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Sagen Sie den Rettungskräften mal ‚Danke‘“

Ben Molderings, Rettungsdienstleiter Berliner Johanniter :

Ich bin seit 13 Jahren im Rettungsdienst. Man merkt, dass die Anerkennung nachgelassen hat. Wir werden von immer mehr Menschen als Dienstleister gesehen: Wir müssen uns anhören, dass wir „zu langsam“ seien. Auch wird oft kritisiert, dass ein Arzt fehle. Dabei sind Notfallsanitäter hoch qualifiziert, sodass sie auch ohne Arzt gute Hilfe leisten können.

Auch Gewalt habe ich erfahren: oft verbale, weniger körperliche. Wie das Zeigen eines Mittelfingers, weil sich Menschen vom Blaulicht gestört fühlen. Ein Großteil der Leute ist dabei im Ausnahmezustand – sei es durch Alkohol, Drogen oder psychische Erkrankungen. Es gibt aber auch Übergriffe von Personen, die sich nicht in einem offensichtlichen Ausnahmezustand befinden. Sie veranstalten Hupkonzerte oder beleidigen uns, weil wir „im Weg stehen“. Es kommen auch Menschen in die Wohnung, während wir reanimieren, und poltern herum, damit wir den Wagen wegfahren: Sie müssten zur Arbeit. Wenn ich könnte, würde ich die Zeit anhalten und mich mit solchen Menschen unterhalten, um zu verstehen, warum sie so handeln. Ich kann mir die fehlende Anerkennung nur als Unmut über das Gesundheitssystem an sich erklären.

Ein Großteil der Einsätze verläuft aber friedlich. Natürlich ist jeder Fall zu viel. Jedoch gehört es nicht zu unserem Tagesgeschäft, angegriffen zu werden. An alle, die uns unterstützen wollen: Sagen Sie dem Rettungsdienst gerne mal „Danke“ – auch unabhängig von Einsätzen. Vermutlich werden die Kolleginnen und Kollegen aus Überraschung mit einem Raunen reagieren. Aber ich glaube, es gibt ihnen etwas. Am Ende sind wir alle verletzliche Menschen.

„Manchmal sind Menschen Vollidioten“

Manuel Barth, Feuerwehrbeamter und Landesvizechef der Deutschen Feuerwehr-Gewerkschaft

Ich bin seit 28 Jahren bei der Berliner Feuerwehr und bemerke in Teilen der Gesellschaft eine Verrohung. Wir kommen, um zu helfen. Wenn wir dann Aggression begegnen, wird das als großes Gefälle empfunden. Die Gemengelage ist unterschiedlich: Einmal gaben uns Angehörige die Schuld, als wir es nicht schafften, einen geliebten Menschen zurückzuholen. So etwas gehört zum Job und wir kommen damit klar: Hier befinden sich Menschen in einer psychischen Ausnahmesituation.

Manchmal sind Menschen aber einfach Vollidioten: Zum Beispiel wollten Leute den Rettungswagen wegfahren, weil er ihnen im Weg stand. Für so etwas fehlt mir jedes Verständnis. Ich erwarte von Menschen, egal mit welcher Ausbildung oder welchem kulturellen Hintergrund, die Transferleistung: Wenn da ein Auto mit Blaulicht steht, ist das nicht zum Spaß. Da ist jemand in Not. Dann sollte man den eigenen Egoismus zurückstellen und in Betracht ziehen, dass derselbe Rettungswagen am nächsten Tag vor der eigenen Tür stehen könnte – für sich oder Angehörige.

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Ich würde mir wünschen, dass Übergriffe aller Art schneller geahndet werden. Es gibt schon harte Gesetze, die muss man aber auch umsetzen. Von der Gesellschaft erwarte ich ein Stück weit Courage: auch mal selber das Wort erheben, wenn man einen Angriff sieht, und nicht immer nur überrascht tun. Das Thema ist nicht neu.

„Wir sind Freund und Helfer, nicht der Feind“

Katrin G., Mitglied der Gewerkschaft der Polizei und Polizeihauptkommissarin bei der Polizei Berlin

Ich bin seit 26 Jahren Polizistin: Das war schon als kleines Kind mein Wunsch. Heute haben wir es schwer, genügend junge Leute zu finden. Ein Grund sind die Gefahren. Es gibt immer wieder Einsätze, bei denen uns jemand schlägt und wir blaue Flecken bekommen. Einmal mussten wir in einer alkoholisierten Gruppe einen Mann festnehmen. Er hat mir dann gesagt: „Lass mich los, du Fotze, sonst werde ich dir die Hand brechen.“ Als Polizistin lässt man natürlich nicht los. Er hat mir den Arm komplett umgedreht: Sehnenriss. Das war vor vier Jahren, hat aber Folgen hinterlassen. Ich bin Sportlerin. Liegestütze oder andere Dinge sind noch heute schwierig.

