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Von der Krankenkasse bezahlte Teststreifen im Internet versteigern, statt damit den eigenen Blutzucker messen? Wer das macht, verdient sich ein stattliches Taschengeld. Aber: Das ist unsolidarisch, betrügerisch, und es kann empfindliche Strafen nach sich ziehen — für Verkäufer und Käufer. Außerdem birgt der illegale Handel mit Diabetesbedarf Risiken für die Gesundheit: für den Käufer, weil er womöglich fehlerhafte Produkte für die Diabetestherapie kauft. Und für den Verkäufer, der vielleicht seine eigene Behandlung vernachlässigt.

Dennoch boomt der Schwarzmarkt im Netz. Professor Dr. Heiko Burchert, Ökonom am Fachbereich Wirtschaft und Gesundheit der Fachhochschule Bielefeld, beobachtet ihn seit zehn Jahren. Er wertet beispielhaft die Privatverkäufe von Teststreifen verschiedener Firmen und eines Sensors zur kontinuierlichen Glukosemessung auf einem bekannten Auktionsportal aus. Den Schaden für die Krankenkassen in den vergangenen zwölf Monaten beziffert er auf 36 Millionen Euro — allein auf der untersuchten Online-Plattform (Stand August 2020). Auf dem gesamten Schwarzmarkt sei der Verlust mindestens doppelt so hoch, schätzt Burchert.

Heiko Burchert hat über die Jahre 25.000 private Verkäufer für Teststreifen gezählt. Täglich kommen im Schnitt zehn dazu. Gut 4.000 Personen handeln mit Sensoren, Tendenz steigend. Der Experte hat verschiedene Verkäufergruppen ausgemacht: die, die auf Krankenkassenkosten Diabetesbedarf erhalten und zum Teil weiterverkaufen. Andere beschaffen sogar größere Mengen durch Ärzte-Hopping und diverse Rezepte im Quartal. Daneben gibt es auch noch "Spitzenverdiener", denen der Ökonom einen kriminellen Zugang zu Teststreifen oder Sensoren, etwa von Pharmafirmen, Kliniken oder diabetologischen Praxen unterstellt.

Risiko für die Gesundheit

Doch wer kauft die Diabetesprodukte im Internet, und welche Gefahren drohen? Die Käufer, glaubt Heiko Burchert, sind etwa Menschen mit Diabetes, die keine oder für ihr Gefühl zu wenige Teststreifen vom Arzt verordnet bekommen und sie billig im Internet kaufen wollen. Auch wenn die Krankenkasse keine Sensoren zahlt, nutzen manche Käufer Angebote aus dem Netz.
Der Apotheker Dr. Michael Eder aus Berlin rät dringend davon ab, Dia­­betesbedarf illegal zu erwerben. "Medikamente, Medizin­produkte und Hilfsmittel sollte man im Fachhandel besorgen", sagt er. "Kauft man in der Apotheke, sind die Lieferketten geklärt, das Produkt ist richtig gelagert und transportiert worden, und der Kunde kann sicher sein, dass es sich nicht um Fälschungen handelt." Das wisse man beim Erwerb im Netz nicht.

Auch der Diabetologe Dr. Dietrich Tews aus Gelnhausen in Hessen plädiert dafür, den Bedarf für die Diabetestherapie nur über vertrauenswürdige Quellen zu beziehen und kein Risiko einzugehen. Blutzuckerteststreifen etwa müssen richtig gelagert und dürfen nicht verwendet werden, wenn das Haltbarkeitsdatum überschritten ist.

"Stimmt die Qualität nicht, kann es zu falschen Blutzuckerwerten kommen. Das ist gefährlich", erklärt Experte Tews. "Denn der Patient trifft aufgrund des Messwerts zum Beispiel die Entscheidung, wie viel Insulin er sich spritzt." Stimmt die Dosis nicht, könne das fatale Folgen haben, etwa zu Stoffwechsel­entgleisungen wie Unterzuckerungen führen.

Kampf gegen den Betrug

Heiko Burchert mahnt, dass der Schwarzmarkt unterbunden werden muss. Ärzte hätten dazu nur wenig Möglichkeiten. "Wir achten da­rauf, wirtschaftlich zu verordnen", sagt Dietrich Tews. Den Krankenkassen ist der illegale Handel bekannt. Sie prüfen etwa stichprobenartig, ob verordnete Mengen realistisch sind. Und ihre Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen verfolgen eingehende Hinweise. "Jeder Verdacht auf Straftaten wird zur Anzeige gebracht", sagt Maike Janczyk vom AOK-Bundesverband.