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Auf dem Land oder doch lieber in der Großstadt? Dem Traumjob hinterherziehen oder wieder näher bei den Großeltern wohnen? Mit der Familienplanung kommt oft auch die Frage auf: Wo wollen wir in Zukunft wohnen? Und wie?

Ein neues Zuhause zu finden ist für Familien in Deutschland kein so einfaches Unterfangen, denn Wohnraum ist knapp und ­teuer: 700 000 Wohnungen fehlten einer Studie zufolge hierzulande im Jahr 2022[1] . Mietpreise steigen und sind vor allem in den Großstädten besonders hoch[2] : Um die 20 ­Euro zahlte man Ende 2022 für ­einen Quadratmeter Neubau in München, über 17 Euro waren es in Berlin[3] . Laut dem Institut der Deutschen Wirtschaft lebt in Großstädten jede dritte Familie in einer zu kleinen Wohnung – hat also weniger Räume zur Verfügung, als es Bewohner gibt[4] .

„Steigende Mieten und die Wohnraumknappheit sind die stärksten Motive, warum vor allem Familien derzeit Großstädte verlassen“, so Dr. Nico Stawarz vom Bundesin­stitut für Bevölkerungsforschung in Wiesbaden. Er bezieht sich dabei auf eine aktuelle Untersuchung, aus der hervorgeht, dass Großstädte 2021 so viele Einwohner verloren haben wie seit 30 Jahren nicht mehr – vor allem Familien ziehen fort[5] . Besonders beliebt seien für sie derzeit kleinere Gemeinden im Umland der Ballungszentren. „Wir erleben eine neue Phase der Suburbanisierung“, berichtet Stawarz. Dabei geht es für Familien noch weiter hinaus als in den klassischen „Speckgürtel“, denn auch da seien die Mieten mittlerweile oft genauso hoch wie in der Stadt selbst.

Doch nicht nur die hohen Kosten und der mangelnde Platz können ein Grund für den Wegzug aus der Stadt sein. „Zwar gibt es dazu noch keine Studien, doch wir vermuten, dass auch die Möglichkeit der Arbeit im ­Homeoffice in der Corona-Pandemie für viele Menschen ein Grund war, eher ins Umland zu ziehen“, so Stawarz. Und sicher spielt der Wunsch nach einer grüneren Umgebung eine Rolle: Durch die Reise- und Ausgangsbeschränkungen in der Pandemie waren Menschen, die einen Garten hatten, oft im Vorteil. Und da Freizeiteinrichtungen, Museen und Restaurants lange Zeit geschlossen blieben, verlor für einige die Großstadt an Reiz.

Ob in die Stadt oder aufs Land: Mit der Familie umzuziehen ist ein großer Schritt – und nicht selten eine Entscheidung, die man für Jahrzehnte trifft. Bevor es daher auf Wohnungssuche geht, sollte man sich bewusst machen, wie man leben möchte und was einem auf Dauer wichtig ist. Hier gibt es Tipps dazu.

Jeder Kilometer zählt

In zwanzig Minuten mit dem Rad ins Büro? Durch einen Umzug können sich Wege zur Arbeit, Kita oder zum Sportverein verlängern. Manchmal ist für Strecken, die man bisher problemlos zu Fuß oder mit dem Bus zurücklegen konnte, nun ein (zweites) Auto notwendig: Etwa die Hälfte der Menschen in Deutschland hat an ihrem Wohnort fast keines oder nur ein schlechtes Angebot an Bus, Bahn und Co[6] . Pendeln kostet nicht nur Zeit, die dann für die Familie und Freizeitaktivitäten fehlt, sondern wirkt sich auch negativ auf die Gesundheit aus. So haben Untersuchungen ergeben, dass langes Pendeln mit dem Auto mit mehr psychischen Beschwerden, Übergewicht und Krankschreibungen verknüpft ist[7] .

Und: Mehr Verkehr verursacht auch mehr Emissionen. So wer­den in ländlichen Gegenden durch den Autoverkehr pro Haushalt im Schnitt jährlich etwa 0,9 Tonnen mehr Treibhausgase ausgestoßen als in Städten[8] .

