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Bergig ist es auf Ikaria. Dazu trennen mehr als 200 Kilometer Luftlinie die dünn besiedelte griechische Insel vom vernetzten Festland. Kann das ein guter Ort zum Altern sein? Die Bewohner von Ikaria würden das vermutlich bestätigen. Denn auf der Ägäis-Insel liebt man nicht nur das einfache Leben, man wird tatsächlich auch besonders alt. Das hat die Insel mit drei weiteren Regionen auf der Erde gemein: Auch auf Sardinien, auf Nicoya vor Costa Rica sowie auf der japanischen Insel Okinawa werden überdurchschnittlich viele Menschen 90 Jahre oder älter.

Diese Entdeckung machten die Forscher Michel Poulain und Gianni Pes vor mehr als 20 Jahren. Weil Demograf Poulain diese Zentren der Langlebigkeit blau auf der Landkarte markierte, bezeichnet man sie seither als Blue Zones (Blaue Zonen). Bis heute bereist und untersucht sie Poulain, um herauszufinden, was die Menschen dort am Leben hält. Tatsächlich können auch wir von ihnen über langes Leben lernen.

Es liegt in unserer Hand

Gute Gene spielen dabei selbstverständlich eine Rolle. Langlebigkeit wird oft von Eltern an ihre Kinder vererbt. Jedoch – das zeigt Poulains Forschung in den Blue Zones – ist es auch unser Lebensstil, der bestimmt, wie alt wir werden. Sieht man sich an, wie die Menschen auf Ikaria und in den anderen von Langlebigkeit geprägten Regionen leben, stellt man aber fest, dass man gar nicht in allen Blue Zones einen ähnlichen Lebensstil pflegt. „Viele journalistische Beiträge zu dem Thema legen nahe, es gäbe das eine Rezept für ein langes Leben. Aber das ist nicht der Fall“, sagt Poulain. Vielmehr müsse man schauen, welche Gewohnheiten der Menschen dort man auf den eigenen Alltag übertragen kann.

Darum hat der Demograf sieben Prinzipien für ein gesundes, langes Leben definiert, die sich vom Alltag der Blue-Zone-Bewohnerinnen und -Bewohner ableiten: bewusste Ernährung, körperliche Aktivität, die Suche nach tieferem Sinn im Leben, das Vermeiden von Stress, Engagement für unsere Umwelt sowie guter Kontakt zu unserer Familie und zur restlichen Community.

In den Blue Zones bedeutet bewusste Ernährung zum Beispiel, dass nur ein winziger Teil dessen, was man dort isst, von großen Lebensmittelkonzernen kommt. Das meiste bauen die Menschen im eigenen Dorf, gar im eigenen Garten an. „Ich finde es verrückt, was wir hier konsumieren“, sagt Poulain hingegen über stark industrialisierte Länder wie Deutschland. Er meint damit, wie verarbeitet viele unserer Produkte sind, hält es für eine Schande, dass für extrem Ungesundes hierzulande auch noch Werbung gemacht werden darf.

Ein Hoch auf das Dorf

Auf Ikaria wird so ein Essen aus regionalen Zutaten oft in großer Gesellschaft eingenommen. In manchen Nächten im Frühjahr kämen für das gemeinsame Abendessen – und zum Tanzen – in mehreren Dörfern 500 bis 1000 Leute zusammen, erzählt Poulain. In der Tat sind Gemeinschaftsgefühl und Fürsorge dort so groß, dass es kaum Pflegeheime für alte Menschen braucht. Demenz ist sowieso selten. Man wird nicht nur alt, man bleibt auch länger gesund. Es ist normal, bis ins Alter von 80 Jahren zu arbeiten und auch längere Wege zu Fuß zu erledigen.

Paradiesisch, für uns fast unerreichbar, klingt diese Vorstellung vom gesunden Altern. Vorsätzlich in die Blue Zones ziehen, würde Poulain allein deswegen aber nicht. „Dafür sind wir gar nicht gemacht“, sagt er. Unmöglich sei es aber keineswegs, dass auch wir sehr alt werden. „Es ist nie zu spät, gesund zu leben! Je früher man jedoch damit beginnt, umso besser.“