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Mit der Zeit verschleißen unsere ­Gelenke – das ist ein natürlicher Prozess und geschieht bei allen Menschen, mal schneller, mal langsamer. Gerade Knie- und Hüftgelenk sind betroffen, lastet doch auf ihnen die meiste Zeit unser gesamtes Körpergewicht. Nicht alle Menschen brauchen deswegen einen künst­lichen Ersatz, auch Totalendoprothese (kurz: TEP) genannt. Vielen ermöglicht dieser aber, sich endlich wieder schmerzfrei zu bewegen und sogar Sport zu treiben.

Bauche ich das?

Bevor überhaupt überlegt wird, Knie- oder Hüftgelenk durch ein künstliches zu ersetzen, sollten andere Behandlungsmethoden ausgeschöpft sein. Etwa durch effektive Schmerz- und Physiotherapie. „Das macht auch wirklich Sinn“, sagt Professorin Gabriela von ­Lewinski. Sie ist leitende Ärztin für Orthopädie und Endo­prothetik an der Universitätsklinik in Göttingen: „Wir schauen auch streng darauf, dass die Patienten es erst mal mit Physiotherapie versuchen. Und die Betroffenen haben Zeit, sich mit dem Gedanken auseinanderzusetzen: Da wird jetzt ein Gelenk ersetzt.“ Bestehen die Schmerzen über drei bis sechs Monate fort, könne man über eine Operation sprechen. Natürlich sollte das Gelenk auch entsprechend untersucht werden.

Richtigen Zeitpunkt finden

In „zu jungen“ Jahren sollte man einen Gelenk­ersatz möglichst vermeiden. Das gilt vor allem für Männer unter 55 Jahren. Eine Untersuchung ergab, dass 35 Prozent von ihnen einige Zeit nach der ersten Operation ein neues, zweites Kniegelenk brauchten. Gabriela von Lewinski betont aber auch: „Letztendlich entscheiden wir gemeinsam mit dem Patienten. Wir operieren keine Röntgenbilder.“ Sie empfiehlt den Eingriff, „wenn man sich mehr als die Hälfte der Woche über das Gelenk ‚ärgert‘, im Alltag eingeschränkt ist und anfängt, sich jeden Weg zu überlegen.“ Dann sei ein guter Zeitpunkt für die Operation gekommen. Denn ist ein Gelenk geschädigt, müssen meist die angrenzenden Gelenke Arbeit mit übernehmen. „Irgendwann kommt es auch da zu Folgeschäden – und dann hat man zwei Baustellen“, sagt die Expertin.

Bitte zum Gewichts-Check!

Ist absehbar, dass ein Gelenkersatz ansteht, kann man sich und seinen Körper vorbereiten, damit der Eingriff und die weitere Heilung glatt verlaufen. „Wir empfehlen Patienten mit einem BMI über 40, unbedingt ihr Gewicht zu reduzieren. Man sollte vor der Operation auch nach möglichen Infektquellen suchen. Etwa zum Zahnarzt gehen und checken lassen, ob da etwas schlummert“, rät Gabriela von Lewinski. Die Keime könnten sonst das neue Gelenk infizieren.

In der Orthopädie gibt es sogenannte Prähabilitationsprogramme, bei denen im Vorfeld größerer Operationen zum Beispiel darauf geachtet wird, dass Herz und Kreislauf möglichst fit sowie die Blutwerte gut sind und dass der Körper ausreichend mit Nährstoffen versorgt ist. ­Insbesondere ältere Menschen haben dann weniger Komplikationen und können sich schneller von der Operation erholen.

Fit für den Alltag danach

„Man kann auch schon mal ein bisschen üben: Wie komm ich nach der OP aus dem Bett, wie laufe ich an Gehhilfen – das macht das Leben nach der OP leichter“, sagt die Expertin. ­Sogenannte Eigenblut-Spenden vor geplanten Operationen sind inzwischen fast nicht mehr nötig. Gabriela von Lewinski erklärt: „Es wird fast alles minimalinvasiv operiert.“ Die Techniken schonen Muskeln, Sehnen und Gewebe. Der Blutverlust wird dadurch gering gehalten.

Sie haben das letzte Wort!

Wie immer bei Operationen ist es wichtig, dass Patientinnen und Patienten genau wissen, was auf sie zukommt und dem ausdrücklich zustimmen. Das sieht auch Orthopädin von Lewinski so: „Die Patienten sollten selbst davon überzeugt sein, dass die OP der richtige Schritt ist. Dann kommt man auch besser durch den ganzen Behandlungsprozess.“ Denn es gilt nicht nur, einen größeren Eingriff gut zu überstehen, auch die Rehabilitation im Anschluss braucht Zeit und kostet Kraft.

Daher sollten vor dem Eingriff die persönlichen Ziele genau besprochen werden: Will man wieder intensiver Sport treiben oder geht es nur darum, schmerzfrei kurze Strecken zu gehen? Beides können gute Gründe für einen Gelenkersatz sein. Auch hochbetagte Menschen, die einfach mobiler sein möchten, können ein neues Gelenk bekommen, wenn körperlich bei ihnen nichts gegen Narkose und Operation spricht. Eine Studie konnte nachweisen: Ältere, fitte Menschen profitieren genauso wie jüngere.


Quellen:

  • Anderson PM, Vollmann P, Weißenberger M, Rudert M. : Total hip arthroplasty in geriatric patients – a single-center experience. In: SICOT J. 04.04.2022, 8: 12
  • aerzteblatt.de: Neue Hüfte für über 90-Jährige?. Online: https://www.aerzteblatt.de/... (Abgerufen am 24.05.2023)
  • UniversitätsCentrum für Orthopädie, Unfall- und Plastische Chirurgie: Wann ist ein künstliches Hüftgelenk sinnvoll und welche Alternativen gibt es?. Online: https://www.uniklinikum-dresden.de/... (Abgerufen am 24.05.2023)
  • Lisa A Mandl, Gregory M Martin: Overview of surgical therapy of knee and hip osteoarthritis. UpToDate: https://www.uptodate.com/... (Abgerufen am 24.05.2023)
  • Radtke, R: Anzahl der Implantationen künstlicher Hüftgelenke in deutschen Krankenhäusern nach Altersgruppe im Jahr 2021. statista: https://de.statista.com/... (Abgerufen am 24.05.2023)
  • Oberhofer, E: TEP-Standzeiten: hohes Wechselrisiko bei Männern unter 55 Jahren. In: Orthop. Rheuma 01.01.2017, 20: 12
  • LMU Klinikum Abteilung für Transfusionsmedizin, Zelltherapeutika und Hämostaseologie: Eigenblutspende. Onlline: https://www.lmu-klinikum.de/... (Abgerufen am 24.05.2023)