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Homeoffice, fehlende soziale Aktivitäten, teils auch Kinderbetreuung zu Hause: Seit Monaten wirkt Corona sich auf viele Lebensbereiche aus. Auch auf unsere Partnerschaften – und die oft permanente Nähe oder ungewollt große Distanz überfordert viele. Was mehr als ein Jahr Pandemie mit unseren Beziehungen gemacht hat und wie wir eine Perspektive für die Liebe finden können.

Mehr Beziehungsprobleme bei jedem vierten Paar

Bei etwa jedem vierten Paar hat das erste Pandemiejahr zu mehr Beziehungsproblemen geführt. Das zeigt eine Umfrage der Online-Partnervermittlung Parship unter etwa 1000 Bundesbürgern. Oft wurde viel mehr Zeit miteinander verbracht als vor Corona – und diese „Paarantäne“ war für 27 Prozent der Männer in einer Partnerschaft und 20 Prozent der Frauen mehr, als es ihnen lieb war. Für jede zehnte Beziehung bedeutete Corona demnach sogar das Liebes-Aus. 

Der Hamburger Paartherapeut Eric Hegmann sieht die Zeit als Brennglas für Beziehungsprobleme: „Daran scheiterten natürlich auch viele.“

Die Pandemie sei eine ungewöhnliche Belastungssituation für alle Partnerschaften, meint auch Psychotherapeut und Buchautor Wolfgang Krüger aus Berlin. „Sie ist es gerade deshalb, weil das Ende nicht voraussehbar ist. Wir leiden am stärksten unter jenen Belastungen, bei denen das Licht am Ende des Tunnels nicht sichtbar ist.“

Das Nähe-Distanz Gleichgewicht finden

„Liebe braucht Nähe, aber auch Freiräume“, betont Krüger. Die für eine gesunde Beziehung wichtige Balance aus Nähe und Distanz gerate durch Corona aber oft ins Wanken. Wohne man zusammen, könne man sich kaum aus dem Weg gehen, Streitigkeiten nähmen so fast automatisch zu. „Es ist entscheidend, dass jeder auch für sich allein etwas macht.“

Selbst in einer kleinen gemeinsamen Wohnung sei es wichtig, dass jeder eigene Interessen verwirkliche und man sich auch mal bewusst in Ruhe lasse. „Dann liest einer und ist in Gedanken am Nordpol, während der andere kocht. Dieser Wechsel von Nähe und Autonomie ist entscheidend für eine lebendige Liebe.“

Die begrenzten Rückzugsmöglichkeiten in den eigenen vier Wänden müsse man sich ganz bewusst schaffen, sagt auch Hegmann - selbst wenn es nur ein Podcast und Kopfhörer seien. Außerdem sei es derzeit besonders wichtig, offen über das oft unterschiedliche Nähe-Bedürfnis zu sprechen. „Das ist eine Frage von Aushandeln und Verhandeln.“

Selbstfürsorge nicht vergessen

Eine glückliche Beziehung lebt davon, dass es beiden Partnern gut geht. Deshalb rät Psychotherapeut Krüger: „Sie müssen in der Coronazeit vor allem die Partnerschaft mit sich selbst pflegen.“ Viele Zerstreuungen fallen weg, wir sind auf uns selbst, die Beziehung und wenige enge Kontakte beschränkt. „Hier wäre es jetzt wichtig, dass man gelernt hat, mit sich selbst gut auszukommen.“

Selbstbestimmtheit, das Verfolgen eigener Ziele und Kreativität seien wichtig. So könne man die Zeit zum Schreiben, Malen oder Lernen einer Fremdsprache nutzen. „Paaren geht es besser, wenn beide das Gefühl haben, kreativ auf die Corona-Zeit antworten zu können“, sagt Krüger.

Zerreißprobe für Fernbeziehungen

Für viele Paare ist die permanente große Nähe belastend. Was aber, wenn die Partnerin oder der Partner in einer anderen Region, einem anderen Land oder sogar auf einem anderen Kontinent lebt? „Das sind sicherlich Partnerschaften, die jetzt unter einer Zerreißprobe stehen“, sagt Kristina Schütz von der Deutschen Psychotherapeutenvereinigung vor dem Hintergrund oft wechselnder Reisebeschränkungen. 

Besonders in der Liebe auf Distanz seien die vielfältigen digitalen Kommunikationskanäle ein Pluspunkt, stellt Schütz klar. Natürlich ersetze digitale Kommunikation aber keinen persönlichen Kontakt.

Corona schweißt Paare auch zusammen

Vielen gelinge die Beziehungspflege trotz Corona erstaunlich gut, berichtet Krüger – oft gebe es mehr Nähe, Zärtlichkeiten und besseren Sex. Das zeigt auch die Parship-Umfrage: Knapp die Hälfte der Vergebenen ist sich demnach durch den Lockdown nähergekommen (44 Prozent). Und gerade jüngere Paare (18-29 Jahre) hatten in der Pandemie bislang deutlich mehr Sex als sonst.

Auch Paartherapeut Hegmann hat das Gefühl, viele Paare habe die Krise bislang zusammengeschweißt. „Sie haben den Eindruck, sie haben als Team funktioniert und sie können sich auf den anderen verlassen. Und sie sind dadurch auch optimistisch, dass sie weitere Herausforderungen gemeinsam meistern können.“

Er empfiehlt, sich in Akzeptanz zu üben: „Viele Paare lernen gerade, das Beste daraus zu machen, was sie haben. Den Blick nach hinten zu legen, auf das, was wir gerade vermissen, das bringt einfach nichts.“

Partnerschaft als wichtige Ressource in der Pandemie

Trotz möglicher Spannungsfelder in Pandemiezeiten seien viele Liierte in erster Linie froh und dankbar, jemanden an ihrer Seite zu haben, sagt Psychotherapeutin Schütz. „Sehr viele empfinden die Partnerschaft als Schutzraum und Ressource.“ Sie warnt aber auch: „Wir haben Hinweise, dass es mehr Gewalt in Partnerschaften gibt.“ Nicht immer sei die Partnerschaft also der sichere Hafen.

Alleinstehenden geht es oft schlechter als Paaren

Auch Alleinstehende dürfe man nicht vergessen, so die Psychotherapeutin. „Viele – ob freiwillig oder unfreiwillig alleine – erleben gerade wirklich große Einsamkeit.“

Auch Buchautor Krüger sagt: „Paaren geht es im Allgemeinen besser als Singles.“ Bei ihnen brächen durch Corona oft Alltagsfreundschaften weg – Paaren bleibe hingegen meist noch „ihre kleine soziale Welt“.