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Petra Ammann ist stolz. Vor einem Jahr hat sie die Prüfung für den Segelschein bestanden. „Meine körperlichen Einschränkungen bedingt durch mein Rheuma waren eine Herausforderung“, sagt sie. Doch es war ihr Traum – und den wollte sie sich nicht durch ihre Krankheit kaputt machen lassen. Seit 13 Jahren lebt sie mit der Diagnose rheumatoide Arthritis, so wie rund 550 000 weitere Betroffene in Deutschland. Es handelt sich um die häufigste entzündlich-rheumatische Erkrankung. Immer wieder hat Petra Amman Schübe, Gelenke entzünden sich, sie kämpft mit Steifigkeit und Schmerzen. Auf einer subjektiven Schmerzskala von
0 bis 10 liegt sie an guten Tagen unter 5: „Dann schaffe ich meinen Alltag gut.“

Was umgangssprachlich oft „Rheuma“ genannt wird, hat viele Gesichter. Weit mehr als 100 Krankheitsbilder zählen zum sogenannten rheumatischen Formenkreis. Fast alle sind mit Schmerzen und Bewegungseinschränkungen verbunden. Als Petra ­Ammann ihren ersten Krankheitsschub hat, ist sie 41 Jahre alt. Zunächst hält sie die Schmerzen für Symptome ihrer Fibromyalgie, einem Faser-Muskel-Schmerz, der unterschiedliche Körperregionen betrifft: „Ich konnte nicht mehr laufen, es tat höllisch weh.“ Weil die Zehen rot und geschwollen sind, steht der Verdacht auf eine entzündlich-rheumatische Erkrankung im Raum. Die Diagnose erfolgt prompt. Die chronische Autoimmunerkrankung rheumatoide Arthritis hat das körpereigene Abwehrsystem der Patientin gegen die Ge­lenke in ihren Füßen gerichtet. Mit hoch dosiertem Kortison und Methotrexat (MTX) gehen die Beschwerden schon nach wenigen Wochen zurück.

Wichtigstes Ziel der Therapie ist, die Entzündungen einzudämmen, um Schäden an Gelenken oder Organen zu verhindern. Dafür stehen heute viele Arzneien zur Verfügung. Sogenannte Basismedikamente können den Krankheitsverlauf mildern und sogar aufhalten, indem sie die überschießende Immunreaktion dämpfen, die für die Entzündungen verantwortlich ist. Sie sollten so früh wie möglich nach der Diagnose eingesetzt werden.

Je nach Erkrankung, Entzündungsaktivität und Krankheitsstadium wählt die Rheumatologin oder der Rheumatologe ein Medikament. Bei rheumatoider Ar­thri­tis ist MTX laut der ärztlichen Leitlinie das Mittel der ersten Wahl. Gegen akute Entzündungen hat sich Kortison bewährt. Da es in hoher Konzen­tration und bei längerer Anwendung schwere Nebenwirkungen birgt, wird es immer nur so kurzfristig und niedrig dosiert wie nötig eingesetzt. Seit einigen Jahren stehen zudem für manche rheumatischen Erkrankungen sogenannte Biologika zur Verfügung – eine Untergruppe der Basismedikamente, die gezielt Entzündungsprozesse blocken. Sie kommen zum Einsatz, wenn die Aktivität der Krankheit nicht anders in den Griff zu bekommen ist.

Ziel ist immer, völlige Entzündungs- und Beschwerdefreiheit zu erreichen und langfristig zu erhalten, also die sogenannte Remission. Flammt die Krankheit wieder auf oder verschlimmert sie sich, muss die Therapie geändert werden. Auf Arzneien sind die meisten Betroffenen lebenslang angewiesen. Daneben ergänzen Physiotherapie, Ernährung und Bewegung die Behandlung.

An einer anderen rheumatischen Erkrankung leidet Muna Strobl. Vor fünf Jahren erhielt sie die Diagnose ankylosierende Spondylitis (auch Morbus Bechterew). Die Krankheit betrifft die Wirbel­säule, aber auch Gelenke. Unbehandelt versteift und verformt sich die Wirbelsäule, Bewegungen sind nur unter Schmerzen möglich. „Als ich die Diagnose einer unheilbaren Krankheit bekam, fühlte es sich an, als würde man mir den Boden unter den Füßen wegziehen. Es war hart, da hinzukommen, wo ich heute stehe.“ Wie sich ein Leben mit Rheuma anfühlt? „Als ob man immer einen schweren Rucksack auf dem Rücken trägt. Wir werden die Krankheit nie los.“ Muna Strobl hat die Krankheit in ­ihren Alltag integriert. Wie ihr das gelungen ist, beschreibt sie in ihrem Buch „Aufrecht mit Bechterew“ (Humboldt Verlag, 2022). Sie musste lernen: „Es gibt Dinge, die sind unabänderbar. Ich konzentriere mich auf das, was ich selbst beeinflussen kann.“

