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Sich mehr als 1000 Stiche in den Finger pro Jahr ersparen – das macht kontinuierliche Zuckermessung möglich. Menschen mit Typ-1-und auch solche mit Typ-2-Diabetes, die selbst ihre Werte kontrollieren, müssen sich regelmäßig piksen, um ein Tröpfchen Blut zu gewinnen und daraus den Zucker zu messen. Mit der kontinuierlichen Glukosemessung (kurz CGM oder FGM, siehe Randspalte) können Patientinnen und Patienten sich das ersparen. Man klebt sich dazu einen kleinen Sensor auf die Haut (siehe Foto), der mithilfe einer feinen Nadel kontinuierlich den Zucker im Unterhautgewebe misst. Die Werte werden beispielsweise auf das Smartphone übertragen.

Seit 2016 ist in Deutschland geregelt, wer die kontinuierliche Zuckermessung von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt bekommt. Voraussetzung ist eine sogenannte intensivierte Insulintherapie. Das heißt, die Patientinnen und Patienten spritzen sich mehrmals am Tag Insulin und passen die benötigte Dosis dabei dem aktuellen Blutzuckerwert an sowie der Ernährung und der körperlichen Aktivität.

Bei Typ-1-Diabetes gilt der Nutzen der CGM längst als unumstritten. Aber auch bei Typ-2-Diabetes und intensivierter Insulintherapie wird CGM zunehmend eingesetzt. Zu Recht? „Ohne Zweifel ist CGM auch für Typ-2-Diabetiker mit einer intensivierten Insulintherapie von Vorteil“, sagt Diabetologe Dr. Dietrich Tews, der ein Diabeteszentrum mit Standorten in Gelnhausen und Schlüchtern leitet. Ziel sei bei jeder Diabetes-Patientin und jedem Diabetes-Patienten ein Blutzucker-Langzeitwert (HbA1c) im angestrebten Bereich. Denn dauerhaft erhöhte Werte schaden Gefäßen und Nerven. Auch lebensgefährliche Unterzuckerungen können mit CGM zuverlässiger vermieden werden. Sie sind bei Typ-2-Diabetes zwar ohnehin selten – aber mit CGM sinkt das Risiko für deren Auftreten noch weiter.

Dazu kommen weitere Vorteile. Zum Beispiel können Patientinnen und Patienten mit CGM ihren Zuckerwert jederzeit abrufen. „So bekommt man ein Gefühl dafür, was zum Beispiel das Essen, körperliche Aktivität und das gespritzte Insulin mit dem Blutzucker machen“, erläutert Tews. Das sei enorm nützlich, denn es gebe den Betroffenen eine bessere Kontrolle über ihre Zuckerwerte. Deshalb befürwortet der Diabetologe bei seinen Patientinnen und Patienten mit Typ-2-Diabetes und intensivierter Insulintherapie die Zuckermessung per Sensor.

CGM ist im Vergleich zur herkömmlichen Blutzuckermessung teuer: Eine Studie der Barmer-Versicherung kam auf jährliche Mehrkosten von rund 2000 Euro. Weil es nach einer Auswertung der Datenlage aus dem Jahr 2015 nur „schwache Hinweise“ für einen Zusatznutzen gebe, sei laut der Krankenkasse die Frage zu stellen, ob eine „zehnfach teurere Messmethode wirtschaftlich angemessen ist“.

Hinzu kommt das Thema Nachhaltigkeit: Die Hautpflaster mit den Sensoren sind Wegwerfprodukte. Je nach Hersteller hält die Batterie ungefähr zwei Wochen. Danach müssen die Messpflaster entsorgt und durch neue ersetzt werden. „Nachhaltigere Lösungen sind vonseiten der Hersteller bislang leider noch nicht in Sicht“, sagt Tews. Eine weitere Problematik betrifft nicht nur Diabetikerinnen und Diabetiker, die kontinuierlich messen, sondern auch ihre Angehörigen: Bei besonders niedrigen Blutzuckerwerten sendet der Sensor eine Warnung ans Smartphone und die App schlägt Alarm. Gelegentlich kommt es aber auch zu Fehlalarmen. „Betroffene haben mir berichtet, dass sie und auch ihre Angehörigen in manchen Nächten mehrmals jäh aus dem Schlaf gerissen wurden“, so Tews.

Wägt man die Argumente ab, zeigt sich: Kontinuierliche Zuckermessung für alle Menschen mit Diabetes ist nicht sinnvoll. Die Methode muss schon einen signifikanten Nutzen haben, der die Nachteile überwiegt. Und den zeigen Studien bislang nur bei intensivierter Insulintherapie. Deshalb dürfte diese Therapieform auf absehbare Zeit die entscheidende Bedingung dafür bleiben, dass eine CGM bei Typ-1- und bei Typ-2-Diabetes von den Krankenkassen erstattet wird.


Quellen:

  • Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA): Kontinuierliche Glukosemessung mit Real-Time-Messgeräten wird GKV-Leistung für insulinpflichtige Diabetiker. https://www.g-ba.de/... (Abgerufen am 06.12.2022)
  • Lin R., Brown F., James S. et al.: Continuous glucose monitoring: A review of the evidence in type 1 and 2 diabetes mellitus. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/... (Abgerufen am 06.12.2022)
  • Park C., Le Q.: The Effectiveness of Continuous Glucose Monitoring in Patients with Type 2 Diabetes: A Systematic Review of Literature and Meta-analysis. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/... (Abgerufen am 06.12.2022)
  • BARMER Institut für Gesundheitsforschung: Hilfsmittelreport 2022. https://www.barmer.de/... (Abgerufen am 06.12.2022)