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Plötzlich sind da kahle, münzgroße Stellen auf der Kopfhaut. Manchmal werden sie größer. Auch am Bart oder an anderen Körperstellen können die Lücken entstehen: Kreisrunder Haarausfall, auch Alopecia areata genannt, ist zwar harmlos, belastet Betroffene aber stark. Rund 1,7 Millionen Menschen leben in Deutschland damit. Ursache ist vermutlich eine Fehlfunktion des Immunsystems, bei der die körper-
eigene Abwehr die Haarwurzeln angreift. Deshalb gilt Alopecia areata als Autoimmunerkrankung. Auch äußere Einflüsse wie Stress oder Virusinfekte könnten bei entsprechend veranlagten Menschen eine Rolle spielen. Alopecia areata tritt häufiger zusammen mit anderen Autoimmunkrankheiten auf – auch mit Diabetes Typ 1. So sind manchmal die Blutzuckerwerte bei kreisrundem Haarausfall erhöht. „Deshalb zur Sicherheit auch diese prüfen lassen“, rät Prof. Dr. Karsten Müssig, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin, Gastroenterologie und Diabetologie am Franziskus-Hospital Harderberg.

Therapie mit Nebenwirkung

Betroffene wollen, dass die Kahlstellen verschwinden. Tatsächlich wachsen die Haare bei über 50 Prozent innerhalb eines Jahres spontan nach. Oft kommt der kreisrunde Haarausfall aber irgendwann wieder. Medikamente gegen die Erkrankung sind umstritten, weil sie starke Nebenwirkungen haben können. Vielfach werden entzündungshemmende Präparate mit Kortison verabreicht. Es gibt sie als Lösung oder Shampoo zum Auftragen auf die Kopfhaut oder – bei schweren Fällen – in Tablettenform oder als Spritze. Bei Diabetes kann dadurch der Blutzuckerspiegel ansteigen. Deshalb gilt: Blutzucker regelmäßig kontrollieren und wenn nötig die Insulindosis anpassen. Eine Alternative ist, die Immunabwehr quasi abzulenken. Dabei wird die Kopfhaut mit einer reizenden Tinktur behandelt, was zu einer leichten Entzündung führt. Das nennt man topische Sensibilisierung oder topische Reiztherapie. Statt die Haarwurzeln weiter anzugreifen, werden die Immunzellen animiert, die Entzündung zu heilen. Bei schwerer Alopecia areata kommen das Immunsystem hemmende Medikamente infrage, die aber viele Nebenwirkungen haben. „Und sie erhöhen das Risiko für schwere Infekte“, so Müssig. Das gilt auch für speziell für Alopecia areata zugelassene Arzneien wie etwa den Januskinase(JAK)-Inhibitor Baricitinib.

Geduld ist gefragt

Eine Garantie, dass die Medikamente wirken, gibt es nicht. Und sie müssen meist selbst bezahlt werden. Da sie nur den Haarwuchs verbessern, gelten sie als „Lifestyle-Arzneimittel“. Beim kreisrunden Haarausfall ist daher vor allem Geduld gefragt.


Quellen:

  • Dimitra Aikaterini Lintzeri, Andria Constantinou, Kathrin Hillmann, et al.: Alopecia areata – Aktuelles Verständnis und Management. In: JDDG Journal of the German Society of Dermatology : 18.01.2022, https://doi.org/...
  • Ralf Paus, Silvia Bulfone-Paus, Marta Bertolini et al.: Hair Follicle Immune Privilege Revisited: The Key to Alopecia Areata Management. In: Journal of Investigative Dermatology: 01.01.2018, https://doi.org/...
  • Thomas A. Rodriguez, Kerri E. Fernandes Kelly L. Dresser, et al.: Concordance rate of alopecia areata in identical twins supports both genetic and environmental factors. In: JAAD Journal of the American Academy of Dermatology: 01.03.2010, https://doi.org/...
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  • A.G. Messenger, J. McKillop, P. Farrant, et al.: British Association of Dermatologists’ guidelines for the management of alopecia areata 2012. In: British Journal of Dermatology: 01.05.2012, https://doi.org/...