgeprogramme betreiben, liegt die Altersgrenze für die Mammografie schon länger bei 75 Jahren.
Doch profitieren ältere Frauen tatsächlich davon? Hier erfahren Sie, was wissenschaftliche Studien und auch der Krebs-Epidemiologe Professor Alexander Katalinic dazu sagen.
Frauen, die bei sich eine Veränderung der Brust erkennen oder einen Knoten ertasten, sollten unabhängig vom Screening auf jeden Fall zum Arzt gehen. In solchen Fällen zahlt die Krankenkasse die Mammografie – unabhängig vom Alter der Patientin.
Eine aktuelle Studie der Harvard-Universität in Boston (USA) ergab, dass Frauen bis zu einem Alter von 75 vom Screening profitieren. In dieser Gruppe starb von 1000 Frauen eine weniger an Brustkrebs als unter jenen, die ihre Teilnahme am Screening schon früher beendet hatten. In noch höherem Alter war kein Nutzen mehr nachzuweisen. Die Auswertung eines großen US-Registers ergab zudem, dass die Sterberate an Brustkrebs stark von der sonstigen Gesundheit abhängt.
"Intensiv über Vor- und Nachteile aufklären"
Herr Professor Katalinic, ist es wissenschaftlich belegt, dass ein Screening im Alter von über 69 Jahren Brustkrebs-Todesfälle verhindert?
Ein internationales Expertengremium der Weltgesundheitsorganisation sieht das als belegt an. Auch eine Leitlinie der Europäischen Kommission empfiehlt im Alter von 70 bis 74 zwei Untersuchungen im Dreijahresabstand.
Sollte Deutschland diesen Empfehlungen folgen?
Ich fände das sinnvoll. Das muss aber mit einer besonders intensiven Aufklärung über Vor- und Nachteile verbunden sein.
Was sind die Nachteile?
Beim Mammografie-Screening gibt es auch Überdiagnosen. Also ein entdeckter Brustkrebs, der womöglich nie erkannt worden wäre und die Frau nie beeinträchtigt hätte. Bei älteren Frauen nehmen Überdiagnosen zu, weil einige vorher an anderen Ursachen als Brustkrebs sterben.
Man könnte dann auf eine Behandlung verzichten.
Das Problem ist, dass man diese Überdiagnosen bei der einzelnen Frau kaum erkennen kann. Da jeder Krebs behandelt werden sollte, kommt es zwangsweise bei einigen Patientinnen zu eigentlich unnötigen, belastenden Therapien.
Das deutsche Screening-Programm: Eine erste Bilanz
Bei Frauen im Screening-Alter von 50 bis 69 lag die Rate der fortgeschrittenen Tumore im Jahr 2013/14 um 23 bis 28 Prozent niedriger als kurz vor Beginn des Programms. Damit verbunden ist die – bisher nicht belegte – Hoffnung auf bessere Heilungschancen.
17 bis 19 Prozent der im Screening entdeckten Fälle sind wahrscheinlich Überdiagnosen: Der erkannte Krebs hätte die Frauen nie beeinträchtigt. Die Rate an Überdiagnosen wird aus Studien berechnet. Ob eine einzelne Frau betroffen ist, lässt sich aber nicht voraussagen. Deshalb erfolgen eventuell unnötige Therapien. Quelle: International Journal of Cancer 2019
Fazit
Einige Daten sprechen dafür, dass Frauen auch im Alter von 70 bis 75 Jahren vom Mammografie-Screening profitieren – vor allem, wenn sie noch bei guter Gesundheit sind. In diesem Alter steigt jedoch auch der Anteil der Überdiagnosen. Frauen sollten sich auf jeden Fall ärztlich beraten lassen und dann in der Abwägung von Vor- und Nachteilen ihre Entscheidung treffen.