Das Büfett ist eröffnet!
Eigentlich schade, dass wir uns nicht an den allerersten Happen erinnern können, der unsere Geschmacksknospen überraschte. Nach monatelangem Milchnuckeln muss eine wahre Explosion von Sinnesreizen stattgefunden haben. Genau so geht es Ihrem Baby, sobald der Beikoststart ansteht: Die Nervenzellen werden mit neuen Reizen geflutet. Das Essen kommt nicht mehr nur aus Brust oder Fläschchen, sondern meist auch vom Löffel, hat eine andere Farbe, riecht anders, man kann mit der Hand reinpatschen – einfach faszinierend!
Bereit für Brei?
Frühestens ab dem fünften Monat, so lautet die gängige Empfehlung, sollten Eltern mit dem Brei beim Baby starten. Denn dann sind das kindliche Verdauungssystem und die Nierenfunktion ausreichend entwickelt. Zusätzlich steigt um diese Zeit der Nährstoffbedarf. Vor allem die Eisenspeicher haben sich seit der Geburt allmählich geleert und wollen aufgefüllt werden. Muttermilch oder Fläschchen alleine genügen dann nicht mehr. Allerdings muss man kein Kreuzchen im Kalender machen und pünktlich am ersten Tag des fünften Lebensmonats starten. „Das Baby zeigt selbst, wann es so weit ist. Eltern sollten diese Signale wahrnehmen und richtig deuten“, sagt Julia Hennecke, Diplom-Oecotrophologin vom Netzwerk Gesund ins Leben in Bonn. Man solle das Breifüttern nicht forcieren. „Vom fünften bis zum siebten Lebensmonat besteht ein großzügiges Zeitfenster. Man kann also ganz entspannt abwarten.“
Auf Reifezeichen achten
Ab wann den Säugling Milch-Alternativen interessieren, ist in der Regel nicht zu übersehen. „Da werden die Augen groß, die Händchen strecken sich zur Nahrung hin, der Mund geht auf, sobald Mama, Papa oder Geschwister etwas essen“, erklärt Dr. Christa Wienerroither, die als klinische Psychologin an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde in Salzburg die Ambulanz für Schrei-, Schlaf- und Fütterungsprobleme leitet. „Das Kind will seine Nahrung im wahrsten Sinne des Wortes ,begreifen‘.“ Wichtig dabei: Auch der körperliche Entwicklungszustand entscheidet über den Beikostbeginn. Zu den Reifezeichen zählen hier das eigenständige Sitzen und Kopfhalten. Außerdem lässt der sogenannte Zungenstoßreflex nach. Das bedeutet: Das Kind schiebt den angebotenen Brei nicht mehr automatisch mit der Zunge wieder aus dem Mund, sondern schluckt ihn herunter. Bei Frühgeborenen finden diese Entwicklungsschritte oft später statt als bei termingerecht zur Welt gekommenen Säuglingen. Den Beikoststart sollte man daher mit Blick auf den eigentlich errechneten Geburtstermin planen.
Geschmack entfalten
Der erste Brei besteht aus leicht verdaulichem Gemüse, schon nach etwa einer Woche kann man Kartoffel-, dann auch Fleisch- und Fischbrei dazugeben. Die meisten Eltern wünschen sich wohl, dass sich ihre Kleinen von Anfang an zu unkomplizierten Allesessern entwickeln. Mütter, die in der Schwangerschaft sehr abwechslungsreich gegessen haben, haben hierfür einen wichtigen Grundstein gelegt. Denn: „Geschmacksstoffe aus der Nahrung der Mutter können in das Fruchtwasser übergehen“, erklärt Julia Hennecke. Studien liefern Hinweise darauf, dass Babys, die bereits im Mutterleib viele Aromen kennengelernt haben, auch bei der Beikost experimentierfreudiger sind. Grundsätzlich ist aber Geduld gefragt. „Manche Kinder brauchen einfach etwas länger, um sich an die neue Vielfalt zu gewöhnen“, so Hennecke. Wird ein bestimmtes Gemüse verschmäht, ist das okay. Aber: nicht gleich komplett aufgeben, sondern das abgelehnte Gemüse immer mal wieder anbieten.
