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Welche Zielwerte für den Blutzucker gelten im Alter?

Das hängt von der individuellen Situation ab“, sagt Dr. Andrej Zeyfang, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin, Altersmedizin und Diabetologie der Medius-Klinik Ostfildern-Ruit. Wer körperlich und geistig fit ist, kann oft wie Jüngere einen Langzeitwert HbA1c zwischen 6,5 und 7,5 Prozent (48 bis 58 mmol/mol) anstreben. Bei Einschränkungen ist meist ein etwas höherer Zielwert sinnvoll, aber unter 8,5 Prozent (69 mmol/mol). Be­sonders wichtig ist es, Unterzucker­ungen zu vermeiden. Sie erhöhen die Sturzgefahr, fördern Demenz und gefährden das Herz. Nachts und vor Mahlzeiten sollte der Wert nicht unter 100 mg/dl (5,6 mmol/l) liegen. Ungünstig sind aber auch ständig erhöhte Zuckerspiegel. Diese können altersbedingte Probleme verstärken.

Welche Medikamente eignen sich für Ältere mit Typ-2-Diabetes?

Metformin-Tabletten können bei Bedarf um DPP-4-Hemmer (Gliptine), SGLT-2-Hemmer (Gliflozine) oder GLP-1-Analoga (Glutide) ergänzt werden. Letztere spritzt man. „Ältere profitieren besonders von Gliflozinen und Glutiden, weil sie Herz- und Nierenfunktion verbessern“, so Zeyfang. Bei akuten Erkrankungen oder ungewolltem Gewichtsverlust (abklären lassen!) eignen sie sich nicht. Sulfonylharnstoffe (z. B. Glibenclamid, Glimepirid) eignen sich weniger, da sie im Alter das Unterzucker-Risiko besonders erhöhen. Eine Insulintherapie zu beginnen kann auch im hohen Alter sinnvoll sein. „Etwa, um wieder zuzunehmen und den Muskelaufbau zu fördern — oder einfach, um weniger Medikamente einnehmen zu müssen“, sagt Zeyfang. Medikation regelmäßig prüfen lassen. Die Apotheke berät und hilft in Absprache mit Ärztin oder Arzt dabei.

Gesunder Lebensstil: ­Worauf kommt es jetzt an?­

Lange vergeblich gegen überzählige Pfunde angekämpft? Das kann jetzt zum Vorteil werden. „Ein leichtes und vor allem gut verteiltes Über­gewicht bietet im Alter Schutz gegen den Verlust von Ausdauer, Kraft und Muskelmasse“, sagt Zeyfang. Unbedingt eine gute Sache: mit Bewegung Gebrechlichkeit vorbeugen. „Jede Aktivität zählt, auch ein Spaziergang“, so Zeyfang. Infos zu Bewegungsangeboten für Ältere gibt es bei Arzt oder Krankenkasse. Kostenlose Übungsvideos etwa hier: a-u.de/!1035849. In Absprache mit dem Arzt auf eher eiweißreiche Kost achten. Das fördert — besonders in Kombination mit Krafttraining — den Muskelaufbau. Gute Eiweißquellen für Ältere mit Diabetes: Milch, Milch- und Vollkornprodukte, Hülsen­früchte, Eier, Fisch, mageres Fleisch.

Gibt es für ältere Menschen mit Diabetes spezielle ­Schulungen?

Das strukturierte geriatrische Schulungsprogramm SGS wurde speziell für ältere Menschen mit Typ-2-Diabe­tes entwickelt. Es vermittelt in ­kleinen Gruppen vor allem praktische Fähigkeiten, etwa wie man richtig Insulin spritzt und Blutzucker misst. Auch Angehörige können teilnehmen. Das SGS ist anerkannt, es kann im Rahmen des Disease-­Management-Programms (DMP) für Typ-2-Diabetes angewendet wer­den. Bei Interesse Hausarzt oder Diabetologin fragen.

Profitieren ältere Menschen mit Typ 1 von Insulinpumpen und Glukosesensoren?

„Ja, wenn sie diese Techniken nutzen wollen und können“, sagt Prof. Dr. Thomas Haak, Chefarzt des Diabetes Zen­trums Mergentheim. Sensoren, die den Zuckerspiegel ständig messen und bei kritischen Werten alarmieren, können Unter- und Überzuckerung reduzieren und den HbA1c-Wert verbessern. Auch von der Kopplung der Sensoren mit einer Insulinpumpe können Ältere ­profitieren. Wenn möglich, sollte die vertraute Therapie beibehalten werden. „Wird der Umgang mit der Technik aber zu schwierig, leidet die Lebensqualität. Dann sollte man die Therapie vereinfachen“, so Haak. Ebenso, wenn Pflegekräfte übernehmen, die nicht entsprechend geschult sind.

Was ist bei Blutzuckermessgeräten und Insulinpens wichtig?

„Die Geräte sollten einfach zu bedienen und selbsterklärend sein“, so Zeyfang. Das Diabetesteam kann dazu beraten. Bei Messgeräten ist eine gut lesbare Anzeige wichtig. Hilfreich sind große Teststreifen. Manche Geräte sagen das Ergebnis an. Bei Pens sollte der Dosierknopf gut zu drücken sein. Besonders einfach zu handhaben sind Fertigpens, da der Patronenwechsel entfällt. Bei einer intensivierten Insulintherapie erhöhen Glukosesensoren die Sicherheit (siehe oben) und ersparen häufiges Messen per Fingerpiks.

Wie finde ich einen Pflegedienst oder ein Pflegeheim, die diabeteserfahren sind?

Es gibt keine auf Diabetes spezialisierten Pflegeheime oder -dienste. Dafür aber zunehmend Pflegekräfte, die eine von der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) ­zertifizierte Fortbildung absolviert haben: „Basisqualifikation Diabetes ­Pflege“ oder „Diabetes-Pflegefachkraft DDG (Langzeit)“. Wer auf Diabetes spezialisierte Pflege sucht, fragt bei Pflegediensten oder in Heimen nach, ob Pflegekräfte im Team diese Fortbildungen absolviert haben, rät Andrej Zeyfang. Und ob es eine Zusammenarbeit mit Spezialisten gibt, etwa medizinischen Fußpflegern und Diabetologinnen. „Grundsätzlich könnten auch externe Diabetesberaterinnen und -berater Pflegebedürftige unterstützen: per Telemedizin oder wöchentlicher ­Visite“, meint Thomas Haak. Doch das sei derzeit Zukunftsmusik.


Quellen:

  • Eckardt-Felmberg R: Senioren mit Diabetes: Lebensqualität vor strenger Blutzuckereinstellung. In: Deutsches Ärzteblatt Supplement Perspektiven der Diabetologie: 01.01.2018, https://doi.org/...
  • Hauner H: Nichtmedikamentöse Behandlung alter Menschen mit Diabetes. In: Die Diabetologie: 20.09.2023, https://doi.org/...
  • Wenecke J: Behandlung von alten Menschen mit Typ-2-Diabetes. In: Die Diabetologie: 16.08.2023, https://doi.org/...
  • Deutsche Diabetes Gesellschaft: DDG-Praxisempfehlung Diabetes mellitus im Alter. In: Die Diabetologie: 01.12.2020, https://doi.org/...