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Nach dem Abendessen wickeln die Eltern ihr Kind, ziehen es um und bringen es ins Bett. Dann schläft es friedlich ein – und wacht nicht mehr auf. Eine Horrorvorstellung, die für manche Familien aber bittere Realität ist. Im Jahr 2020 verstarben laut der Gesundheitsberichterstattung des Bundes 84 Säuglinge oder Kleinkinder in Deutschland infolge des plötzlichen Kindstodes, der auch als Sudden Infant Death Syndrome (SIDS) bezeichnet wird.

Plötzlicher Kindstod: Prävention ist erfolgreich

Mit dem plötzlichen Kindstod wird das unerwartete Versterben eines Säuglings bezeichnet, das zumeist während einer Schlafphase des Babys erfolgt. Der starke Rückgang der Fallzahlen seit den 1990er Jahren konnte durch die Empfehlung von verschiedenen Vorbeugemaßnahmen erreicht werden. So sollte ein Baby im ersten Lebensjahr beim Schlafen immer auf den Rücken gelegt und in einen Schlafsack ohne zusätzliche Decke gebettet werden. Ferner ist natürlich eine rauchfreie Umgebung ebenso wichtig und überdies sollten sich keine Kuscheltiere oder andere Dinge im Säuglingsbett befinden, um zu verhindern, dass die Atemwege des Säuglings abgedeckt werden. Obgleich der plötzliche Kindstod bereits seit vielen Jahren intensiv untersucht wird, lässt sich das Risiko für das Auftreten desselbigen noch immer nicht genau bestimmen.

Schlafsack statt Decke

Prof. Dr. Ekkehart Paditz ist Vorsitzender des Vereins Babyhilfe Deutschland und leitet das Zentrum für Angewandte Prävention in Dresden

Prof. Dr. Ekkehart Paditz ist Vorsitzender des Vereins Babyhilfe Deutschland und leitet das Zentrum für Angewandte Prävention in Dresden

"Zur Geburt kann man kein besseres Geschenk machen als einen Schlafsack", sagt Ekkehart Paditz, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin aus Dresden. Laut Studien­ haben Kinder, die vor dem ers­ten Geburtstag unter ­einer Decke schlafen, ein 35-fach erhöhtes SIDS-Risiko. "Sehr viele Kinder, die gestorben sind, waren zugedeckt", sagt Paditz. Zum Sauer­stoffmangel sei in vielen Fällen wahrscheinlich Überhitzung gekommen.

Der Experte rät, keine zusätzliche Decke über den Schlafsack zu legen, außerdem die Raumtemperatur möglichst bei 16 bis 19 Grad (°C) zu halten und darauf zu achten, dass der jeweilige Schlafsack zur Jahreszeit passt. Auch die Größe sollte stimmen: "Wenn das Kind reinrutscht, bringt das beste Modell nichts."

Im eigenen Bett ruhen

Kinder, die in den ersten drei Monaten im Elternbett schlafen, haben ein 20-fach erhöhtes SIDS-Risiko. Ab etwa der 13. Lebenswoche gilt das Risiko nur noch als 2,6-fach erhöht, vorausgesetzt, es kommen keine anderen Faktoren hinzu. "Die Eltern haben also keinen Alkohol getrunken, die Wohnung ist rauchfrei, das Kind gerät nicht zwischen Matratzen, Kissen, Decken und so weiter", erklärt Paditz. Weitere Empfehlung: Die Kleinen mindes­tens bis zum ersten Geburtstag im Elternzimmer schlafen lassen. Sie scheinen dadurch seltener in zu lange Tiefschlafphasen abzugleiten. "Das Risiko wird durch den Schlaf im Zimmer der Eltern nachweislich reduziert", so Paditz. Eine Option sind auch Beistellbetten.

