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D rei Tage lang nichts als Haferbrei, jeden Morgen, Mittag und Abend, und am besten jeden Monat wiederholen. So sieht eine typische Haferkur gegen Typ-2-Diabetes aus. Das klingt für manche wenig verlockend. Dennoch lassen sich zunehmend mehr Betroffene auf das Ernährungsexperiment ein. Viele bleiben dabei und berichten von Vorteilen wie Gewichtsabnahme, geringerem Insulinbedarf und einem besseren Langzeitzucker-Wert.

Zurück in die Vergangenheit

Den Boom hat die Rückbesinnung auf die Haferkur des deutschen Mediziners Carl von Noorden ausgelöst. Um 1900 behandelte er Diabetespatienten mit einer Haferdiät und konnte so deren Blutzuckerwerte senken. In der modernen Diabetologie geriet der Hafer in Vergessenheit. Nun ist er wieder modern – diesmal, um die Lebensqualität von Menschen mit Typ-2-Diabetes weiter zu verbessern.

Getreide für gute Zuckerwerte

„Beim Typ-2-Diabetes hängt viel davon ab, wie man sich ernährt und ob man sich ausreichend bewegt“, sagt Dr. Matthias Riedl, Diabetologe, Ernährungsmediziner und Internist aus Hamburg. „Der Lebensstil kann wesentlich dazu beitragen, den Zuckerstoffwechsel in den Griff zu bekommen.“ Hier kommt das Getreide ins Spiel: „Ziel von Hafertagen ist es, die Wirksamkeit von Insulin zu verbessern“, erklärt Dr. Winfried Keuthage, Ernährungsmediziner, Buchautor zum Thema und Diabetologe in Münster.

Sind Zellen unempfindlicher (resistenter) gegen Insulin, können sie nicht mehr gut auf die Signale des Hormons Insulin reagieren. In der Folge steigen die Blutzuckerwerte an. Menschen, die Insulin spritzen, brauchen dann eine höhere Dosis Insulin, um ihre Zuckerwerte wieder zu senken. „Studien zeigen, dass Menschen mit Typ-2-Diabetes durch regelmäßige Hafertage ihre Insulindosis deutlich reduzieren können“, berichtet Keuthage. Bei einigen bessert sich auch der Blutzuckerlangzeitwert HbA1c.

Ein besonderer Ballaststoff

Einiges spricht dafür, dass Hafer zudem günstig auf die Cholesterinwerte wirkt, die bei Typ-2-Diabetes ebenfalls oft erhöht sind. Die Wirkung des Getreides auf den Blutzuckerspiegel hat zu einem guten Teil mit dem Ballaststoff Beta-Glucan zu tun. In keinem anderen Korn steckt ähnlich viel davon. Außerdem sättigt Hafer gut, wegen der Ballaststoffe und weil er relativ viel Eiweiß enthält.

Eine Haferkur ist besonders dann einen Versuch wert, wenn die Insulinresistenz bei Typ-2-Diabetes schon ausgeprägt ist, sich die Zuckerwerte trotz immer höherer Insulin- und Medikamentendosen kaum bessern und Abnehmen fast unmöglich erscheint. „Statt die Insulinmengen stetig zu erhöhen, bieten Hafertage eine Alternative“, sagt Keuthage. Riedl ergänzt: „Wenn die Patienten sehen, wie gut diese Hafertage wirken, sind viele motivierter, sich insgesamt besser zu ernähren — mit drei festen Mahlzeiten, vielen Ballaststoffen und viel pflanzlicher Kost.“

Kurzkur für den Stoffwechsel

Eine klassische Haferkur bei Typ-2-Diabetes dauert drei Tage mit jeweils etwa 800 bis 1000 Kalorien. „Wer es durchhält, kann einen vierten Tag dranhängen und profitiert entsprechend mehr“, sagt Riedl. Dabei gibt es täglich dreimal Haferbrei aus je 75 Gramm Haferflocken, die in 300 bis 500 Millilitern Wasser oder fettfreier Brühe gekocht werden. Alternativ kann man auch kalten Haferbrei essen. Dafür quellen die Flocken in kaltem Wasser. Für geschmackliche Abwechslung sorgen Gewürze und kleine Mengen an Gemüse, Obst oder Nüssen.

Die günstige Wirkung des Hafers auf verschiedene Stoffwechselwerte lässt nach einigen Tagen wieder nach. Trotzdem sind nach vier Wochen noch Veränderungen messbar. Darum empfehlen Diabetologen wie Matthias Riedl, die Kur alle vier bis sechs Wochen zu wiederholen. Oder man legt nach einer ersten Kur wöchentlich einen einzelnen Hafertag ein.

Der Lohn: weniger Medikamente

Wichtig: Wer Medikamente gegen Typ-2-Diabetes nimmt oder/und Insulin spritzt, muss mit dem Hausarzt absprechen, wie die Behandlung anzupassen ist. „Schon ein Hafertag senkt den Blutzuckerspiegel deutlich, sodass bei einer Insulintherapie in manchen Fällen die Dosis reduziert werden muss, um Unterzuckerungen zu vermeiden“, sagt Keuthage. Das gilt auch für andere Diabetes-Medikamente mit Unterzuckerungsrisiko, besonders für die Sulfonylharnstoffe (etwa Glibenclamid, Glimepirid). Lohn der Mühe: Wirkt die Kur wie erwünscht, sinkt langfristig der Bedarf an blutzuckersenkenden Medikamenten.


Quellen:

  • The Institute of Human Culture Studies: Beta-Glucan in Foods and Health Benefits. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/... (Abgerufen am 12.10.2022)
  • Shen XL, Zhao T, Zhou Y et al.: Effect of Oat β-Glucan Intake on Glycaemic Control and Insulin Sensitivity of Diabetic Patients: A Meta-Analysis of Randomized Controlled Trials. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/... (Abgerufen am 12.10.2022)
  • El Khoury D, Cuda C, Luhovyy BL et al.: Beta glucan: health benefits in obesity and metabolic syndrome. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/... (Abgerufen am 12.10.2022)
  • Cloetens L, Ulmius M, Johansson-Persson A et al.: Role of dietary beta-glucans in the prevention of the metabolic syndrome. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/... (Abgerufen am 12.10.2022)
  • Beck EJ, Tosh SM, Batterham MJ et al.: Oat beta-glucan increases postprandial cholecystokinin levels, decreases insulin response and extends subjective satiety in overweight subjects. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/... (Abgerufen am 12.10.2022)
  • Connolly ML, Tzounis X, Tuohy KM et al.: Hypocholesterolemic and Prebiotic Effects of a Whole-Grain Oat-Based Granola Breakfast Cereal in a Cardio-Metabolic "At Risk" Population. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/... (Abgerufen am 12.10.2022)
  • European Food Safety Authority (EFSA): Scientific Opinion on the substantiation of a health claim related to oat beta glucan and lowering blood cholesterol and reduced risk of (coronary) heart disease pursuant to Article 14 of Regulation (EC) No 1924/2006. https://www.efsa.europa.eu/... (Abgerufen am 12.10.2022)