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Gleich vorweg: Ich habe zwei meiner drei Kinder testen lassen — auf Insel-­Autoantikörper. Alles, was man dafür braucht, ist ein bisschen Blut. Lassen sich darin zwei oder mehr Antikörper nachweisen, ist es sehr wahrscheinlich, dass das Kind einen Typ-1-Diabetes bekommt.

Mein Mann und ich haben uns für die Testung entschieden, weil bei Konstantin, unserem Mittleren, mit neun Jahren Typ-1-Diabetes diagnostiziert wurde. Wir wollten wissen, ob wir auch bei den anderen damit rechnen müssen. In Deutschland gibt es Pilotprojekte und groß angelegte Studien wie „Fr1da“ oder „Freder1k“, im Rahmen derer ein Screening entweder auf Antikörper oder auf ein genetisches Risiko möglich ist. Das Ziel der Stu­dien: Diabetes besser zu verstehen und neue Behandlungsmethoden zu entwickeln.

Als das Ergebnis kam, waren wir erleichtert. Bei Konstantins Geschwistern geht das Diabetes-Risiko gegen null. Allerdings war unsere Tochter bei dem Test erst knapp zwei Jahre alt. Deshalb wurde uns geraten, sie um den sechsten Geburtstag herum erneut testen zu lassen.

Hin- und hergerissen

Heute weiß ich: Selbst wenn wir bei ­einem neuen Test ein positives Ergebnis erhalten, lässt sich nicht sagen, ob und wann der Diabetes „ausbricht“. Genau deshalb spricht sich die Diabetologin Prof. Dr. Beate Karges, die an der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin im Bethlehem Gesundheitszentrum Stolberg tätig ist, gegen ein generelles Screening bei Kindern aus. Sie befürchtet, man würde den Kindern mit auffälligen Ergebnissen „die Unbefangenheit nehmen“. Ich weiß tatsächlich nicht, was es mit mir machen würde und ob ich meine Tochter dann mit anderen Augen sehen würde.

Aber es gibt auch gute Argumente für ein flächendeckendes Screening. Dia­betesforscher Prof. Dr. Peter Achenbach vom Helmholtz Zentrum München betont, dass sich damit die Zahl potenziell lebensgefährlicher Ketoazidosen zu Beginn der Erkrankung senken ließe. Noch immer liegt die Quote bei 25 bis 30 Prozent. Daneben wären Eltern bei der Manifestation des Diabetes gelassener, weil sie bereits beim Nachweis der Insel-Autoantikörper über erste Anzeichen und Symptome der Erkrankung aufgeklärt würden. Da ist sicher etwas dran. Wir als Familie wurden von der Diagnose völlig überrollt. Mehr Infos zu Typ-1-Diabetes, etwa durch Kampagnen oder Kinderärztinnen und -ärzte, wären hilfreich. Rückblickend hätte ich mir das gewünscht.

Ob wir unsere Tochter erneut testen lassen, und sei es nur für die Forschung? Darüber grübeln wir noch.


Quellen:

  • Institut für Diabetesforschung Helmholtz Zentrum München : FREDER1K-STUDIE, Ein erhöhtes Typ-1-Diabetesrisiko früh erkennen und vorbeugend handeln. Online: https://www.gppad.org/... (Abgerufen am 20.11.2023)
  • Karges B; Prinz N ; Placzek K et al.: A Comparison of Familial and Sporadic Type 1 Diabetes Among Young Patients Beate Karges ORCID logo ; Nicole Prinz ORCID logo ; Kerstin Placzek. Online: https://diabetesjournals.org/... (Abgerufen am 13.11.2023)
  • Sandra Hummel, Johanna Carl, Nadine Friedl: Children diagnosed with presymptomatic type 1 diabetes through public health screening have milder diabetes at clinical manifestation. Online: https://link.springer.com/... (Abgerufen am 13.11.2023)
  • Weiss A, Zapardiel-Gonzalo J, Voss F et al.: Progression likelihood score identifies substages of presymptomatic type 1 diabetes in childhood public health screening. Online: https://link.springer.com/... (Abgerufen am 14.11.2023)
  • Ziegler A, Karges B im Deutschen Aerzteblatt: RO & KONTRA: Freiwilliges Screening auf Typ-1-Diabetes . Online: https://www.aerzteblatt.de/... (Abgerufen am 13.11.2023)
  • Lord S. Greenbaum C: Insulin ist notwendig, aber nicht ausreichend: Paradigmenwechsel in der Behandlung des Typ-1-Diabetes . Online: https://karger.com/... (Abgerufen am 14.11.2023)