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Normalerweise versuche ich, Eskalationen, so gut es geht, zu vermeiden. Es gibt zum Beispiel Männer, die nicht mit Frauen sprechen wollen. Dann kann man entgegnen, dass man sich nicht vorführen lässt. Aber wenn es die Situation hochschaukeln würde, lasse ich meinen Kollegen reden.

Besonders nervig ist bewusst provokantes Verhalten. Zum Beispiel: Ein Falschparker weigert sich wegzufahren. Manche wollen uns dann nicht den Ausweis geben oder werfen ihn uns vor die Füße. Meist kommt dann auch noch etwas Beleidigendes hinzu. Jeder kann sich vorstellen, dass man sich dann zurückhalten muss, um nichts Beleidigendes zu entgegnen. In meiner Uniform erwartet man von mir, auf bestimmte Art zu agieren. Aber hinter der Uniform bin ich ein ganz normaler Mensch mit eigenen Gedanken.

Ich wünsche mir vor allem von der Politik mehr Rückendeckung: besonders, dass psychische Spät­folgen anerkannt werden. Nicht nur, wenn man im Einsatz stark verletzt wurde, sondern auch bei einer posttraumatischen Belastungsstörung, die sich Jahre später zeigt. Von der Gesellschaft wünsche ich mir, dass man die Polizei als Freund und Helfer annimmt – und nicht als bösen Feind. Es gibt Stadtviertel in Berlin, dort werden wir beim Vorbeifahren ausgebuht. Aber auch diese Leute brauchen vielleicht irgendwann einmal unsere Hilfe.

„Wir haben ein Problem mit Egoismus“

Mathias Koch, Rettungsdienstleiter Deutsches Rotes Kreuz in Potsdam

In 19 Jahren Einsatz habe ich auf der Straße die gesamte Palette erlebt: vom Tritt ins Gesicht bis zu Schubsen und Ähnlichem. Einmal musste ein Kollege körperlich tätig werden, um eine Kollegin zu verteidigen. Ein Patient hatte sie mehrmals angefasst. Ein anderes Mal wollte sich ein Angehöriger mit Gewalt Zutritt zum Rettungswagen verschaffen und zum Patienten gelangen. Meine Kollegen haben sich dann im Wagen eingesperrt und auf die Polizei gewartet.

Solche gravierenden Angriffe haben wir zwei- bis viermal im Jahr. Meist sind das Angreifer in psychischen Ausnahmesituationen. Oder es ist Alkohol im Spiel. Häufiger sind Beleidigungen oder Leute, die sich beschweren, dass der Rettungswagen im Weg steht. Früher wurde man auf solche Dinge nicht vorbereitet. Nun legt man in der Ausbildung mehr Wert auf Kommunikation und Eigensicherung. Es ist aber noch nicht optimal: zum Beispiel bei der Nachschulung von Kollegen, die schon länger im Dienst sind.

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Dazu haben wir Probleme mit Egoismus und Respektlosigkeit. Ein Thema sind zum Beispiel Falschparker. Einmal blockierte ein Pkw die Auffahrt einer Sportanlage. Wir mussten die Ausrüstung dann zum anderen Ende des Platzes tragen. Das hat uns fünf Minuten gekostet. Fünf Minuten können über Leben und Tod entscheiden.

Ein anderes Problem sind immer wieder Gaffer und Menschen, die einen Einsatz mit Handys filmen. Ich würde mir im Alltag mehr gegenseitigen Respekt wünschen. Es wäre schön, wenn die Leute ihre eigenen Bedürfnisse zurückschrauben und sich in die Situation unserer Patientinnen und Patienten hineinversetzen würden. Wenn mehr Menschen begreifen, wie es ist, Hilfe zu benötigen, während andere mit Handys filmen, wäre Patienten und Rettungskräften auf jeden Fall geholfen.

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Quellen:

  • Bundeskriminalamt: Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte, Bundeslagebild 2021. https://www.bka.de/... (Abgerufen am 25.08.2023)
  • forsa, dbb: dbb Bürgerbefragung Öffentlicher Dienst. https://www.dbb.de/... (Abgerufen am 25.08.2023)