Essen lernen im Team
Keinen Druck aufzubauen ist laut Psychologin Christa Wienerroither ohnehin das oberste Gebot. „Schaffen Sie eine gemütliche Atmosphäre. Stress und Hektik haben am Esstisch keinen Platz.“ Eltern sollten sich nicht darüber grämen, wenn ihr Baby anfangs andere Ziele verfolgt als sie selbst: nach dem Brei greifen, daran riechen, damit spielen – und nebenbei eine winzige Menge essen. Satt werden steht vorerst nicht auf der Agenda. „Betonen Sie die gemeinsame und eigentlich völlig alltägliche Erfahrung. Essen und trinken Sie gemeinsam mit Ihrem Kind“, rät die Expertin. Was es nicht braucht: jeden Bissen bejubeln. „Am besten ist es, dem Kind zu vermitteln: Du bist einer von mehreren Essern am Tisch, es gibt etwas Leckeres und dieses Ritual pflegen wir ab heute jeden Tag zusammen.“
Hallo Brei, tschüss Milch?
In den ersten Wochen bekommen Essanfänger noch nicht genügend Energie aus Karottenmus und Co. Solange die Breie noch nicht komplett eingeführt sind, braucht das Kind weiterhin die Nährstoffe aus der Milch. „Der Anteil an fester Nahrung wird langsam größer. Parallel dazu fährt man die Menge der Still- bzw. Flaschenmahlzeit nach und nach zurück“, sagt Hennecke. Wie schnell dieser Wechsel vollzogen wird und wie lange unabhängig davon zusätzlich gestillt wird, entscheiden Eltern und Kind ganz individuell. Zusätzliche Flüssigkeit zu der Mahlzeit wird spätestens ab dem dritten Brei (Getreide-Obst-Brei, circa zwei Monate nach Beikoststart) empfohlen. „Bieten Sie dann zu jeder Breimahlzeit Wasser an“, rät die Oecotrophologin. Leitungswasser sei völlig okay. Ungesüßter Kräutertee sei hin und wieder möglich, allerdings sollte man die Sorte immer wieder wechseln. Und: „Tee als einziges Getränk ist nicht geeignet.“ Kuhmilch steckt meist schon als Zutat im Abendbrei. Darüber hinaus sollte man sie vorerst nicht als Zusatzgetränk anbieten.
Holpriger Start
Wenn dem Kind der Brei mal wieder nicht schmeckt und manches danebengeht, haben Mütter und Väter oft den Eindruck, ihr Kind esse zu wenig. Wächst und gedeiht es dennoch bestens, müsse man zunächst nichts unternehmen, sagt Christa Wienerroither. „Nimmt das Kind aber nicht mehr zu oder sogar ab, sollten Sie zu Kinderärztin oder -arzt gehen.“ Wenn nötig, überweist er oder sie zu einer Fachärztin oder einem Facharzt. „Teilweise handelt es sich um Probleme bei der Eltern-Kind-Interaktion, dann ist psychologische Unterstützung entlastend“, sagt die Expertin für Fütterstörungen.
Und schließlich: Manche Babys mögen Brei schlicht und ergreifend nicht, sondern schielen früh nach dem „richtigen“ Essen. Da kann „Baby-led Weaning“ (auf Deutsch: „vom Baby geleitete Entwöhnung“) einen Versuch wert sein . Dabei bekommt das Kind zum Beispiel Gemüse- und Obststücke, die es selbst halten und in den Mund stecken darf. Wichtig: Die Stücke dürfen nicht zu hart und zu klein sein, sonst besteht Erstickungsgefahr! Das gilt auch für ganze Früchte wie Trauben oder Beeren – immer klein schneiden und Kerne entfernen! Auch müssen Eltern genau darauf achten, dass das Kleine alle Nährstoffe erhält. Laufen alle Versuche, das Baby fürs Essen zu begeistern, ins Leere, wenden Sie sich am besten an eine Kinderklinik, die Sprechstunden für Fütterungsstörungen anbietet.
Im Folgenden stellen wir Ihnen die wichtigsten Nahrungsgruppen vor - und worauf es dabei jeweils ankommt:
Quellen:
- Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) : Abfolge und Auswahl der Beikost , Handlungsempfehlungen. In: Netzwerk Gesund ins Leben, Online 03.07.2017, 1: 1
- Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg: Von Anfang an mit Spaß dabei, Essen und Trinken im ersten Lebensjahr. In: Broschüre 01.01.2021, 1: 1-24
- Ranft D: Fleischlos ernährte Säuglinge richtig mit Eisen, Jod, Zink und Vitaminen versorgen . In: Medical Tribune 24.09.2020, 1: 1
- Jochum F: Adipositasprävention — schon bei Säuglingsernährung?, Fragen zur Kinderernährung. In: Pädiatrie 13.08.2019, 31: 61
- Weber M, Grote V, Closa-Monasterolo R et al.: Lower protein content in infant formula reduces BMI and obesity risk at school age, Follow-up of a randomized trial. In: The American Journal of Clinical Nutrition 12.03.2014, 99: 1041-1051