Eine Rolle spielt dabei die Ernährung. ­Muna Strobl hat für sich eine spezielle Diät entdeckt. Sie ernährt sich stärkefrei, eine Empfehlung, die auf Studien eines britischen Immunologen zurückgeht. Schon lange ist bekannt, dass Ernährung ein Therapiebaustein sein kann. „Es mehren sich wissenschaftliche Hinweise, dass vegetarische Kost entzündungshemmend wirkt“, sagt Rheumatologin Kirsten Karberg. Sie empfiehlt: wenig Zucker, viel Gemüse und Obst, gesunde Fette, Seefisch, Vollkornprodukte. „Das Thema ist komplex und nicht alles verstehen wir. Aber viele haben den Wunsch, aktiv etwas zur Verbesserung der Krankheit beizutragen.“ Weitere Säulen sind für Muna Strobl Bewegung, Entspannung und positives Denken: „Mit Spaziergängen im Wald tanke ich auf.“ In ihren Alltag baut sie Erholungsphasen ein. Gegenüber ihrer Chefin geht sie schnell offen mit der Erkrankung um: „Ich habe gemerkt, dass ich nur noch eingeschränkt leistungsfähig bin. Hätte ich weiterhin versucht, 100 Prozent zu geben, hätte das Stress bedeutet und Stress triggert Krankheitsschübe.“

Auch Petra Ammann hat einen verständnisvollen Arbeitgeber. Keine Selbstverständlichkeit: Noch immer geben rund 20 Prozent der Berufstätigen mit Rheuma innerhalb der ersten drei Jahre ihrer Erkrankung ihren Job auf. Weil ein partnerschaftlicher Umgang zwischen Angestellten und Vorgesetzten aber oft zu guten Lösungen führt, zeichnet die Initiative RheumaPreis (www.rheumapreis.de) Betriebe aus, in denen das vorbildlich klappt. Als die Krankheit ausbricht, fällt Petra Ammann häufig aus. Sie sucht das Gespräch. In der Kantine des Auto­mobilherstellers kann sie nicht mehr arbeiten. Ihr Arbeitsplatz wird an ihre gesundheitliche Situation angepasst. Rheumatologin Karberg ermutigt: „Oft stößt man auf Verständnis. Auch für die Kollegen ist es einfacher, wenn sie informiert sind. So verstehen sie besser, wenn man einen schlechten Tag hat.“ Manchmal bekommt Petra Ammann komische Kommentare, weil man ihr die Krankheit nicht ansieht: „Du hast Rheuma? Du siehst doch ganz gesund aus.“ Viele wunderten sich, dass Rheuma jüngere Menschen betreffen kann. „Dieses Bild ist in vielen Köpfen“, bestätigt Expertin Karberg.

Das Päckchen, das sie zu tragen hat, vergisst Petra Ammann bei der Wassergymnastik. Auch auf dem Boot fällt die Last der Krankheit von ihr ab. Sie wartet nun auf den Sommer – wenn sie hoffentlich wieder die Segel hisst.

Muna Strobl, 50,


erhielt die Diagnose Morbus Bechterew vor fünf Jahren. Die Heilpraktikerin für Psychotherapie
arbeitet in Teilzeit in einer Mutter-Kind-Kurklinik, hat eine eigene Praxis und studiert Psychologie. An ihrer Arbeitsstelle ist sie offen mit der Krankheit umgegangen. Muna Strobl fand für sich Wege, sich von der Krankheit nicht „krumm biegen“ zu lassen. Sie achtet auf ihre Grenzen, bleibt positiv und hat viel durch Ernährung und Bewegung erreicht.

Job und Rheuma? Das geht!

Rheumatische Erkrankungen entwickeln sich oft bereits in jüngerem Alter, also mitten im Erwerbsleben. Fast 50 Prozent der Betroffenen mit rheumatoider Arthritis unter 65 Jahren bleiben heute berufstätig (Quelle: Deutsche Rheuma-­Liga). Bei gut eingestellter Therapie bedarf es oft nur kleiner Veränderungen im Arbeitsumfeld. Bei einem ungünstigen Krankheitsverlauf liegt womöglich eine Schwerbehinderung aufgrund von Rheuma vor. Der Gesetzgeber sieht hier zahl-
reiche Möglichkeiten zur betrieblichen Förderung vor.
Sprechen Sie das Thema in der Arbeit an! Mehr Infos bietet die Deutsche Rheuma-Liga unter www.rheuma-liga.de


Quellen:

  • Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie e.V. (DGRh), Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie e.V. (DGOOC), Prof. Dr. med. Christoph Fiehn: S2e-Leitlinie Therapie der rheumatoiden Arthritis mit krankheitsmodifizierenden Medikamenten. Leitlinie: 2018. https://register.awmf.org/... (Abgerufen am 27.12.2022)

  • Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie e.V. (DGRh), et al.: S3-Leitlinie Axiale Spondyloarthritis inklusive Morbus Bechterew und Frühformen. Leitlinie: 2018. https://register.awmf.org/... (Abgerufen am 27.12.2022)

  • Deutsche Rheuma-Liga: Im Job mit Rheuma. Wegweiser durch das Arbeitsleben. https://www.rheuma-liga.de/... (Abgerufen am 27.12.2022)
  • Deutsche Rheuma-Liga: Mit Rheuma gut arbeiten. Betriebliche Förderung — ein Überblick für Personalverantwortliche. https://www.rheuma-liga.de/... (Abgerufen am 27.12.2022)
  • Initiative RheumaPreis: Initiative “RheumaPreis – Aktiv mit Rheuma am Arbeitsplatz”. https://rheumapreis.de/... (Abgerufen am 27.12.2022)
  • Deutsche Rheuma-Liga: Therapie rheumatischer Erkrankungen . https://www.rheuma-liga.de/... (Abgerufen am 27.12.2022)
  • Elke Schurr: Rheuma richtig behandeln. Apotheken Umschau: https://www.apotheken-umschau.de/... (Abgerufen am 27.12.2022)