E-Rezept & Co. untauglich? Ärzteschaft fordert Digitalisierungspause

Die Medizin soll digitaler werden - doch noch gibt es Hürden
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Für Erik Bodendieck, den Co-Vorsitzenden des Ausschusses "Digitalisierung in der Gesundheitsversorgung" der Bundesärztekammer, haben viele digitale Anwendungen im Gesundheitsbereich den Praxistest bislang nicht bestanden. "Die elektronische Patientenakte, das E-Rezept und die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verändern die Arbeitsabläufe in Praxen und Kliniken nachhaltig. Ärztinnen und Ärzte werden dies nur akzeptieren, wenn die neuen Prozesse sicher, störungsfrei und zügig ablaufen", so Bodendieck auf dem Deutschen Ärztetag.
Zwischen Wunsch und Wirklichkeit
Wenn es nach Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geht, soll die Gesundheitsversorgung der Zukunft so digital wie möglich sein: Videosprechstunden, die elektronische Patientenakte (ePa) oder E-Rezepte sind nur drei Beispiele von Veränderungen in der deutschen Gesundheitsversorgung. Doch wie praktikabel und sicher sind diese Umstellungen für Praxen, Kliniken und Patient:innen?
Im Zentrum der Kritik von Ärzt:innen steht die Einführung der Telematikinfrastruktur (TI). Diese soll die Infrastruktur des Gesundheitswesens moderner machen und setzt sich aus den Begriffen "Telekommunikation" und "Informatik" zusammen.
Für das Bundesgesundheitsministerium ist die TI "eine verlässliche, sichere und umfassende digitale Infrastruktur". Doch die Ärzteschaft hat Bedenken: Es fehle an technischer Ausstattung, die Systeme seien unausgereift und die Sicherheitslücken eklatant.
Neue Strukturen für die gematik
Für den Umstellungsprozess des deutschen Gesundheitswesens eigens gegründet wurde 2005 die "Gesellschaft für Telematik", die gematik GmbH mit Sitz in Berlin. Deren Aufgabe ist laut Bundesgesundheitsministerium die Einführung, Pflege und Weiterentwicklung der elektronischen Gesundheitskarte (eGK).
Fachleute fordern nun mehr Fachexpertise und eine Neujustierung der Strukturen der gematik. "Jetzt rächt sich, dass die gematik die Anforderungen der Gesellschafter übergeht, die die Patientenversorgung verantworten. Diese Gesellschafter müssen einen stärkeren Einfluss haben", so Bodendieck. Frühere Bedenken und Warnungen seitens der Ärzteschaft habe die gematik ignoriert oder abgekanzelt.
Auf Pause drücken oder weitermachen?
Laut der "Ärzte Zeitung" forderte BÄK-Präsident Dr. Klaus Reinhardt ein einjähriges Moratorium für die gematik. Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat sich bereits für ein einjähriges Digitalisierungsmoratorium ausgesprochen. Das Ziel: Zeit gewinnen, um flächendeckende Testphasen von Anwendungen durchzuführen, bevor diese in den Praxisalltag eingeführt werden.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zweifelt dagegen laut einem Interview mit dem "Handelsblatt" an dem Effekt einer möglichen Auszeit. "Das Jahr Pause würde doch kaum ein Arzt nutzen, um sich an die Digitalisierung zu gewöhnen", argumentiert Spahn. Er plädiere stattdessen dafür, sofort einzusteigen, das System ständig zu verbessern, voneinander zu lernen und sich zu helfen.