Wer also einen Umzug plant und nicht von zu Hause aus arbei­ten kann, sollte sich überlegen, ob längere Wege auf Dauer infrage kommen. Lassen sie sich nicht vermeiden, kann man versuchen, den Alltag möglichst so zu organisieren, dass viel „auf der Strecke“ erledigt wird, zum Beispiel die Einkäufe auf dem Rückweg von der Arbeit.

Gut betreut

Über 380 000 Kitaplätze in Deutschland fehlen[9] . Wer auf Betreuung angewiesen ist, sollte sich so früh wie möglich informieren, wie die Chancen am neuen Wohnort stehen – vor allem, wenn es in der Umgebung nur wenig Angebote gibt. Eltern fragen am ­besten in der künftigen Wunsch-Kita nach, wie die ­Platzver­gabe ­abläuft und ob es Wartelisten gibt, auf die man sich setzen lassen kann[10] . Anmeldeverfahren können von Ort zu Ort unter­schiedlich sein. Informationen über die Angebote in den Bundes­ländern gibt es hier.

Wenn der Umzug langfristig sein soll, lohnt auch ein Blick auf das Angebot an Schulen. Gibt es Schulbusse? Oder wird es nötig sein, das Kind täglich zur Schule zu fahren?

Ärztliche Versorgung

An Krankheiten denkt niemand gerne, doch wenn es mal dazu kommt, will man sich vor Ort gut versorgt wissen. „In der Regel ist die Auswahl an Kinder- und Jugendärzten im Umland kleiner als in den Großstädten und oft muss man auch mit längeren Anfahrtswegen rechnen“, so der Berliner Kinderarzt Jakob ­Maske vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte.

In einer Umfrage im Auftrag des Deutschen Kinderhilfswerks waren rund die Hälfte der Eltern aus Orten mit bis zu 5000 Einwohnern der Ansicht, dass es in ihrer Nähe keine ausreichende Versorgung mit Kinderärzten gibt[11] . In den Großstädten gaben dies immerhin noch 31 Prozent an. Eine Studie hat außerdem ergeben, dass Kinder, die mehr als 20 km vom nächsten Kinderarzt entfernt wohnen, seltener einem Arzt vorgestellt und öfter vom Hausarzt versorgt werden als Kinder mit kürzeren Anfahrtswegen[12] . Bei einer gelegentlichen Erkältung mag dies kein Problem sein, doch vor allem Eltern chronisch kranker Kinder sollten sich vor einem Umzug informieren, ob Fachärzte und Spezialambulanzen gut erreichbar sind.

Heimweh

Umzüge sind eine Herausforderung – für alle Familienmitglieder. Schon kleine Kinder bekommen mit, dass sich etwas verändert. „Für sie geht etwas Vertrautes verloren“, sagt Dana Mundt von der Onlineberatung der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung in Fürth. Manche Kinder suchen dann verstärkt die Nähe zu ihren Eltern, möchten vielleicht wieder zurück ins elterliche Bett. „Für Kinder im Vorschulalter kann der Umzug am Anfang noch ein Abenteuer sein und Spaß machen. Oft merken sie erst später, dass die Veränderung auf Dauer ist“, erklärt die Sozialpädagogin. Dann könne der Abschiedsschmerz noch mal hochkommen, auch erst ein halbes Jahr später.

„Bei jüngeren Kindern würde ich versuchen, das neue Zimmer ähnlich wie im zuvor gewohnten Umfeld einzurichten – das schafft Vertrauen und gibt Sicherheit“, rät Mundt. Eltern können ihr Kind in dieser schwierigen Phase begleiten, indem sie mit ihm über die Gefühle sprechen, die der Umzug auslöst – auch über die eigenen. Es kann helfen, Kinder in den Umzug miteinzubeziehen, etwa indem sie die Wandfarbe für ihr Zimmer aussuchen oder beim Einpacken helfen. Das gemeinsame Erkunden der Nachbarschaft macht es leichter, sich gut an das neue Zuhause zu gewöhnen.

