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Als ob ein Messer in den Körper gestochen und dann noch umgedreht wird: So beschreiben manche Betroffene den plötzlich auftretenden, brennenden und bohrenden Schmerz. Kommt ein paar Tage später noch ein einseitiger Ausschlag mit Rötung und Bläschen hinzu, folgt die Gewissheit: Es ist Gürtelrose. Jedes Jahr erkranken mehr als 300 000 Menschen daran. Die meisten von ihnen sind über 60 Jahre alt.

Schuld an der Gürtelrose (Herpes zoster) ist eine erneute Aktivierung des Varicella-zoster-Virus. Das ist derselbe Erreger, der die hochansteckenden Windpocken auslöst – bei den meisten Menschen schon im Kindesalter. Die juckenden Pusteln bei Windpocken verschwinden nach etwa einer Woche. Das Virus aber bleibt, es versteckt sich im Körper. Wie das gelingt? Die Wind­pockenerkrankung klingt ab, doch einige Viren überleben. Sie nisten sich unbemerkt in den Ganglien („Nervenknoten“) der Gehirnnerven und in den Nervenwurzeln des Rückenmarks ein. Und schlummern dort, oft über Jahrzehnte: „Das Immunsystem hält normalerweise das Virus in Schach, bis es eine Lücke findet. Das ist meistens einfach zunehmendes ­Alter, weil das Immunsystem schwächer wird“, sagt die Neurologin Prof. Dr. Claudia Sommer, Leitende Oberärztin am Uniklinikum Würzburg und Schmerzforscherin. Aber auch bei Stress, nach ­einer Virusinfektion wie etwa Corona oder bei geschwächter Abwehr können die Varicella-zoster- Viren „erwachen“ und sich vermehren.

Sie wandern dann an Nerven entlang nach ­außen an die Haut. Im Hautbereich, der von den betroffenen Nerven versorgt wird, tritt zuerst eine Rötung auf, gefolgt von Bläschen. Charakteristisch: die streifenförmige Form des Hautausschlags und das in der Regel einseitige Auftreten. Der Ausschlag am Rumpf erinnert an einen Gürtel, daher der harmlos klingende Name: Gürtelrose.

Auch wenn diese bei Weitem nicht so ansteckend ist wie Windpocken: Die Viren können über eine Schmierinfektion übertragen werden. Zum Beispiel, wenn man die noch nicht vollständig abgeheilten Bläschen berührt und anschließend mit der Hand an Mund, Nase oder Augen fasst. „Wenn der kleine Enkel, der noch nicht gegen Windpocken geimpft ist, dann bei Ihnen auf dem Schoß sitzt und Sie ihm vorlesen, bekommt er eine Woche später Windpocken“, sagt Prof. Dr. Julia Welzel, Direktorin der Klinik für Dermatologie und Allergologie am Universitätsklinikum Augsburg und Generalsekretärin der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DGG). Sie empfiehlt: „Bleiben Sie, bis die Bläschen und die Rötung verschwunden sind, zu Hause und meiden Sie Menschen, die noch keine Windpocken hatten.“ Das gilt insbesondere für Schwangere und Personen mit Immunschwäche. Leider ist Gürtelrose, vor allem im frühen Stadium, oft schwierig zu erkennen. Erste Anzeichen: Schlappheit und eventuell leichtes Fieber.

Circa 80 Prozent der Betroffenen haben stark brennende Schmerzen im betroffenen Hautgebiet – schon vor dem typischen Ausschlag. Auslöser dafür ist die Entzündungsreaktion der Nerven, mit der der Körper auf das Virus reagiert. „Zu uns kommen zum Beispiel Patienten mit starken Schmerzen im Unterkieferbereich. Die waren natürlich zuerst beim Zahnarzt, der nichts gefunden hat, was die starken Schmerzen erklärt. Auf einer Schmerzskala von eins bis zehn ist das dann gerne mal eine acht bis neun“, betont Welzel. Hautveränderungen mit Bläschen, bei Gürtelrose im Gesicht auch an der Mundschleimhaut, kommen erst nach zwei bis drei Tagen. In seltenen Fällen entstehen gar keine Bläschen. Oft haben Betroffene bis zur Diagnose einige Ärztinnen und Ärzte aufgesucht. Einseitige Schmerzen links im Brustbereich – Verdacht auf Herzinfarkt: Notärztin oder Notarzt werden gerufen, um den Verdacht abzuklären. Beim Urologen landen mitunter diejenigen, die Schmerzen im unteren Rücken haben: Verdacht auf Nierenstein.„Es dauert manchmal ein bisschen, bis man draufkommt, dass Sie eine Gürtelrose haben“, sagt Hautärztin Welzel. Klar wird es erst, wenn die Bläschen auftreten.

