Logo der Apotheken Umschau

Die offene Stelle am Unterschenkel roch, und sie tat weh. Doch schlimmer war für die 86-Jährige etwas anderes: Die chronische Wunde verhinderte, dass sie ein neues Hüftgelenk bekam. Solange die Infektion am Bein nicht verschwand, war an eine Operation nicht zu denken. Und ohne neue Hüfte konnte die Patientin auch ihre Reisepläne abhaken.

Für Martin Motzkus zeigt die Geschichte einer seiner Patientinnen, wie eine hartnäckige Wunde das Leben überschatten kann. Schmerzen, eingeschränkte Beweglichkeit, weniger Lebensqualität, oft auch Scham belasten die Betroffenen, weiß der Krankenpfleger und Leiter des Wundmanagements am Evangelischen Krankenhaus Mülheim.

Klären, woher es kommt

Von einer chronischen Wunde spricht die Medizin, wenn die Hautverletzung nach vier bis zwölf Wochen nicht geheilt ist. „Viele aber haben Monate oder Jahre mit dem Problem zu kämpfen“, sagt Motzkus. Eine Hochrechnung von 2016 kommt auf rund 900 000 Betroffene in Deutschland.

Warum heilt bei ihnen die Wunde nicht? Der Hauptgrund sei, dass das Übel nicht an der Wurzel gepackt wird, beklagt Prof. Ewa Stürmer, Wundforscherin am Hamburger Uniklinikum UKE. Wundtherapie heißt für die Ärztin an erster Stelle Ursachenbekämpfung: Liegt es etwa an einer Venenschwäche, braucht der Patient eine gute Kompressionstherapie, steckt Diabetes dahinter, muss die Stoffwechselkrankheit besser behandelt und die betroffene Hautpartie, meist am Fuß, von Druck befreit werden. Mit der Lage in Deutschland ist Stürmer unzufrieden: Laut einer Studie dauere es „im Schnitt mehr als drei Jahre, bis ein Patient mit chronischer Wunde eine fachgerechte Therapie erhält“.

Stattdessen beschränke sich die Behandlung oft zu lange allein auf die Wundversorgung mit Verbandmitteln, beobachtet Kerstin Protz. „Die ist zwar wichtig“, sagt die Projektmanagerin Wundforschung am UKE, „aber sie macht den kleineren Teil der Heilung aus.“ Das Angebot an speziellen Auflagen für chronische Wunden, die der Arzt verschreiben kann, ist breit. Im Kern leisten die Produkte Ähnliches: Es geht darum, in der Wunde die Feuchtigkeit zu regulieren und die Temperatur körperwarm zu halten, damit die Reparaturprozesse in der Haut gefördert werden.

Werden die Gründe für die gestörte Wundheilung angegangen, ist die Therapie eine dankbare Sache, so Motzkus: „Dreht man an den richtigen Rädchen, heilt die Wunde oft innerhalb von Wochen.“ Gelingt das nicht, etwa weil eine Durchblutungsstörung schwer zu beheben ist, lässt sich die Wunde zumindest „kontrollieren“, so Stürmer: sodass die offene Stelle den Patienten weniger beeinträchtigt. Bei der älteren Dame hatte Motzkus Erfolg: Das offene Bein verheilte, die Hüft-OP klappte – und die Patientin konnte verreisen.

Ursachen Chronische Wunden treten sehr oft an den Beinen und den Füßen auf. Gründe sind vor allem gestörte Durchblutung, Diabetes, Venen- schwäche und zu viel Druck auf der Haut bei wenig mobilen Menschen – oft auch eine Kombination davon. Um die Ursache zu klären, hilft unter anderem ein Ultraschall-Check.

Bitte nicht! Ob Puder, Salbe oder Pflaster: An einer chronischen Wunde bitte nicht selbst herumdoktern. Holen Sie sich frühzeitig Rat beim Arzt. Zeigt beispielsweise ein aufgekratzter Mückenstich oder eine Schürfwunde nach zwei Wochen keine Besserung, zum Hausarzt gehen!

Hilfe vom Fach Wundambulanzen oder -sprechstunden an Kliniken und auch einige chirurgische und hautärztliche Praxen kümmern sich um chronische Wunden. Seit Kurzem können speziell qualifizierte ambulante Pflegedienste Wundbehandlung durchführen – auch in eigenen Räumen. Mehr Infos zum Thema unter: wundzentrum-hamburg.de

Gut zur Haut Auflagen, Wundspülungen: Das Material für die Wundversorgung zu Hause am besten in einer Plastikbox oder abgedeckt auf einem Tablett aufbewahren. Die Haut um die Wunde sollte gut gepflegt werden. Meist ist sie sehr trocken. Daher: Fettreiche Pflege mit Feuchthaltefaktoren verwenden. Am besten in der Apotheke beraten lassen.

Alltagstipps Genügend Eiweiß, Vitamine und Spurenelemente wie Zink braucht der Körper für die Wundheilung. Meist deckt man den Bedarf bereits mit einer ausgewogenen Ernährung. Wichtig ist Bewegung: Körperliche Aktivität wirkt den typischen Ursachen von chronischen Wunden entgegen und kann Schwellungen lindern.


Quellen:

  • Protz K (2022). Moderne Wundversorgung. Praxiswissen, Standards und Dokumentation. 10. Auflage. München: Reed Elsevier

  • Heyer K, Herberger K, Protz K et al.: Epidemiology of chronic wounds in Germany: Analysis of statutory health insurance data. Wound Repair and Regeneration: https://onlinelibrary.wiley.com/... (Abgerufen am 20.01.2023)