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Jedes Haar zählt

Dass wir Haare verlieren, ist normal. Jedes Haar hört nach etwa zwei bis sechs Jahren auf zu wachsen und fällt nach einer mehrmonatigen Ruhephase schließlich aus. Dafür wächst ein neues nach. Von Haarausfall sprechen Experten, wenn über Wochen täglich mehr als etwa 100 Haare ausfallen oder einzelne kahle Stellen entstehen. „Wer bei sich Haarausfall vermutet, sollte für ein paar Tage zählen, wie viele Haare täglich verloren gehen und dies dokumentieren“, rät Professor Michael Sticherling, stellvertretender Direktor der Universitäts-Hautklinik Erlangen. Tipp: Haare täglich auskämmen, zum Zählen in einem Umschlag sammeln.

Von wegen Männersache!

Die häufigste Form des Haar­ausfalls ist die androgenetische Alopezie. Dabei reagieren die Haarwurzeln aufgrund einer erblichen Veranlagung überempfindlich auf männliche Hormone (Androgene). Betroffen sind mit zunehmendem Alter bis zu 70 Prozent der Männer und 40 Prozent der Frauen. Bei ihnen lichten sich die Haare erst am Scheitel. Bei Männern beginnt es meist mit Geheimratsecken.Diese können sich durch einen Überschuss an männlichen Hormonen auch bei Frauen bilden.
Beim diffusen Haarausfall dünnt das Haar gleichmäßig aus. Zu den vielen möglichen Ursachen gehören etwa Medikamente, Infektionen, Stress, hormonelle Schwankungen nach der Geburt, An- und Absetzen der Pille, Eisenmangel, einseitige Ernährung, Schilddrüsenfunktionsstörungen. Letztere sind besonders bei Frauen mit Diabetes häufig.
Sehr selten ist der kreisrunde Haarausfall (Alopecia areata). Dabei bilden sich plötzlich kahle rundliche Stellen am Kopf. Im Extremfall fallen alle Körperhaare aus. Ursache ist vermutlich eine Fehlreaktion des Immunsystems. Bei Diabetes Typ 1 tritt kreisrunder Haarausfall etwas häufiger auf.

Spurensuche beim Arzt

Zur Diagnose beim Hautarzt gehören eine Befragung, um mögliche Haarausfall-Auslöser aufzuspüren, eine Inspektion der Kopfhaut, je nach Verdacht eine Blutuntersuchung, manchmal eine Haarwurzelanalyse.
Der diffuse Haarausfall bessert sich meist, wenn die Ursache erkannt und beseitigt wird. Beim kreisrunden Haarausfall wachsen die Haare oft binnen einem Jahr von selbst nach. Bei schweren Formen können verschreibungspflichtige Tabletten mit Baricitinib helfen. Im Einzelfall zahlen die Kassen die ca. 1000 Euro monatlich für das Medikament. Wichtig ist, sich vorab gut über Chancen und Risiken der Therapie zu informieren.

Rettung aus der Apotheke

Erblich bedingten Haarausfall können Lösungen und Schäume mit Minoxidil bremsen. Es gibt sie unterschiedlich dosiert für Frauen und Männer in der Apotheke. „Die Erfolgsaussichten sind am besten, wenn der Haarausfall noch nicht lange besteht“, so Sticherling. Die Wirkung tritt erst nach Monaten ein. Für einen anhaltenden Effekt ist eine Dauerbehandlung nötig. Anfangs kann sich der Haarausfall verstärken. Eine Möglichkeit für Frauen, denen Minoxidil nicht hilft, oder die es nicht vertragen, sind rezeptpflichtige Tabletten mit Spironolacton. Nur für Männer eignen sich rezeptpflichtige Tabletten mit Finasterid. Für alle Präparate gilt: Wegen möglicher Nebenwirkungen bitte mit dem Arzt vorab gut abwägen, ob sich die Therapie lohnt. Die Krankenkassen zahlen keines der Mittel.

Platzwechsel auf dem Kopf

Ein aufwendigerer Weg zu vollerem Kopfhaar ist die Haartransplantation. Dabei werden eigene Haarwurzeln samt Haut an kahle Stellen verpflanzt. „Der Eingriff ist auch bei Diabetes möglich, wenn dieser gut eingestellt ist und keine schweren Durchblutungsstörungen vorliegen“, sagt Dr. Frank Neidel, Spezialist für Haartransplantation in Düsseldorf. Der transplantierende Arzt sollte sich mit dem Hausarzt oder Diabetologen abstimmen. Die Kosten von mehreren Tausend Euro muss man selbst übernehmen. Günstiger: ein geschickter Haarschnitt. Er hilft, Fülle vorzutäuschen und ausgedünnte Partien zu verdecken.


Quellen:

  • Wolff H, Fischer TW, Blume-Peytavi U: Diagnostik und Therapie von Haar- und Kopfhauterkrankungen. In: Dtsch Arztebl Int: 27.05.2016, https://doi.org/...
  • Kanti V et al.: Evidence-based (S3) guideline for the treatment of androgenetic alopecia in women and in men – short version. In: Journal of the European Academy of Dermatology and Venereology: 01.01.2018, https://doi.org/...
  • Verband Deutscher Haarchirurgen e.V.: VDHC- Leitlinien zur Haartransplantation. Leitlinie: 2016. https://www.vdhc.de/... (Abgerufen am 11.01.2023)