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Zack, verschwindet die Erbse in der Nase. ­Mini-Dinge wie diese finden Kleinkinder ziemlich verführerisch und stecken sie sich dann prompt in Körperöffnungen, gerne in Mund oder Ohr. Wie Sie dem vorbeugen können und im Notfall richtig reagieren, erklären unsere Expertinnen und Experten.


Warum nehmen Babys und ­Kleinkinder überhaupt alles in den Mund?

Weil sie saugend und lutschend die Welt entdecken. Tatsächlich kommen Kinder mit einem voll entwickelten Tastsinn auf die Welt. Im Gegensatz zum Sehsinn, der bei der Geburt noch unreif ist. Besonders viele Tastsensoren finden sich im Mund, in den Lippen, der Zungenspitze und der Mundhöhle. Übrigens: Die Stimulierung dieser Saug-Lutsch-Tast-Reize braucht das Baby-Gehirn für seine Entwicklung.

Und warum stecken sie sich Dinge in Nase und Ohr?

Kinder sind einfach neugierig. Sie erforschen und entdecken ihren Körper. Das ist gut und gehört zu einer gesunden Entwicklung. Und ja, leider probieren sie auch, ob die pinke Perle ins Nasenloch passt oder die Büroklammer ins Ohr. Doof nur, wenn die nicht mehr rausgeht oder Verletzungen verursacht.

In Welchem Alter ist die Gefahr am Grössten für mein Kind?

„Kritisch wird es, sobald Kinder robben und krabbeln“, sagt Prof. Dr. Rudolf Hagen, Kli­nik­direktor der HNO-Klinik am Uniklinikum Würzburg. Die kritischste Phase ist zwischen zwei und drei Jahren, ab etwa vier entspannt es sich.

Wie können Eltern vorbeugen?

Kleinkinder brauchen eine sichere Umgebung:

Alle Substanzen, die giftig sein können (siehe folgende Seite), kindersicher aufbewahren

Schubladen mit Kleinkram verschließen

Büroklammern, Münzen und Co. nicht herumliegen lassen

Keine Magnete benutzen

Ausschließlich ungiftige Pflanzen in Wohnung und Garten verwenden

Altersgerechte Nahrung geben (unter zwei Jahren ­etwa keine Erdnüsse oder Trauben)

Altersgerechte Spielsachen wählen (Klorollentest: Tabu ist, was durch die Rolle passt)

FALL 1

„HaT das kind was Giftiges geschluckt?

Wenn die kleine Perle mal den Weg in den Magen findet, ist das nicht so schlimm. Gefährlich wird es, wenn der geschluckte Gegenstand an sich giftig oder ätzend ist, wie zum Beispiel kleine Knopfbatterien, Tabletten oder manche Pflanzen. Wie Sie sich in solchen Situationen richtig verhalten, siehe „Was jetzt“?

Was NUN?

1. Kind über die Knie legen, sodass Kopf und Oberkörper nach unten zeigen. Das erleichtert das Rausrutschen des Gegenstandes. Dann dem Kind zwischen die Schulterblätter klopfen.

2. Löst das den Gegenstand nicht, dann bei Kindern ab einem Jahr den sogenannten Heimlich-Griff anwenden. Am besten im
Erste-Hilfe-Kurs zeigen lassen. Infos auch hier:
a-u.de/!959743

Besondere Fälle

Giftige Substanzen

Erster Impuls: Das Gift muss raus. Aber: „Bei einer Vergiftung darf niemals aktiv Erbrechen ausgelöst werden“, so Daniela Acquarone, Kli­-
nische Toxikologin und stellvertretende Leitung des Giftnotrufs der Berliner Charité. Die giftige Substanz käme ein zweites Mal in die empfindliche Speiseröhre und würde sie erneut schädigen. Auch ausgiebiges Nachtrinken ist keine gute Idee. Reiniger, Waschmittel und Co. bilden Schaum, der in die Atemwege geraten kann.

Giftige Pflanzen

In Deutschland gibt es nur wenige hochtoxische Pflanzen. In freier Natur sind das zum Beispiel Bilsenkraut und Stechapfel, im Garten Eisenhut und Herbstzeit­lose. Bei den Zimmerpflanzen gehören Efeutute und Aronstabgewächse dazu. AcquaronesTipp: Pflanzen­erkennungs-App aufs Smartphone laden! Dann fällt es leichter, dem Giftnotruf die Pflanze zu beschreiben.

Batterien

Batterien verschluckt? Ein absoluter Notfall! Insbesondere bei winzigen Knopf­batterien, die in der Speiseröhre stecken bleiben und schwerste Schäden verursachen können. Nicht zögern, sondern sofort die Notrufnummer 112 wählen! In der Klinik muss die Batterie sofort endoskopisch entfernt werden.