Homeoffice ohne Verbindungsprobleme

Homeoffice ist besonders für Eltern attraktiv, da sie durch die wegfallenden Arbeitswege Zeit sparen. Und warum dann nicht sein Büro ins Grüne verlegen? Wichtig zu wissen: Zwar nimmt der Breitbandausbau in Deutschland Fahrt auf, doch gibt es immer noch Orte, an denen schnelles Internet nur begrenzt verfügbar ist[13] . Dies seien vor allem gering besiedelte Gebiete, erklärt Urs Mansmann, Redakteur beim Computermagazin c’t in Hannover. Überprüfen, welche Datenrate unter der neuen Adresse möglich ist, lässt sich auf der Seite der Internetanbieter. „Für das Arbeiten im Homeoffice eignet sich ein Anschluss mit mindestens 10 Mbit pro Sekunde Upload- und 50 Mbit pro Sekunde Downloadgeschwindigkeit am besten“, empfiehlt der Internet-Experte. So seien auch Videokonferenzen problemlos möglich.

Bei langsamen DSL-Anschlüssen kann auch die Hybrid-Technologie helfen, die neben DSL auch Mobilfunk für die Datenübertragung nutzt. Das klappt aber nur bei guter Mobilfunkversorgung und wenn der DSL-Anschluss Mindestanforderungen erfüllt.

Interview: „Viele haben den Wert ­sozialer Netzwerke vor Ort erkannt“

Gemeinschaftlich wohnen – das ist oft mehr als nur ein guter Kontakt zu den Nachbarn: Dr. Martina Heitkötter hat solche Projekte untersucht und lebt selbst in einem. Sie erklärt, warum diese Art des Zusammenlebens für Familien interessant sein könnte

Frau Dr. Heitkötter, was ist gemeinschaftliches Wohnen eigentlich?

Beim gemeinschaftlichen Wohnen leben mehrere Personen beziehungsweise Familien langfristig selbst organisiert zusammen. Meistens haben sie eigene, abgeschlossene Wohnein­heiten, zusätzlich teilen sie sich Räume: Gemeinschaftsräume, Gästezimmer, Werkstätten sowie Freiflächen. Gemeinschaftliches Wohnen ist ganz vielfältig: Es gibt größere Projekte mit über 100 Menschen oder kleinere mit 20 bis 30. Und auch in der Rechtsform gibt es Unterschiede: Manche Projekte sind als Genossenschaft organisiert, andere als Verein oder Stiftung. Alle bieten Mitgestaltungsmöglichkeiten.

Aber es geht auch über das Teilen bestimmter Räume hinaus …

Ja, die wechselseitige Unterstützung im Alltag und Begleitung im Lebensverlauf werden beim gemeinschaft­lichen Wohnen großgeschrieben.

Wer macht bei solchen Wohnprojekten mit?

Familien sind in den Projekten sehr stark vertreten und auch viele Menschen über 50, die aus der Familienphase raus sind, wieder Energie haben, sich zu engagieren und sich vielleicht auch Gedanken über selbstbe­stimmtes Leben im Alter machen. Dieser Mehr-­Generationen-Aspekt ist für Familien interessant, vor allem was die Kinderbetreuung angeht. Familien werden durch Ältere, aber auch durch andere Familien oder Menschen ohne Kinder unterstützt.

Nun lebt man ja sehr nah ­zusammen – kommt es da nicht oft zu Konflikten?

Auf alle Fälle, aber das gehört auch dazu. Es geht dabei oft um Themen, die in normalen Nachbarschaften auch auftauchen wie Sauberkeit oder ­Lautstärke. Aber dadurch, dass man eben mehr teilt als nur den Hausflur, sind die Konflikte auch mal weit­reichender. Das ist – je nach Projekt – schon fast wie in einer Großfamilie, in der alle möglichen Befindlichkeiten und Persönlichkeiten aufeinander­stoßen. Viele Projekte bieten Unterstützung an, wenn es zu Konflikten kommt, damit diese so gut wie möglich geklärt werden. Die Konflikte werden von den Be­wohnern auch nicht ausschließlich ne­gativ wahrgenommen, sondern als eine Entwicklungschance: So lernt man dadurch
beispielsweise, Streitigkeiten zu klären.

Was sollte man persönlich ­mitbringen, um bei so einem Wohnprojekt mitzumachen?

