Logo der Apotheken Umschau

Sie hatte sich jahrelang ein eigenes Kind gewünscht. Und nach sieben Kinderwunschbehandlungen war Marie (Name von der Redaktion geändert) endlich schwanger. Doch statt Freude fühlte sie nur Angst. „Wenn ich an die Geburt dachte, überkam mich Hilflosigkeit. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie ich das schaffen soll“, erzählt die 37-Jährige rückblickend. Die Kontrolle über den eigenen Körper zu verlieren, war für Marie ein schrecklicher Gedanke.

Angst ist weit verbreitet

„Wir Menschen neigen dazu, uns vor neuen, unkontrollierbaren Ereignissen zu ängstigen. Gerade wenn diese mit Schmerzen verbunden sind“, erklärt Psychotherapeutin Friederike Krusch. In ihrer Berliner Praxis begleitet sie viele werdende Mütter. Sie weiß, dass die Angst bei manchen Frauen übermächtig werden kann. Erschwerend kommt für Krusch hinzu, „dass sich die werdenden Mütter schämen oder schuldig fühlen, weil es nicht dem gesellschaftlichen Bild entspricht“. Die Realität ist aber eine andere. „Angststörungen sind weit verbreitet“, sagt Prof. Dr. Stephanie Wallwiener, Leiterin der Sektion Geburtshilfe am Universitätsklinikum Heidelberg. Seit Jahren forscht sie zur psychischen Gesundheit bei Schwangeren. Das Ergebnis: „15 Prozent der Frauen erleben eine moderate Angst vor der Geburt, sechs Prozent eine schwere“, so Wallwiener. Jede fünfte Schwangere leidet unter Ängsten.

Nach der Ursache forschen

Die Expertinnen betonen, wie wichtig es ist, dass Frauen über ihre Ängste sprechen – und diese ernst genommen werden. Runterspielende Kommentare wie „Das haben Millionen Frauen vor dir geschafft“ sind wenig hilfreich. Mehr noch: Bleibt die ausgeprägte Geburtsangst bestehen und wird nicht behandelt, hat das Folgen: Es werden vermehrt Stresshormone ausgeschüttet, was den Geburtsverlauf erschwert. Zudem erhöhen Angststörungen das Risiko einer Wochenbettdepression und belasten so die Mutter-Kind-Bindung. Besser sei es, so Wallwiener, nach der Ursache zu forschen und die Frauen zu unterstützen, ihre Angst zu bewältigen.

Betroffen sind Erstgebärende genauso wie Frauen, die schon Kinder zur Welt gebracht haben. Für die ersten ist alles neu und dadurch even­tuell einschüchternd. Und die Frauen, die schon Mutter sind, haben vielleicht schlechte Erfahrungen gemacht. Therapeutin Krusch: „Für die weitere Behandlung ist es hilfreich herauszufinden, was genau trau­matisch war: War es ein Notkaiserschnitt, extremer Wehenschmerz oder das Gefühl der Hilflosigkeit?“

Strategien gegen die Angst

Dauern Symptome wie Schlafstörung, Unwohlsein, depressive Verstimmung länger als vier Wochen, sollten sich Schwangere nach Einschätzung der Psychotherapeutin unbedingt helfen lassen. So können gemeinsam Strategien gegen die Angst erlernt oder trau­-
matische Erfahrungen bearbeitet werden. Leider sind Psychotherapieplätze rar. Zur kurzfristigen Behandlung können sich Schwangere an die Terminservicestelle der Kassenärzt­lichen Bundesvereinigung wenden. „Auch Frauenärztin und Hebamme können weiterhelfen“, betont Wallwiener. Häufig sei schon entlastend zu hören, dass es anderen Schwangeren ähnlich geht.

Kaiserschnitt als Lösung?

Studien belegen, dass Frauen mit Geburtsangst häufiger einen Wunschkaiserschnitt (Sectio) wollen. Auch wenn die Sectio heute eine Standard­operation ist, sollte sie nur in medizinisch notwendigen Fällen durchgeführt werden. Dazu zählen aber auch psychische Beweggründe. Laut Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe sollte eine Frau ausführlich mit ihrer Ärztin oder ihrem Arzt sprechen. Besteht dann immer noch der Wunsch nach geplantem Kaiserschnitt, sollte diesem entsprochen werden.

Mentale Starkmacher

Kristin Graf aus Kleinmachnow ist Mentaltrainerin und Hypnotherapeutin in der Geburtsvorbereitung. Um Ängste zu nehmen, nutzt sie Hypnosetechniken: „Sie stärken die Frauen in ihrer Selbstwirksamkeit und fördern die Entspannung.“ Psychotherapeutin Krusch empfiehlt werdenden Müttern, sich für die Geburt Vertraute zu suchen: „Nicht immer ist der Partner der beste Begleiter. Überlegen Sie, wen und was Sie brauchen.“ Das kann eine Freundin oder fürsorgliche Bekannte sein. Für Marie waren Offenheit und ein vertrautes Netzwerk entscheidend. Auch Meditation und Entspannungsmethoden haben ihr geholfen, ihre Ängste in den Griff zu bekommen: „Ich hatte ein wunderbares Team um mich herum und kann sagen, dass ich die Geburt als schön erlebt habe.“


Quellen:

  • Kristin Graf: Die friedliche Geburt, Du möchtest Dein Baby angstfrei, positiv und selbstbestimmt zur Welt bringen?. Homepage: https://die-friedliche-geburt.de (Abgerufen am 16.02.2023)
  • Nicole Battenfeld: mamly: Vom Report über die Studie zur App, Schwangerschaft. TK Die Techniker: https://wirtechniker.tk.de/... (Abgerufen am 16.02.2023)
  • Prof. Dr. med. Stephanie Wallwiener: Universitätsklinikum Heidelberg, Prof. Dr. med. Stephanie Wallwiener, IBCLC. Medizinische Fakultät Heidelberg: https://www.klinikum.uni-heidelberg.de/... (Abgerufen am 16.02.2023)