Kindersicheres Bettchen: Die wichtigsten Tipps auf einen Blick

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Ab auf den Rücken

"Babys immer in Rückenlage schlafen legen", rät Ekkehart ­Paditz. Andernfalls sei das Risiko sechsfach erhöht. Er empfiehlt ausdrücklich, das Kind im wachen Zustand auch auf den Bauch zu legen: "Die Kinder nehmen mehr wahr, trainieren ihre Motorik sowie die Nacken-, Hals- und Schultermuskulatur." Letzteres scheint wichtig für die Zeit, in der die Kleinen anfangen, sich zu drehen – auch nachts. Paditz: "Wahrscheinlich haben Babys, die ihre Muskulatur trainieren konnten, einen Vorteil, da sie ihren Kopf heben oder drehen können."

Nicht rauchen

Zigarettenqualm ist für Babys nie gut, egal ob vor oder nach der Geburt. "Besonders gravierend scheint aber die Zeit in der Spätschwangerschaft zu sein, ­also ab der 30. Woche", erklärt Paditz. "Das Gehirn macht ab da einen­ Wachstumsspurt. Es wird vermu­tet, dass Tabakrauch die Bildung von Strukturen stört, die für die Atemregulierung oder für den Aufwachreflex wichtig sind." Raucht die Mutter in dieser ­Phase aktiv oder passiv, erhöht sich das SIDS-Risiko mindestens um das 3,4-Fache. "Da gibt es eine ­klare Dosis-Wirkungs-Beziehung: Je mehr geraucht wird, desto höher das Risiko", so der Experte.

Besser ohne Kissen

"Im ersten Lebensjahr sollte auf Kopfkissen im Babybett verzichtet werden", meint Ekkehart Paditz. Studien lassen auf ein 3,4-fach erhöhtes SIDS-Risiko schließen, wenn das Kind auf einem Kissen schläft. Als einen möglichen Grund nennt Paditz die Temperaturregulation, die bei Kindern stark über die Kopf- und Gesichtshaut laufe. Deshalb rät er auch davon ab, dass Babys in der Wohnung Mützen tragen: "Die Gefahr eines Wärmestaus scheint einfach zu groß."

Das Kind stillen

Wenn Babys nur zwei Wochen oder kürzer gestillt werden, erhöht sich das Risiko 1,7-fach. "Stillen scheint das SIDS-Risiko zu senken", sagt Paditz. Möglicher Grund: Gestillte Kinder wachen in der Nacht leichter und öfter auf und haben oft ­eine ­bessere Immunabwehr. In ihrer Leit­linie zur Prävention des plötzlichen Kindstods rät die Deutsche Gesellschaft für Schlafmedizin daher, Kinder im ersten Lebensjahr zu stillen, solange es für die Mutter möglich ist.

Schnuller schützt

"Meta-Studien zeigen, dass regelmäßiger Schnuller-Gebrauch das Risiko um 30 Prozent senkt", sagt Paditz. Er rät dazu, dem Kind einen Schnuller anzubieten, ­sobald das Stillen klappt. Dass der Schnuller dem Stillerfolg nicht im Wege steht, wie manche Eltern befürchten, hätten mehrere Studien belegt.

Welche Babys sind besonders gefährdet?

Leider gibt es derzeit keine Möglichkeit herauszufinden, welche Babys besonders gefährdet sind. Australische Forschende haben nun aber entdeckt, dass Kinder mit einer erniedrigten Aktivität des Enzyms Butyrylcholinesterase im Blut offenbar ein höheres Risiko für den Plötzlichen Kindstod haben. Sie untersuchten das standardmäßig nach der Geburt für das sogenannte Neugeborenenscreening entnommene Blut der Babys auf das Enzym Butyrylcholinesterase, das wichtig für den Aufwachmechanismus bei aussetzender Atmung ist. Bei den am Plötzlichen Kindstod verstorbenen Kindern war die Aktivität des Enzyms niedriger als bei anderen, wie die Studie im Fachblatt Lancet zeigt. „Ob man daraus wirklich eine generelle Testung entwickeln kann, ist derzeit noch offen. Es ist zumindest eine sehr wichtige These, die garantiert weiter verfolgt und evaluiert wird.“ sagt Prof. Paditz.

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