Vorab: Die Landschaft der gemeinschaftlichen Projekte ist sehr vielfältig. Von Projekten, die pragmatischer zusammenleben, über intentionale Gemeinschaften, die eine Wertebasis teilen, bis hin zu Hausgemeinschaften mit gemeinsamer Küche oder ganzen Öko-Dörfern. Wenn man sich für gemeinschaftliches Wohnen in­teressiert, lohnt es sich umzuschauen, was einem entspricht. Viele Städte haben Beratungsstellen. Ansonsten sollte man aber natürlich schon Lust aufs Miteinander haben wie auch eine gewisse Frustrationstoleranz.

Glauben Sie, dass in Zukunft solche Wohnprojekte populärer werden?

Es ist ein kleines, aber wachsendes Segment im Wohnungsmarkt. Ich denke, dass durch die Corona-Pandemie vielen deutlich geworden ist, dass ein isoliertes Wohnen Einschränkungen hat. Viele haben den Wert der Einbettung in ein soziales Netzwerk vor Ort erkannt. Außerdem können solche Wohnprojekte langfristig bezahlbaren und spekulationsfreien Wohnraum sichern, da sie in den meisten Fällen auch Gemeinschaftseigentum sind. Auch das macht sie attraktiv.

Dr. Martina Heitkötter ist wissenschaftliche Referentin am Deutschen Jugendinstitut in München


Quellen:

  • [1] Pestel Institut gGmbH Hannover, Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e. V. Kiel: Bauen und Wohnen in der Krise - Aktuelle Entwicklungen und Rückwirkungen auf Wohnungsbau und Wohnungsmärkte. https://www.mieterbund.de/... (Abgerufen am 20.04.2023)
  • [2] Immobilien Scout GmbH: Mietpreise in Deutschland steigen weiter an. https://www.immobilienscout24.de/... (Abgerufen am 20.04.2023)
  • [3] Statista: Städte mit den höchsten Mietpreisen für Wohnungen in Deutschland im 4. Quartal 2022 . https://de.statista.com/... (Abgerufen am 20.04.2023)
  • [4] Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V. : Großstädte: Jede dritte Familie wohnt in zu kleiner Wohnung. https://www.iwkoeln.de/... (Abgerufen am 20.04.2023)
  • [5] Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung: Wanderungsverluste der Städte erreichen das hohe Niveau der 1990er Jahre. https://www.bib.bund.de/... (Abgerufen am 20.04.2023)
  • [6] Agora Verkehrswende : ÖV-Atlas 2022: Fahrplandaten zeigen ungleiche Qualität des öffentlichen Verkehrs. https://www.agora-verkehrswende.de/... (Abgerufen am 20.04.2023)
  • [7] Techniker Krankenkasse: Mobilität in der Arbeitswelt, Datenanalyse und aktuelle Studienlage 2018. https://www.tk.de/... (Abgerufen am 20.04.2023)
  • [8] Umweltbundesamt: Keine Wende in Sicht - Einkommen & Umweltbelastung gehen weiter Hand in Hand. https://www.umweltbundesamt.de/... (Abgerufen am 20.04.2023)
  • [9] Bertelsmann Stiftung: 2023 fehlen in Deutschland rund 384.000 Kita-Plätze . https://www.bertelsmann-stiftung.de/... (Abgerufen am 20.04.2023)
  • [10] Arndt S: Von der Suche bis zur Eingewöhnung: So gelingt der Kita-Start. https://www.apotheken-umschau.de/... (Abgerufen am 20.04.2023)
  • [11] Deutsches Kinderhilfswerk: Ein Drittel der Eltern in Deutschland sieht Versorgungslücken bei Kinder- und Jugendärzten. https://www.dkhw.de/... (Abgerufen am 20.04.2023)
  • [12] Beyer A, Stentzel U, Hoffmann W et al. : Einstellungen von Eltern zur pädiatrischen Versorgung und Delegation ärztlicher Aufgaben in versorgungsfernen und versorgungsnahen Regionen: Ergebnisse einer standardisierten Befragung. In: Gesundheitswesen 01.01.2021, 83: 516-522
  • [13] Janson M: Versorgung mit schnellem Internet kommt in Fahrt . https://de.statista.com/... (Abgerufen am 20.04.2023)