Das sollten Sie parat haben

Einen Entschäumer, den man bei schäumenden Substanzen (etwa Shampoo) gibt. Und Aktivkohle bei nicht schäumenden Materialien (etwa Medikamente, Pflanzen). Sie bindet das Gift. ­Beides am besten in der Hausapotheke bereithalten. Nur nach Rücksprache mit dem Notarzt oder dem Giftnotruf geben!

Das Beruhigt

„Glücklicherweise schlucken Kinder meist nur kleine ­Mengen giftiger Substanzen, da der
Geschmack nicht ansprechend ist“, so Toxikologin Daniela Acqua­rone. „Trotzdem muss jeder Fall sorgfältig geprüft werden.“ Verschluckte Fremdkörper wie Kiesel oder Münzen scheiden Kinder in der breiten Mehrheit ohne Komplikationen wieder aus, beruhigt Mediziner Rudolf Hagen.

FALL 3

„Sitzt was in der Nase?“

Manchmal können oder wollen Kinder den Eltern nicht ver­raten, dass was im Nasenloch festsitzt. Und trotz Smart­­-
phone-Leuchte sehen Eltern nichts. „Zeigt nur eine Nasen­seite Symptome, deutet das auf einen Fremdkörper hin“, ­erklärt Hagen. Beispielsweise einseitiges Nasenbluten, ­eitriges Naselaufen oder eine erschwerte Nasenatmung. Dann bitte das Kind in der Kinderarzt- oder HNO-Praxis vorstellen.

Sonderfall: Fremdkörper ­Eingeatmet

Kinder können Gegenstände auch aspirieren, also einatmen. „Das geschieht aber selten und fast immer über den Mund“, klärt Hagen auf. Und zwar so: Ein Kind erschrickt und atmet dann ­beispielsweise eine Nuss, die es im Mund hat, in die oberen Luftwege. Das ist ein Notfall! 112 anrufen! Siehe auch unter Fall 1, „Was jetzt?“.

Was jetzt?

Ist eine Murmel oder, superbeliebt, eine Bügelperle in die Nase „eingezogen“, gilt: „Bitte nicht selbst stochern!“, sagt Hagen. Lässt sich der Fremdkörper nicht unmittelbar entfernen (ohne Pinzette!), ist die Gefahr hoch, dass er tiefer ins Naseninnere gelangt oder die Nasenschleimhaut verletzt. Ab in die Arztpraxis!

Um den Fremdkörper in der Nase kümmern sich
HNO-Ärztinnen und -Ärzte. Sie entfernen ihn mit speziellen Zangen und Häkchen, die beispielsweise auch Rundes greifen können. Meist wird das Kind dafür lokal betäubt.

FALL 4

„ins ohr gesteckt?“

Auch wenn ein Fremdkörper ins Ohr gelangt, sollten Eltern das nicht auf die leichte Schulter nehmen. Insbesondere spitze Gegenstände können das Trommelfell verletzen. Die gute Nachricht: Spüren Kinder beim Passt-das-rein-ins Ohr-­Versuch Schmerzen, hören sie unmittelbar damit auf.

Was jetzt?

Einfach rausholen? Klar, wenn sich der Fremd­körper sofort leicht lösen lässt. Auf keinen Fall aber stochern oder fest ziehen, die Gefahr einer Trommelfellverletzung wäre zu hoch. In so einem Fall helfen HNO-Ärztin oder -Arzt.

Wie erkenne ich, dass der Gehörgang blockiert ist?

Anders als bei Fremdkörpern in der Nase sind einseitige Symptome kein wirklich
sicheres Anzeichen für einen Fremdkörper. Ohrenschmerzen oder Ausfluss können auch ohne Fremdkörper einseitig auftreten. Doch beides gehört immer abgeklärt. Ab in die Kinderarztpraxis!

Was jetzt?

Nach dem Schlucken von Batterien, Magneten, hochtoxischen Haushaltsmitteln wie Abflussreini­ger oder starken Arzneien wie Herzmedikamenten gilt: Notruf 112 wählen. Bei anderen Vergiftungen hilft der Giftnotruf.

„Hat ES etwas in die Atemwege bekommen?“

„Das erkennt man daran, dass das Kind plötzlich und anhaltend hustet, würgt oder pfeifend atmet“, so Mediziner Rudolf Hagen. Löst effektives Husten den Gegenstand nicht aus den Atemwegen: dann weiter wie unter „Was nun?“ beschrieben. Atmet das Kind zwar selbstständig, aber pfeifend? Notruf 112 wählen.


Quellen:

  • Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit: Liste der Giftnotrufzentralen und Giftinformationszentren in Deutschland, Österreich und Schweiz. Online: https://www.bvl.bund.de/... (Abgerufen am 15.03.2023)