Nicht jede Gürtelrose muss behandelt werden. Manchmal verläuft sie schmerzlos. Wer und wie behandelt werden muss, entscheidet die Ärztin oder der Arzt. Treffen bestimmte Kriterien zu, gibt man Medikamente. Dazu gehören: Alter über 50 Jahre, Gürtelrose im Gesicht, schwere Hautveränderungen oder Immunschwäche. Fast immer sind es dann Mittel, die das Virus davon abhalten, sich weiter zu vermehren. Diese sogenannten Virustatika sorgen für ein schnelleres Abheilen der Bläschen. Ist der Juckreiz nicht auszuhalten, gibt es in der Apotheke Tinkturen zum Auftupfen auf den Ausschlag. Wichtig: nicht kratzen! Auch wenn es schwerfällt. Und was ist mit den Schmerzen? „Am Anfang ist es ein akuter Schmerz, der so stark und unangenehm ist, dass viele unserer Patienten starke schmerzhemmende Mittel brauchen“, sagt Neurologin Sommer. Bei weniger ausgeprägten Schmerzen helfen auch Arznei­mittel wie Paracetamol oder Ibuprofen.

Die akute Erkrankung ist vorbei, wenn auf der Haut keine Bläschen und keine Rötung mehr zu sehen sind: etwa nach zwei bis vier Wochen. Im Regelfall sind dann auch die Schmerzen weg. Mit wenigen Ausnahmen. „Sind die Schmerzen noch da, wenn die Bläschen verheilt sind, handelt es sich um reine Nervenschmerzen. Sind diese bis dahin nicht als solche behandelt worden, dann jetzt!“, sagt Sommer. Die Schmerzen können intensiver sein als zu Beginn der Gürtelrose und schlimmer werden. Ur­sache: ein Schaden in dem Nerv, der vorher von der Gürtelrose betroffen war. Der Fachbegriff für diese Schmerzen ist Post-Zoster-­Neuralgie. Sie tritt bei etwa zehn bis 20 von 100 Menschen nach Gürtelrose auf. Typisch ist ein dauerhafter, brennender, bohrender oder stechender Schmerz. Oft ist die Haut dann überempfindlich und juckt. Körperpflege, sich im Bett umdrehen oder Berührungen können unangenehm oder schmerzhaft sein. Die Symptome können Wochen, Monate oder sogar Jahre andauern.

Sollten Sie nach einer überstandenen Infektion weiter Schmerzen haben – zögern Sie nicht, sondern gehen Sie in die Arztpraxis. Die Post-Zoster-Neuralgie kann behandelt werden. Gute Erfahrungen gibt es mit Arzneimitteln, die in die Gruppe der Anti­depressiva beziehungsweise Antiepileptika gehören. Das sind zwar keine Schmerzmittel im klassischen Sinn; ihre Einnahme bedeutet aber nicht, dass Sie Epilepsie haben oder depressiv sind! Beide Arten von Arzneien hemmen die Schmerzweiterleitung und lindern so die Nervenschmerzen.

Bei gesunder Haut kann man auch mit Pflastern behandeln. „Das Lidocain-Pflaster lässt man für zwölf Stunden auf der schmerzenden Stelle der Haut. Es betäubt die oberflächlichen Hautnerven und schützt gleichzeitig die Haut vor der reibenden Kleidung“, so Neurologin Sommer. „Das Pflaster wirkt aber nur, wenn es auf der Haut ist.“ Die Alternative: ein Chili- Pflaster mit dem Wirkstoff Capsaicin. „Das ist ein bemerkenswerter Trick. Das Pflaster mit Capsaicin brennt wahnsinnig auf der Haut und übertönt den Nervenschmerz. Wenn das gut funktioniert, hat man einige Monate keine Schmerzen“, erklärt Welzel. Eine leichte Betäubung vorab macht die Prozedur erträg­licher. Das Pflaster bleibt maximal 60 Minuten auf der Haut. Im Gesicht darf es nicht verwendet werden. Nicht alle Medizinerinnen und Mediziner bieten die Therapie an: Fragen Sie nach. Halten die Schmerzen trotz Behandlung an, kann Hausärztin oder Hausarzt an eine Schmerztherapeutin oder einen Neuro­logen, aber auch an ein Schmerzzentrum überweisen.

Die einzige Möglichkeit, sich vor einer Gürtelrose und der Post-Zoster-Neuralgie zu schützen, ist eine Impfung. Seit 2018 empfiehlt die Ständige Impfkommission ­(STIKO) Personen über 60 Jahren einen Totimpfstoff. Er enthält bestimmte Proteine des Windpocken-Virus, die nicht mehr aktiv sind. „Die Impfung ist vom Prinzip her eine Art Auffrischung der Antikörper. Damit kann der Körper die Viren besser und länger in Schach halten, sodass sie sich nicht vermehren können. Man ist quasi wieder jung“, sagt Welzel. Nebenwirkungen, die bei etwa jeder und jedem Zehnten auftreten können, sind Rötungen, Müdigkeit oder Kopfschmerzen. Sie dauern jedoch nur wenige Tage an.


Quellen: