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Nur noch 35,5 Prozent der Betroffenen mit Diabetes Typ 1 nutzen laut Digitalisierungs- und Technologiereport Diabetes 2022 die konventionelle Pen-Therapie um ihre Erkrankung zu managen. 2019 waren es dagegen noch knapp 50 Prozent. Wir stellen Ihnen drei Menschen vor, die entgegen dieses Trends ganz bewusst eine Rolle rückwärts eingelegt haben.

„Es sollte jederzeit möglich sein, die Therapie den
Lebensumständen anzupassen“

Tobias Schröder, 30, aus Berlin, Typ-1-Diabetes seit 2009

Ein Jahrzehnt lang bin ich mit Pumpentherapie richtig gut gefahren. Dann kamen neue Systeme auf den Markt, die etwa abschalten konnten, wenn der Blutzucker absank. Deshalb wechselte ich das Modell. Allerdings hatte ich wohl eine Pumpencharge erwischt, die kaputt war. So ist das Insulin nicht in mir, sondern im Gerät gelandet. Die Folge: eine Ketoazidose. Nach dieser Stoffwechselentgleisung vertraute ich der Technik nicht mehr und spritzte mich mit einem Insulinpen. Dazu kam, dass ich damals als operationstechnischer Assistent im OP gearbeitet habe. Mit Pumpe war das immer nervig. Die mussten nämlich meine Kolleginnen bedienen. Für sie war das auch anstrengend, weil sie ja mein System nicht kannten und ich immer alles erklären musste. Mit Pen hat das dann besser funktioniert. Trotzdem hat die Pen-­Therapie auch Nachteile: Zum Beispiel nimmt mein Umfeld meine Erkrankung nicht so ernst. Wenn ich sichtbar eine Pumpe trage mit Schlauch und allem Drum und Dran, scheint das für Außenstehende ernsthafter zu wirken, leider. ­Daneben sind Feinheiten, wie Bolus­abgaben über mehrere Stunden nach besonders fettreichen Mahlzeiten, nicht möglich. Dann muss ich mit Pen öfter korrigieren. Bald soll eine neue ­Patchpumpe auf den Markt kommen. Ohne Schlauch und nerviges Hängenbleiben und Katheter herausreißen. Dieses System möchte ich ausprobieren.

„Ich fühle mich meinem Körper wieder näher“

Michelle Schmidt, 27, aus Efringen-Kirchen, Typ-3c-Diabetes:

Schon kurz nach meiner Geburt musste mir die Bauchspeicheldrüse entfernt werden. Ich kenne also ein Leben ohne Diabetes nicht. Bis zu meinem 14. Lebensjahr habe ich mit Pen gespritzt. Dann bin ich auf die Pumpe umgestiegen. Seitdem ich als Dia-Coach arbeite und auf Instagram Tipps rund um Diabetes weitergebe, habe ich eine gewisse Vorbildfunktion. Ich achte auf mich und bin diszipliniert. Irgendwann fragten Follower nach, ob es bei mir nur so gut läuft, weil ich eine Insulinpumpe mit Closed-Loop-System trage. Da dachte ich: Challenge accepted! Nach Rücksprache mit meinem Diabetologen bin ich vor fünf Monaten auf den Pen umgestiegen. Es hat ein paar Tage gedauert, bis die Dosierung für das Langzeitinsulin gepasst hat. Ich bin zu 1000 Prozent davon überzeugt, dass man mit dieser Therapieform genauso gute Werte erreichen kann wie mit einem Closed-Loop-System. Weil ich nun alles wieder selbst manage und mich nicht auf die Pumpe verlassen kann, sehe ich, was mein Körper braucht. Und es hat weitere Vorteile: Früher musste ich überlegen, wo ich die Pumpe ablege, wenn ich auf die Toilette wollte. Nun kann ich auch Kleider tragen ohne Pumpengürtel und Co. oder ohne das Teil in den BH zu stopfen. Zudem genieße ich es, stundenlang in der Wanne zu liegen, ohne nachdenken zu müssen, dass ich ja Basalinsulin brauche und mich zwischendurch anstöpseln muss. Ein ganz neues Lebensgefühl. Ich bleibe also erst mal beim Pen.

„Mit der Pumpe wird man ganz schön faul“

Lena Schauder, 28, aus Braunschweig, Typ-1-Diabetes seit 2007:

Ich befinde mich gerade mit meinem Freund auf Weltreise. Erst waren wir fünf Monate in ­Südostasien unterwegs. Jetzt sind wir in Australien. Als ich für die Reise zur Probe die ­Taschen gepackt habe, habe ich gemerkt, wie viel mehr Equipment mit einem Pumpensystem notwendig ist. Also habe ich mich aus ­pragmatischen Gründen dafür entschieden, auf Pen umzusteigen. Davon ­abgesehen habe ich die Pumpe immer als Fremdkörper empfunden. Jetzt fühle ich mich so viel freier. Und ich muss zugeben, dass ich mit meinem Closed-­Loop-System, das ich vorher ­hatte, ganz schön faul ­geworden war. Es ist so leicht, auf den Knopf zu ­drücken, ohne sich damit auseinanderzusetzen. Gerade bei Korrekturen. Ich habe mir dann die Dosis abgegeben, die die Pumpe vorgeschlagen hat, und mich öfter in den Unterzucker katapultiert. Das Gerät weiß ja nicht, in welcher Zyklusphase ich mich gerade befinde oder ob ich gerade Stress habe. Ich bin so froh, dass ich diesen Schritt gegangen bin. Ich habe das Gefühl, nicht nur auf Weltreise zu sein, sondern auch auf einer Reise mit ­meinem Diabetes – bei der ich meinen Körper viel besser kennenlerne. Nur auf den Glukosesensor möchte ich nicht verzichten. Das Teil ist ein Game­changer! Gerade macht es mir einfach viel Spaß, meine Zuckerwerte zu analysieren und zu schauen, wann sie in den Keller gehen und wann sie ansteigen. Eine einzige Sache stört mich an der Pen-Therapie: das mehrmalige Spritzen über den Tag verteilt. Das nehme ich aber gern in Kauf, um mich frei zu fühlen, ganz ohne Fremdkörper. Ich kann mir vorstellen, dass ich bei der Pen-Therapie bleibe. Auch nach unserer Reise, wenn ich wieder zurück in Deutschland bin.


Quellen:

  • Kulzer B, Heinemann L: Digitalisierungs- und Technologiereport Diabetes, Umfrage Menschen mit Diabetes. Online: https://www.dut-report.de/... (Abgerufen am 10.10.2023)