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Die drittgrößte Stadt Österreichs hat sich in den letzten Jahren von der grauen Industriestadt zur Kulturmetropole gewandelt. Die überwiegend barocke Altstadt erstrahlt frisch saniert. In den Gassen und auf Österreichs zweitlängster Einkaufsmeile, der Landstraße, haben viele ausgefallene Läden sowie zahlreiche neue Museen eröffnet.

Zum 110. Geburtstag bekommt die Krippe im Linzer Dom ein besonderes Geschenk: ein virtuelles Geschwisterkind. Das Futurelab des Museums für elektronische Kunst Ars Electronica Center (AEC) hat die Figuren der angeblich größten Krippe der Welt digitalisiert. Hinter dem Projekt steckt der Künstler, Forscher und Produzent Stefan Mittlböck-Jungwirth-Fohringer, kurz Stefan Mittlböck. Am AEC beschäftigt sich der 45-Jährige seit 21 Jahren mit „poetischen Systemen“. Der moderne Mensch lebe in zahlreichen verschiedenen Systemen, die er nun mit künstlerischen Mitteln sichtbar machen will. Eines davon ist die Religion.

Mit dem katholischen Glauben ist der Bauernsohn im nahen Mühlviertel aufgewachsen. „Das prägt dich, ob du willst oder nicht“, beschreibt er sein kritisches, aber auch wohlwollendes Verhältnis zur Kirche. Lange Jahre engagierte er sich in der katholischen Jugend. Später hat er in einem eigenen Werkzyklus seine unter anderem kirchlich geprägten Kindheitserinnerungen verarbeitet. Sein Bruder restauriert als Fassmaler und Vergolder-Meister zahlreiche Kulturgüter, hauptsächlich in Kirchen. „Damit bin ich groß geworden“, erzählt Mittlböck, gelernter Elektriker. Ende der 90er-Jahre studierte er Malerei und Grafik an der Kunst-Universität in Linz. Vor zehn Jahren kam er mit Beschäftigten des Doms und der Kirche auf die Idee, die Krippe in Österreichs größter Kirche zu digitalisieren. Die Krippe zeigt verschiedene biblische Szenen rund um die Weihnachts­geschichte vor dem Hintergrund der biblischen Landschaft in Judäa.

Der Münchner Bildhauer Sebastian Osterrieder hat die Figuren nach ­einer Reise ins Heilige Land 1910 in dreijähriger Arbeit geschnitzt. Die Felslandschaft baute er aus bemaltem Kork, das Jesuskind aus Wachs. Gemälde verstärken den plastischen Eindruck im Hintergrund. Nur wenigen Krippenbauern gelang es, die Figuren so lebensnah zu gestalten. An den Gewändern und in den Gesichtern der Menschen sieht man jede Falte, an den Händen der Figuren sogar die Schrammen und das Schwarz unter den Fingernägeln. Die Glasaugen leuchten und sehen aus, als würden sie einen anschauen.

Mittlböck und sein Team fotografierten jede Figur einzeln mehr als 100 Mal rundum. Mit einer Software fügten sie die Bilder dann zusammen. So können die Besucherinnen und Besucher mit 3-D-Brillen in die Krippe eintauchen und das Geschehen zusätzlich auf 16 mal 9 Meter großen Projektionen in Mega-Auflösung erleben. Die Figuren lassen sich so aus nächster Nähe in Über-Lebensgröße betrachten. „Man begegnet Maria auf Augenhöhe. Dem Jesuskind kommt man ganz nahe“, schwärmt Projektleiter Mittlböck. Aus seiner Heimatstadt Linz zieht der Künstler viele Inspira­tionen. Er wohnt etwas außerhalb, direkt an der Donau. In der Stadt arbeitet er neben seinem Hauptberuf im Ars Electronica Futurelab in seinem eigenen Atelier. Im Sommer zieht es ihn oft zum Entspannen an den renaturierten Donaustrand im Stadtteil Urfahr, nur ein paar Minuten Fußweg vom AEC. „Hier kannst du alles fußläufig erreichen“, freut sich Mittlböck. Direkt unter dem Ars Electronica Center liegt in einem uralten Haus die Stadtwerkstatt, ein Kulturzentrum, das regelmäßig Lesungen und Konzerte anbietet. Hier trifft er sich nach der Arbeit mit Kolleginnen und Kollegen. Oft ziehen sie dann noch weiter zum „Schiff“, dem schwimmenden Kultursalon mit Kneipe „Fräulein Florentine“ wenige Hundert Meter flussabwärts.

Von Robert Fishman


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