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Kostenfaktor: Können wir uns ein zweites Kind leisten?

Ein Kind kostet in Deutschland durchschnittlich 763 Euro im Monat – das hat das Statistische Bundesamt ausgerechnet. So kommen Eltern auf knapp 165 000 Euro bis zur Volljährigkeit. Die gute Nachricht: Mit steigender Kinderzahl sinken die Ausgaben, das zweite Kind kostet bis zum 18. Lebensjahr 27 000 Euro weniger. Und: Die Familie ­bekommt mit mehr Nachwuchs ja auch mehr Kindergeld – aktuell sind es 250 Euro monatlich pro Kind. Kleidung, Kinderwagen und Babybettchen hat man vielleicht aufgehoben, sie können problemlos eine zweite Runde drehen. Und weil Eltern über das erste Kind bereits andere Familien kennen, kann man sich bestimmt auch mal etwas ausleihen, beispielsweise Wippe, Laufrad oder Klamotten in einer anderen Farbe.

Im Alltag sparen geht so: Anstatt Eintritt im Tierpark zahlen einfach mal durch den Wald streifen – zum Nulltarif. Almut Weise, Beraterin bei ProFamilia in Berlin, rät Eltern, für drei Monate ein Haushaltsbuch zu führen, um Ausgaben festzuhalten und herauszufinden, wo es Einsparpotenzial gibt. Ihrer Erfahrung nach denken viele Eltern vor allem an später, fragen sich: Werden wir Ausbildung oder Studium der Kinder finanziell stemmen können? „Zum Glück gibt es Stipendien und BAföG. Sobald der Wunsch nach einem zweiten Kind da ist, sollte das Finanzielle nicht der Grund sein, sich dagegen zu entscheiden“, sagt Almut Weise.

Karrierefaktor: Was wird aus dem Job?

Kleine Kinder werden häufig krank. Erst mit etwa zehn Jahren ist ihr Immunsystem stabil. Mehr Kinder bedeuten deshalb: mehr Krankheiten und damit Dienstausfälle. Die Betreuungssituation spitzt sich insgesamt zu. Zwei oder mehr Kinder müssen in Kita und Schule gebracht werden, zwei Kinder haben nachmittags Hobbys. Das sind mehr Wege für die Eltern und mehr Organisation. Betrachtet man das gesamte Berufsleben, dann sind es etwa zehn bis zwölf Jahre, in denen Mütter und Väter durch ihre Kinder beruflich stark eingeschränkt sind.

Aber: Wir arbeiten, bis wir 67 Jahre alt sind. Haben also viel Zeit, Karriereschritte nachzuholen, wenn die Kinder älter sind und es gar nicht schlimm finden, nachmittags mal sturmfreie Bude zu haben. In Zeiten von Arbeitskräftemangel werden sich berufliche Chancen auch noch in der Lebensmitte auftun. Almut Weise rät Eltern, Absprachen zu treffen, etwa so: „Du steckst jetzt beruflich zurück, dafür ermögliche ich dir in den nächsten Jahren, zwei Tage die Woche open end im Büro zu bleiben.“

Geschwisterfaktor: Was passiert mit der Familiendynamik?

Mit jedem neuen Mitglied muss sich eine Familie neu sortieren. „Es kann bis zu 24 Monate dauern, bis sich alles wieder eingespielt und jeder seinen Platz gefunden hat“, sagt Erziehungsexpertin Nicola Schmidt aus Alfter. Problematisch wird es häufig dann, wenn der Altersabstand nicht sehr groß ist. Man sagt: Dann spielen sie so schön miteinander. In der Realität sind aber die ersten ein, zwei Jahre für die Eltern hart. Mit zwei Kindern unter drei Jahren habe man eigentlich zwei Babys im Haus, meint Nicola Schmidt und ergänzt: „Dafür sind wir Menschen nicht gemacht. Die Forschung zeigt, dass es mit drei oder mehr Jahren Abstand wesentlich einfacher für fast alle Eltern wird, vor allem in der ersten Zeit.“

Auf der anderen Seite: Wenn sie sich später tatsächlich miteinander beschäftigen, ist das wunderschön. Expertin Schmidt: „Geschwister können einander viel geben – wenn wir ihnen beibringen, ein Team zu sein und ihre Konflikte zu lösen. Dann sind Geschwister ein Segen fürs Leben – sie können miteinander alt werden.“

Kraftfaktor: Schaffen wir das überhaupt?

