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„Wir feiern erst an
Silvester“

Alba, 21, und ihr Mann Fatlind, 29,
mit Baby Loar, 8 Monate

Alba: „Weihnachten feiern wir, wie im Kosovo, am 31. Dezember. Wir sind muslimisch. Meine Eltern kamen vor 16 Jahren mit uns nach Deutschland, deshalb bin ich mit beiden Traditionen vertraut: Im Kosovo kommt der Weihnachtsmann, in Bayern eben das Christkind. Als wir eingewandert sind, war ich fünf Jahre alt, meine vier Geschwister waren noch jünger. Meine Eltern hatten damals kein Geld für Geschenke, aber unsere deutschen Nachbarinnen brachten uns am 23. Dezember Päckchen vorbei. Ich weiß noch, wie aufgeregt wir waren. Wir bettelten unsere Eltern an und durften die Geschenke schließlich schon am 24.12. öffnen – wie die deutschen Kinder. Von Anfang an hatten wir also zwei Weihnachten. Und sogar einen Schoko-Adventskalender! Meine Mama hat es nicht übers Herz gebracht, keinen zu kaufen – obwohl wir uns das eigentlich nicht leisten konnten. Mein Mann, unser Sohn und ich feiern inzwischen wieder traditionell an Silvester. Wenn wir über die Feiertage in Deutschland sind, stellen wir vorher einen Baum auf, die Lichter gehen aber erst am 31.12. an. Die ganze Familie kommt bei meinen Eltern zusammen – wir sind zwischen 20 und 30 Leute. Schon morgens wird gekocht – Huhn oder Ente mit Salaten –, wir legen Hip-Hop-Musik auf, tanzen und essen die ganze Zeit. Erst kurz vor Mitternacht ist Bescherung – die Kinder dürfen aufbleiben. Danach gehen wir raus und sehen das Feuerwerk an. In diesem Jahr feiern wir mit der ganzen Familie im Kosovo, da sieht Loar mehr von unseren Bräuchen.

„Für uns ist der
24. ein Arbeitstag“

Kiyumi, 37,
und Hiroyoshi, 36,
mit Sohn
Kento, 5

Kiyumi: „Am 24. Dezember arbeiten wir ganz normal, nach dem Abendessen gibt es Kuchen. Doch seit unser Sohn Kento auf der Welt ist, machen wir Ausnahmen. Das fängt beim Weihnachtsbaum an: Kento war noch ein Baby und wir gerade aus Japan nach Deutschland gezogen, da sah ich diese riesige Tanne mit typisch deutschem Weihnachtsschmuck auf dem Weihnachtsmarkt und wusste: So eine möchte ich auch! Seitdem stellen wir im Dezember einen künstlichen Tannenbaum auf und hängen kleine Musikinstrumente an die Zweige. In der Nacht auf den 25. lege ich Kento ein Päckchen auf sein Kissen – im Namen vom Weihnachtsmann. Mein Mann und ich beschenken uns auch, und es gibt einen Adventskalender für Kento. Das kennt er aus dem Kindergarten. Er geht in eine deutsch-japanische Einrichtung und bringt die Rituale der deutschen Kinder mit in die Familie. Dafür essen seine Kindergartenfreunde am liebsten japanische Reisbällchen. Wir finden den Austausch gut, Kento soll dazugehören. Einen Unterschied gibt es aber: Unser Baum wird gleich am 25. wieder abgebaut, denn dann bereiten wir alles für unser Neujahrsfest am 1. Januar vor – für uns das wichtigste Fest des Jahres. Raketen an Silvester kennen wir nicht, wir sitzen am 31. vor dem Fernseher. Dafür feiern wir Japaner Neujahr mit einem großen Essen und Reiskuchen, gehen zum Schrein, um Münzen zu werfen. Der Gang zum Schrein fehlt mir in Deutschland. Doch seit wir eine Katze haben, können wir nicht mehr so einfach in die Heimat fliegen.“

„Früher hat uns die Nachbarin an Heiligabend eingeladen“

Lamia, 34, mit Mina, 8,
Ama, 6, und Lia,
9 Monate

Lamia: „Mein Mann und ich sind in Deutschland geboren und aufgewachsen. Trotzdem erziehen wir unsere Kinder muslimisch. Sie gehen auf eine deutsche Schule und einmal die Woche zum Arabischunterricht. Genauso vereinen wir beide Kulturen: Wir feiern das Zuckerfest und halten Ramadan, aber haben auch christliche Feste übernommen. Schon als Kind durfte ich Weihnachten feiern – die Nachbarin hat mich und meine Geschwister an Heiligabend eingeladen. Ich weiß heute noch, wie wir warteten, bis das Glöckchen klingelte. Danach wurde Klavier gespielt und wir durften unser Geschenk auspacken. Meine Eltern haben nicht gefeiert, aber es war okay, wenn wir das taten. Auch mein Mann hatte an Nikolaus Schokolade im Schuh. Inzwischen feiern wir Weihnachten ähnlich wie die Christen: mit Baum und Kindern bei meiner Schwester, sie hat das vor Jahren wegen ihrer Kinder eingeführt. Es gibt Geschenke und ein Büfett mit deutschen und marokkanischen Spezialitäten: Rotkohl, Rinderbraten und Minztee. Auf meinem Instagram-Kanal merke ich, wie stark die Meinungen auseinandergehen. Ich werde von beiden Seiten kritisiert. Ein paar muslimische Abonnenten sagen: ‚Wieso feierst du Weihnachten? Dann gehörst du nicht zu uns!‘ Und Christen fragen: ‚Warum feierst du? Du bist doch keine Christin!‘ So ist das: Ich stehe zwischen den Kulturen. Dafür verstehen meine Kinder umso besser, was zu welchem Glauben gehört. Für mich ist die Weihnachtszeit etwas Magisches – sobald die Kinder alt genug sind, hat sich das erledigt. Bis dahin mache ich gerne mit!“