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Endlich 18! Alt genug, um vieles selbst entscheiden zu dürfen. Aber jetzt auch zu alt für den Kinderdiabetologen. In Deutschland wechseln junge Menschen mit Typ-1-Diabetes in aller Regel zwischen dem 18. und 21. Lebensjahr in die Erwachsenenmedizin. Der Übergang verläuft bei bis zu vier von zehn der jährlich um die 2000 Patienten schwierig. Manche gehen dann nur noch selten zum neuen Diabetologen. Oder gar nicht mehr. „Dadurch verschlechtern sich oft die Zuckerwerte, das Risiko für Komplikationen steigt“, sagt Professor Andreas Neu, Leiter der Diabetesambulanz an der Kinderklinik der Universität Tübingen und Präsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG).

Der Wechsel findet in einer Phase statt, in der junge Menschen eh viel bewältigen müssen. Etwa sich von den Eltern abnabeln, einen Beruf wählen, in eine neue Stadt ziehen, erste Liebesbeziehungen. Der Dia­be­tes rückt da oft in den Hintergrund. Dazu kommen hormonelle Veränderungen, die für Wertechaos sorgen. „Jetzt den Arzt wechseln und sich selbstständiger um den Diabetes kümmern? Das passt gerade gar nicht“, sagt Dr. Nicolin Datz, Kinderdiabetologin und Oberärztin am Diabeteszentrum im Kinderkrankenhaus „Auf der Bult“ in Hannover. Weiteres Problem: Jugendliche nutzen oft eine kontinuierliche Glukosemessung und sensorgesteuerte Insulinpumpen. Diese Systeme sind in der Erwachsenendiabetologie weniger verbreitet. „Dort kennen sich zu wenige Behandler mit der modernen Technik gut genug aus“, so Neu. Wer in ländlicheren Gegenden wohnt, müsse bis zu zwei Stunden zu einem geeigneten Diabetologen fahren.

Nachwuchsmangel bei Ärzten

„Verschärft wird die Lage, weil es der Diabetologie an Nachwuchs fehlt“, sagt Neu. Die DDG setze sich dafür ein, dass es wieder mehr Diabetologen gibt, etwa durch finanzielle Unterstützung bei Doktorarbeiten. Hilfreich wäre laut Neu auch ein größeres Zeitfenster für den Wechsel: Manche junge Menschen würden davon profitieren, länger beim Kinderdiabetologen zu bleiben. „Das ist bislang nur in begründeten Einzelfällen und nicht in allen Bundesländern möglich“, so Datz.

„Der Abschied vom vertrauten Kinderdiabetologen fällt oft schwer“, sagt Jana Findorff, Fallmanagerin beim Berliner Transitionsprogramm. Es soll jungen Menschen mit chronischen Krankheiten den Wechsel (Transition) in die Erwachsenenmedizin erleichtern. Dabei arbeiten alle Beteiligten eng zusammen. Viele Kassen übernehmen die Kosten für die Teilnahme, die bundesweit möglich ist. Wer Interesse hat, spricht am besten mit dem Diabetesteam. Manche Zentren haben eigene Transitionsprogramme.

Wechsel früh vorbereiten

Datz rät, spätestens ein Jahr bevor der Wechsel ansteht, die jungen Patienten darauf vorzubereiten. Ihnen etwa noch fehlendes Wissen zu Themen wie Alkohol, Führerschein und Reisen zu vermitteln und genau zu erklären, wie die Betreuung beim Erwachsenenarzt abläuft. Am wichtigsten sei, einen neuen Arzt zu finden, bei dem man sich gut aufgehoben fühlt.


Quellen:

  • Nicolin Datz , Olga Kordonouri , Thomas Danne: Wenn Menschen mit Typ-1-Diabetes erwachsen werden. In: Dtsch Med Wochenschr 2021; 01.01.2021, 146-18: 1200-1205
  • B. Gallwitz, A. Neu: Diabetes mellitus an der Schnittstelle von Pädiatrie und Erwachsenenmedizin. In: Der Internist 01.01.2018, 59: 1133-1137
  • Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) und Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE): Gemeinsame Pressekonferenz der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE). https://www.ddg.info/... (Abgerufen am 09.09.2022)
  • DRK Kliniken Berlin Westend: Berliner TransitionsProgramm. https://www.btp-ev.de (Abgerufen am 09.09.2022)