Die gute Nachricht: Der Tagesablauf ändert sich nicht mit einem weiteren Kind. Der Alltag ist ohnehin schon kindgerecht: früh aufstehen (auch am Wochenende), feste Mahlzeiten, Mittagsschlaf, häufige Spielplatz-Besuche und abends zeitig ins Bett. Aber: Kümmerte sich in Einzelkind-Familien bisher ein Erwachsener um das Kind, hatte der andere ­Erwachsene „frei“. Mit einem Kind und einem Baby wird eine solche Aufteilung weitaus schwieriger, die Pausen werden weniger. Nicola Schmidt rät Eltern, sich folgende Fragen zu stellen: Kann mein großes Kind warten? Konnte ich mich von Schwangerschaft und Geburt erholen? Bin ich psychisch stabil oder gereizt, negativ und in Angst? „Jedes weitere Kind bringt viel Freude, aber auch Herausforderungen mit sich. Am Ende zählt, ob die Familie dieser Herausforderung jetzt gewachsen ist“, sagt Schmidt. Dabei sollten Eltern auch bedenken, dass ein weiteres Kind behindert sein kann, dass es Zwillinge werden könnten, dass es zu einer Frühgeburt kommen kann, die die Mutter lange ins Krankenhaus zwingt. „Kann mein erstes Kind damit umgehen und was machen wir dann? Es hilft, das zu durchdenken, damit man vorbereitet ist. Und dann ist es eine höchst individuelle Entscheidung, die Eltern vor allem gemeinsam treffen sollten.“

Auch wichtig: Überlegen, wer im Alltag helfen könnte. Selbst wenn viele Familien heute weit weg von den Großeltern leben, gibt es über die Kita hinaus Möglichkeiten, Hilfe und Unterstützung zu bekommen, etwa durch Babysitter, Wahlverwandtschaften, Patentanten- und onkel oder aber: „Mit befreundeten Familien für die Wochenenden so absprechen, dass mal eine Seite alle Kinder hat und ein Paar frei und am nächsten Wochenende dann umgekehrt. Es geht darum, sich selbst das erweiterte Dorf der modernen Zeit aufzubauen“, sagt Nicola Schmidt.

Platzfaktor: Was, wenn die Wohnung zu klein ist?­

Neben Singles mit geringem Einkommen sind Familien die ­Bevölkerungsgruppe, die am meisten unter der aktuellen Wohnungsknappheit in Städten leidet. Denn: Kinder brauchen Platz. Viele Eltern wünschen sich für jedes ihrer Kinder ein eigenes Zimmer – aber ist das zwingend notwendig? „Heute müssen sich viele Familien mit alternativen Wohnkonzepten auseinandersetzen“, sagt Almut Weise. Die können so aussehen: Die Familie bleibt in ihrer bisherigen Wohnung und ein Tischler zieht eine zweite Ebene ein, um aus dem Kinderzimmer zwei Räume zu machen. Oder: Es gibt ein Familienschlafzimmer und ein Spielzimmer. Oder: Der Schreibtisch des Schulkinds steht im Elternschlafzimmer, damit es in Ruhe Hausaufgaben machen kann. „Eltern können sich auch überlegen, ob ihre Kinder unbedingt in der Stadt aufwachsen müssen. Meistens gibt es in ländlicheren Regionen mehr Wohnraum für den gleichen Preis“, gibt Almut Weise zu bedenken.


Quellen:

  • Statistisches Bundesamt: Zahl der Woche: 763 Euro im Monat geben Paare mit einem Kind für den Nachwuchs aus. https://www.destatis.de/... (Abgerufen am 26.09.2023)
  • Deutsche Gesellschaft für Immunologie: Das angeborene und das erworbene Immunsystem . https://das-immunsystem.de/... (Abgerufen am 26.09.2023)
  • Hans-Böckler-Stiftung: Wohnungsnot in Großstädten . https://www.boeckler.de/... (Abgerufen am 26.09.2023)
  • Interview mit Almut Weise, Beraterin bei ProFamilia in Berlin.

  • Interview mit Erziehungsexpertin Nicola Schmidt.