Angst vor der Geburt?

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Ich behalte gerne die Kontrolle. Mein Wohl in fremde Hände zu geben, ist für mich keine schöne Vorstellung. Schlimme Erinnerungen habe ich zum Beispiel an meine Weißheitszahn-OP: Örtlich betäubt und in grüne Tücher geschlungen lag ich da, konnte mich nicht bewegen oder sprechen, weil ein kräftiger Zahnarzt in meiner Mundhöhle herum fräste und stemmte. "Ich trage ein bisschen was vom Kieferknochen ab und dann lupfe ich den Zahn heraus", hatte er mir vorher lässig erklärt. Dann stand er mit Schweißperlen auf der Stirn über mir und fluchte. War wohl doch nicht so einfach. Er stemmte weiter, mein Kiefer knackte bedrohlich. "Bitte lass ihn nicht abrutschen!", flehte ich innerlich und betete, dass sich sein Meißel nicht durch meine Wange bohren würde. Mein geschundener Kiefer brauchte Wochen, um sich von den Strapazen zu erholen. Und meine Angst vor grünen OP-Tüchern sitzt seither noch tiefer.
Eine meiner Horror-Vorstellungen war deswegen auch immer die einer Geburt. Leider muss ich mich beruflich regelmäßig mit den Details befassen: Plötzlich beginnende, immer heftiger werdende Schmerzen. Das Wissen, dass sie locker die nächsten 15 Stunden anhalten können. Womöglich unkontrollierte Stuhlabgänge, fiese Verletzungen im Genitalbereich – alles normale Begleiterscheinungen selbst vorbildlichster Entbindungen. Komplikationen können das Martyrium deutlich in die Länge strecken.
Deshalb war ich mehr als erstaunt, als meine Kollegin, Apothekerin und Baby-und-Familie-Redakteurin, während ihrer ersten Schwangerschaft verkündete: "Vor der Geburt hab ich keine Angst. Das Baby muss ja irgendwie raus, das kriegen die schon hin in der Klinik." Stattdessen war sie angesichts eines verschwommenen Ultraschallbildes ernsthaft besorgt, dass ihr Kind ohne Beine zur Welt kam.
Nachdem ihre Tochter auf der Welt war, traf ich sie wieder. "Es war die Hölle", sagte sie. "Glaub niemandem, der sagt, man kann solche Schmerzen schon aushalten. Und verlange unbedingt eine PDA, bevor es zu spät ist!" Ich schmunzelte und fühlte mich bestätigt.
Dann war ich selbst schwanger. Und musste bald feststellen, dass sich meine Sorgen nur noch um mein ungeborenes Kind drehten. "Ist es überhaupt noch da?", fragte ich mich in den ersten Monaten ständig. Fernab von einem Ultraschallgerät ist das ja anfangs schwer zu sagen. Als die Ärztin beim Ersttrimesterscreening einen kleinen weißen Fleck am Herzen erwähnte – "als alleiniges Symptom absolut nicht weiter abklärungsbedürftig" – und später das Baby als klein und die Fruchtwassermenge als eher gering befand – "aber alles im normalen Bereich" – googelte ich jeweils schockiert nach Ursachen, Risiken und Handlungsmöglichkeiten.
Gleichzeitig erscheinen mir die paar Schmerzen bei der Geburt plötzlich absolut machbar. Meine Schwangerschaft verlief super, mein Körper spulte sein natürliches Programm problemlos ab – warum dann nicht auch die Geburt? Kommen mir Zweifel, denke ich an den Bericht einer Bekannten. Ihre erste (!) Geburt hatte nur eine halbe Stunde gedauert. "Als meine Wehen regelmäßig kamen, sind wir langsam zu Fuß in die Klinik gelaufen", sagte sie. "Dort hieß es, der Muttermund ist schon offen, ich könne gleich in den Kreißsaal und pressen." Sie war nicht außergewöhnlich hart im Nehmen oder besonders schmerzerprobt – anscheinend hatte sie einfach großes Glück. Ich hoffe jetzt auch einfach mal darauf. Und, dass es im Kreißsaal keine grünen Tücher gibt.